23. Februar 2019
Im Gespräch mit Matthew Veck-Gilodi (Gitarre) und Tom Ogden (Schlagzeug) von Deaf Havana.
Deaf Havana sind schon längst kein Geheimtipp mehr wenn es um soliden, melodiösen Alternative Rock geht. Die englische Band begeisterte bereits als Support-Act von Kings Of Leon und Nothing But Thiefs das Schweizer Publikum, nun waren die Jungs mit eigener Headline-Show zurück. Mit ihrem neusten Werk „Rituals“ schlägt die Band ganz neue Töne an. Gitarrist Matt und Schlagzeuger Tom haben mit uns über das Leben als Künstler, Tattoos und natürlich ihre Musik gesprochen.
Hier gibt es die Fotoreportage von ihrem Konzert in der Schüür in Luzern.
Miri: Welcher ist euer Lieblings-Track vom neuen Album „Rituals“ und warum?
Tom: Einer meiner Lieblings-Songs momentan ist „Worship“. Er macht sehr viel Spass live zu spielen.
Matt: Das ist wahrscheinlich auch mein Lieblings-Lied. Es ist sehr interessant, aber die Lieblingslieder ändern sich oft, wenn man sie plötzlich im Live-Setting hat und nicht mehr nur auf CD hört. Ich denke bei „Worship“ passt alles und es macht wirklich riesig Spass ihn live zu spielen.
Heisst das, ihr mögt „Worship“ lieber live als auf CD?
Matt: Hm … Nicht unbedingt lieber, aber der Song erhält live eine ganz andere Dynamik und ist voller Energie.
Von wo bezieht ihr eure Inspiration um neue Musik zu schreiben?
Matt: Vom Trinken und dann schlechte Entscheidungen treffen, dazu können wir bestimmt alle etwas beitragen … (Lachen) Die meisten Texte schreibt James, sie handeln viel von den Erfahrungen, welche er gemacht hat, oder von Erlebnissen, welche ihn geprägt haben. Danach schauen wir gemeinsam weiter, wie wir diese Ideen zu einem Song formen können.
Was ist das beste daran Musiker zu sein und was ist das schwierigste an diesem Leben?
Tom: Das Beste daran ist für mich definitiv, die Konzerte zu spielen. Ich liebe das! Aber die andere Seite am Tourleben ist wahrscheinlich die Härteste: Die Warterei, das Nichtstun und die ewige Müdigkeit vor den Konzerten. Das kann sehr anstrengend sein.
Matt: Für mich ist das Beste daran, die Möglichkeit zu haben das zu tun was ich liebe. Manchmal bringt uns unsere Musik um die halbe Welt und wir sehen verschiedene Orte. Dort dann neue Menschen zu treffen, welche unsere Musik mögen und zu unserem Konzert kommen, das ist das Schönste überhaupt. Das Schwierigste für mich ist der Übergang vom Zuhausesein und dem Tourleben, da es einfach so unterschiedlich ist. Das Schlimmste ist dann aber das wieder nach Hause kommen und sich im normalen Alltag zurechtzufinden. Man ist die ganze Zeit von Freunden umgeben, man erlebt Abenteuer, lacht viel und dann kommst man nach Hause und ist einfach alleine in den eigenen vier Wänden.
Ich stelle es mir auch herausfordernd vor, nie zu wissen was als nächstes kommt. Ihr habt ja nicht die Sicherheit eines fixen Jobs.
Matt: Ja sicher, das kann sehr stressig sein.
Tom: Ja, sehr stressig! Besonders wenn man eine Familie hat, für die man finanziell verantwortlich ist. Man versucht finanziell so stabil zu sein wie nur möglich, auch wenn der Job alles andere als stabil ist. Es wäre super wenn wir ein ganzes Jahr geplant hätten und wüssten, was auf uns zu kommt, wie viel wir verdienen und wie oft wir weg sind. Aber das ist leider nicht die Realität.
Matt: Die Musikbranche ist ein schwieriges Business und ein hartes Pflaster. Die Writing-Phase und das Unterwegssein sind so unterschiedlich, da muss man schon sehr anpassungsfähig sein. Nun haben wir einen Manager, welcher uns da sehr hilft. Das war aber nicht immer so und da wurde es manchmal sehr stressig, alles unter einen Hut zu bringen und bestmöglich zu planen.
Tom: Man muss sich die Finanzen gut einteilen, da nicht immer gleich viel Geld in die Kasse kommt. Aber auch da lernt man mit der Zeit aus der Erfahrung und auch aus seinen Fehlern.
Die Titel auf eurem neuen Album „Rituals“ sind sehr gegensätzlich. Es geht um Himmel und Hölle und Heilige und Sünder. Ich denke beides braucht einander um zu existieren. Könnt ihr mir da beipflichten?
Matt: Natürlich, da gibt es viele Gegensätze, welche einander brauchen um zu existieren. Gerade im Leben trifft man viele solche Beispiele an und es kann sehr herausfordernd sein, die Balance zu finden. Ich finde diesen Konflikt nicht nur im sprachlichen Sinne sehr interessant, sondern auch im musikalischen Sinne. Ich arbeite mit Themen, die klare Gegenteile sind. Gerade auch die Songs auf „Rituals“ sind musikalisch sehr poppig und optimistisch, die Lyrics dazu sind dann aber sehr düster und pessimistisch. Dieser Konflikt war schon immer etwas, das mich fasziniert hat. Nicht nur im musikalischen Bereich sondern auch in anderen Formen der Kunst.
Die Lyrics sind oft sehr düster und auch sehr selbstkritisch. Beispielsweise „Sinner“ und „Evil“. Würdet ihr sagen, die Musik macht euch zu einem besseren Menschen?
Tom: Ich denke nicht. Vielleicht höchstens auf dem Papier. (Lachen)
Matt: Ja ich weiss, viele Lyrics, welche James schreibt, sind sehr selbstkritisch. Ich denke darüber zu schreiben hilft ihm auf jeden Fall sich über vergangene Geschichten zu reflektieren. Aber ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher.
Im letzen Song „Epiphany“ redet ihr darüber wie ihr gerne ein normales Leben hättet – ohne Tattoos, zu viel Alkohol. Wünscht ihr euch manchmal, ihr hättet euch für das normale Leben anstatt für das Künstlerleben entschieden? Denkt ihr, aus euch wären andere Menschen geworden?
Tom: Ja… es ist sehr schwierig zu sagen. Wie sagt man so schön? „Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite des Zaunes.“ Ein fixes Einkommen zu haben, immer zu Hause sein zu können und einen Bürojob zu haben klingt auf den ersten Blick sehr verlockend. Aber auf der anderen Seite kann ich mir vorstellen, dass es mir sehr schnell langweilig sein würde. Ich bin sehr gerne kreativ in allem was ich tue und mache es auf meine Art und Weise. Ich denke das würde sich nicht mit einem normalen Job vertragen.
Matt: Ich würde nicht das normale, einfache Leben wählen. Ich denke man hat nicht wirklich die Wahl, ob man ein Künstler sein möchte oder nicht. Wenn man das Bedürfnis kreativ zu sein in sich trägt, ist es sehr schwer dies zu unterdrücken und in einem normalen Leben erfüllt und glücklich zu werden.
Seid ihr auch an anderen Formen der Kunst interessiert?
Tom: Ja, das sind wir. Ich zeichne schon sehr lange gerne und investiere viel Zeit darin besser zu werden. Auf Tour zeichne ich jeden Tag und versuche jede freie Minute damit zu verbringen. Wenn ich zu Hause bin, bin ich daran das Tätowieren zu erlernen.
Haben eure Tattoos eine Bedeutung oder tätowiert ihr euch einfach was euch gefällt?
Matt: Für mich haben die Tattoos gar keine Bedeutung, ich tätowiere mir das was mir gefällt. Viele Leute fragen mich was das Tattoo auf meinem Arm bedeutet. Ich sage dann immer das bedeutet, dass es mir gefällt und ich es deswegen habe tätowieren lassen.
Tom: Ein paar vom meinen Tattoos haben eine Bedeutung, andere wiederum nicht. Bei den Tattoos auf meinen Händen mochte ich einfach das Design des Tätowierers und habe es deswegen tätowiert. Das eine Tattoo hat die Herzschläge meiner Kinder und meiner Frau, das hat die grösste Bedeutung für mich. Leider habe ich auch ein paar wirklich schlechte Tattoos.
Könnt ihr uns etwas mehr über den Prozess zur Entstehung eines neuen Albums erzählen? Ich stelle es mir sehr herausfordernd vor irgendwo zu starten und das dann am Schluss alles zusammenzubringen, so dass es dann auch passt.
Tom: Vieles passiert per Zufall. Bei „Rituals“ ging alles sehr schnell und alles hat sich ganz natürlich zusammengefunden. James kam mit einigen Ideen und Demos. Uns hat das allen gleich gefallen und dann nahm das alles seinen Lauf und das eine hat das andere ergeben.
Matt: Es kann aber auch schwierig sein. Bei manchen Songs klappt alles gleich auf einmal und fühlt sich dann auch richtig an. Bei anderen Songs wiederum braucht es mehr Arbeit bis man zufrieden mit dem Resultat ist. Es variiert wirklich sehr stark von Lied zu Lied.
Ist es bei solchen Titel nicht auch sehr schwierig zum Ende zu kommen und wirklich zu sagen, dass man den Song nun so sein lässt?
Matt: Das ist der schwierigste Teil der Arbeit. Das ist aber auch der grösste Vorteil daran mit einem Produzenten wie Phil zusammenzuarbeiten. Man kann konstant Änderungen anbringen, bis dann alles stimmt.
Wie ist das dann wenn das Album wirklich abgeschlossen und fertig produziert ist, hört ihr euch das an und hinterfragt ob ihr doch noch etwas hättet ändern sollen?
Tom: Manchmal, aber da geht es eher um meine eigene Performance. Dann wünsche ich mir manchmal, ich hätte Kleinigkeiten anders gemacht.
Matt: Aber solche Kleinigkeiten kann man dann dafür in den Live-Shows einfliessen lassen. Das ist sowieso etwas was ich total mag. Ich mag es wenn die Musik live etwas anders klingt als auf dem Album. Das Album ist ein Zeitstempel einer Zeit in welcher eine Gruppe Menschen zusammen etwas kreiert hat. Bei den Live-Shows entwickelt man sich als Menschen, als Musiker immer weiter und ist in konstantem Wandel.
Was sind eure grössten Träume für die Zukunft der Band?
Matt: Früher hatten wir grosse Träume als Band. Heute, als wir etwas älter wurden, sind wir da etwas realistischer und abgebrühter. Um ehrlich zu sein, wenn ich mir genau überlege was ich arbeite, finde ich es absolut lächerlich und kann das kaum glauben. Es sind die Träume eines Dreizehnjährigen, welcher das unbedingt Künstler werden möchte. Ich kann kreativ sein, Musik machen und mit meinen Freunden um die Welt reisen. Wenn ich mein Leben so weiterleben kann wie bis wie jetzt, dann weiss ich, dass ich glücklich sein werde.
Tom: Bei mir ist das genau gleich. Hauptsache ich kann das machen, was mich glücklich macht. Als ich jünger war hatte ich grosse Träume wie beispielsweise am Galstonbury-Festival zu spielen. Aber das haben wir mittlerweile alles erreicht. In der Brixton-Academy in London als Headliner spielen zu können oder mit Kings Of Leon auf Tour zu sein, waren für mich massive Meilensteine unserer Karriere und unvergessliche Erlebnisse.
Auf welchen Song seid ihr besonders stolz?
Tom: Da muss ich kurz nachdenken. Musikalisch hatten wir eine grosse Kluft zwischen dem Album „Old Souls“ und „All These Countless Nights“. Nach dem Album „Old Souls“ hatten wir einen Tiefpunkt unserer Bandgeschichte und dachten, es sei das Ende der Band. Dann schrieb James den Song „Ashes Ashes“. Wir mochten diesen Song alle auf Anhieb und wussten, dass das die Richtung ist in der wir weitermachen möchten. Es ist der erste Track des Albums und war quasi wie ein Neustart, das macht ihn für mich zu einem ganz speziellen Song. Danach ging alles wieder bergauf.
Matt: Ich kann dem nur zustimmen, „Ashes Ashes“ ist wirklich ein ganz besonderer Song.
Interview: Miriam Ritler