3. Oktober 2017
Im Gespräch mit: Dave Hause
Nachdem er in seinen Teenagejahren mit dem Musizieren begonnen hat und in einer Reihe von Bands gespielt hat, entdeckt sich der Musiker aus Pennsylvania als Singer-Songwriter. Mit drei veröffentlichten Soloalben im Gepäck ist Dave Hause wieder auf Europareise und legt auch dieses Mal wieder einen Zwischenhalt in Zürich ein. Vor dem Konzert (Bericht) im Werk21 spricht er über sein Songwriting, die Zusammenarbeit mit seinem Bruder und wie die Ereignisse des vorherigen Tages seinen Wunsch nach Erholung verstärkt haben.
Während dem Gespräch befindet sich auch Frank Iero (Interview), Frontmann der Band Frank Iero And The Patience, im Raum, welcher sich die Bühnen dieser Tour mit Dave Hause teilt.
Sarah: Wie läuft die Tour bis jetzt?
Dave: Die Tour war gut! Wir sind etwas über eine Woche in Grossbritannien gewesen und sind jetzt seit fünf oder sechs Shows am Mainland-Europe-Run. Wir sind noch dran bis Sonntag oder Montag, gehen dann noch einmal nach Grossbritannien und dann sind wir weg. Es ist also eine ziemlich lange Tour, aber es ist eine ziemlich angenehme Atmosphäre. Und wir waren dieses Jahr schon zwei Mal in Europa, wir besuchen also gewissermassen eine Menge der Fans und es ist ziemlich gemütlich. Es hat Spass gemacht bisher. Gestern war ein wirklich brutaler Tag, es ist also gut, wenn man unter Freunden und Familie ist, wenn man solche Neuigkeiten erfährt.
Nun, im Allgemeinen, was ist das Beste daran, auf Tour zu sein?
(Frank Iero tritt zu uns heran, deutet sich grinsend auf die Brust und formt mit den Lippen stumm das Wort „me“). Musik spielen zu können. Es gibt nur wenig, das ich mehr mag. Für mich ist es nicht unbedingt so, dass ich dafür bezahlt werde, Musik zu machen – ich werde dafür bezahlt zu reisen, den musikalischen Teil mache ich umsonst. Du musst mich also nur irgendwie dorthin bringen. Das ganze Herumreisen kann ermüdend sein, aber für mich, eine Person mit Arbeiterklassenhintergrund, ist das grossartig. Musik für andere Leute in anderen Ländern so weit weg von Zuhause spielen zu können – die meisten Leute, mit denen ich aufgewachsen bin, waren noch nie in der Schweiz, noch nie in Österreich oder Deutschland, und wir können hierherkommen und vor Leuten spielen, die sich über die Kunst, die wir als Beruf machen, freuen. Es haut mich jedes Mal von den Socken. Es ist eine ziemlich demütig machende und grossartige Sache.
Gibt es manchmal Zeiten, in denen du denkst: „Ich will das alles nicht mehr, ich will etwas komplett anderes machen, eine Pause machen“?
Vielleicht eine Pause machen. Aber es ist so sehr ein Teil von mir – seit ich erwachsen geworden bin, bin ich auf Tour. Ich war Roadie für eine Band, ich habe jahrelang in einer Band namens „The Loved Ones“ gespielt, ich habe inzwischen drei Soloalben veröffentlicht und bin mit ihnen auf Tour gegangen – es ist einfach ein Teil von dem, was man als Musiker macht: Für Leute zu spielen. Also nein, ich denke eigentlich nicht. Ich meine, ich könnte zimmern, aber das habe ich gemacht und es ist ziemlich brutale Arbeit für deinen Körper. Und ich glaube es wäre irgendwie respektlos gegenüber anderen Handwerkern. Ich kann für Menschen Musik machen und die Zimmerarbeit den Zimmerern überlassen.
Wenn du Songs schreibst, fokussierst du dich dann stark auf das Endprodukt oder gehst du einfach mit dem Flow?
Für mich ist es immer ein Vor- und Zurückschaukeln zwischen der Weitsicht des Songs, der langen Sicht davon und kleinen, mikroskopischen Details, die sich dazu zusammenfügen. Das kann sein, herauszufinden, welches wohl die beste Stimme oder die beste Satzstellung für einen Songtext ist, wie du eine Line rüberbringst, ob es in der Vergangenheit oder der Gegenwart stattfindet – solche Dinge. Oft tut es gut, sich anzusehen, was man gemacht hat und dann herauszufinden, ob es Sinn ergibt, ob es fesselnd ist – was auch immer man mit dem Song beabsichtigt hat. Man muss wegzoomen und sich sagen: Was ist das, was ist das für ein Monster, dass ich erschaffe? Bei mir ist es also immer ein Hinein und Hinaus. Du versuchst, dich damit auf eine Fahrt zu begeben. Tatsächlich haben mein Bruder Tim ich gestern im Bus, spätabends, nachdem die Leute schon zu Bett gegangen sind, wieder mit dem Schreiben begonnen. Uns ist langsam die Energie ausgegangen, es war echt spät, aber das Gefühl ist gut, du willst da dran bleiben, solange es geht, und dann kannst du später dazu zurückkehren und versuchen, es zu editieren oder zu verfeinern, es besser zu machen. Genau wie bei einem Interview: Du hast die Fragen, denkst „Ich weiss, was ich fragen will“, dann kehrst du dazu zurück und denkst „Ach, diese Frage ist nicht gut, ich werde sie auslassen“, was auch immer. Es geht darum, sein Bestes zu geben, die bestmögliche Arbeit zu leisten mit der Inspiration, die man finden kann.
Gibt es besondere Menschen, denen du deine Werke zeigst, bevor du sie veröffentlichst?
Ja. Die erste Person, der ich etwas zeige, ist nun schon seit Jahren mein Bruder Tim. Er macht es besser, hat immer eine Meinung. Und je nach dem, mit welchen Produzenten oder Musikern ich zusammenarbeite, zeige ich es auch ihnen. Jeder macht dann kleine Vorschläge – der Prozess ist immer etwas anders. Ich spiele nicht wirklich viele Songs für meine Frau, weil ich irgendwie Angst habe, dass sie ihr nicht gefallen könnten. Ich spiele sie ihr lieber vor, wenn sie fertig sind, gut und kräftig, und etwas aushalten können. Also ja, ich versuche, sie einer Vertrauensgruppe von Leuten zu zeigen, von denen ich weiss, dass sie sie verbessern können und die mir sagen, wenn ich vollkommen lächerlich bin.
Wie fühlt sich das an, eine Platte zu veröffentlichen – ist das beängstigend, oder aufregend …?
Beim Veröffentlichungszeitpunkt ist es hauptsächlich Aufregung. Der beängstigende Teil liegt beim Schreiben. Denn ich bin ein strengerer Kritiker meiner eigenen Arbeit als irgendjemand sonst. Sobald man diesen Punkt erreicht hat, wenn die Platten alle gepresst worden sind und du alle deine Entscheidungen getroffen hast, ist es hauptsächlich die Aufregung, dass du es unter die Leute bringen kannst. Du bist stolz auf die geleistete Arbeit und neue Leute springen auf diesen Zug auf. Bisher ist das mit jeder Platte passiert. Vielleicht werde ich auch mal eine machen, bei der die Leute nicht an Bord hüpfen, ich weiss es nicht. Aber letztendlich ist es hauptsächlich Aufregung, wenn die Platten veröffentlicht werden.
Wie entscheidest du, dass ein Album fertig ist, bereit, um in die Welt hinaus getragen zu werden?
Hm, das ist sehr schwer. Deshalb arbeitet man mit einem Produzenten und verschiedenen Leuten zusammen, denn diese können dir helfen, diese Perspektive einzunehmen. Du selber kannst endlos an etwas herumbasteln, verschiedene Dinge ausprobieren und dich selbst in den Wahnsinn treiben. An einem gewissen Punkt ist es hart zu entscheiden, wann kreatives Bestreben zu Ende ist, aber man muss auch wissen, dass man es manchmal kaputt machen kann, wenn man zu viel hinzufügt. Es ist ein Gleichgewicht, das ich immer noch zu finden versuche.
Du hast schon mit vielen anderen Künstlern gearbeitet, getourt und gespielt. Gab es da irgendeine Zusammenarbeit, die dich besonders beeinflusst hat?
Ja, die Zusammenarbeit mit meinem Bruder. Die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe, war es, ihn als Musiker mit auf Tour zu nehmen, als jemand, der Keyboard und Gitarre spielen kann. Seit er 2014 involviert worden ist, ist mein Leben unendlich viel besser geworden. Aber mit allen möglichen Künstlern zusammenarbeiten zu können ist immer toll. Wir haben mit Eric Bazilian und William Whitman auf dem letzten Album zusammengearbeitet, wir haben mit David Hidalgo Jr. zusammengearbeitet – einem unglaublichen Schlagzeuger, der für Social Distortion und viele andere Bands spielt. Er hat auf unseren letzten zwei Alben gespielt. Und all die Live-Collaborations mit Dan Andriano, Chuck Ragan, Bryan Fellon, all diese Jungs von der Revival-Tour … Mit Kayleigh spielen zu können, Jelly Owen Youngs. Es gibt so viele davon. Es ist immer gut, Musik teilen zu können. Das ist irgendwie der Punkt: Es gemeinsam machen zu können. Es eröffnet neue Wege, neue Räume, neue Töne.
Gibt es ein Ziel, oder vielleicht mehr als nur ein Ziel, welches du als Musiker noch erreichen möchtest?
Ja, da gibt es so etwas wie Businessziele, schätze ich. Du willst mehr Leute erreichen, vor mehr Menschen spielen und all diese Dinge. Auf der kreativen Ebene möchte ich einfach weiter Songs und Platten machen, auf die ich stolz bin und die mir Freude bereiten – das ist eigentlich immer das Ziel, das ist die Karotte, der du immer nachrennst. In diesem Sinne – mit dem Wissen, dass dies vor mir liegt und mit den Menschen, die das unterstützen, sind viele dieser Ziele schon erreicht. Ich denke, man muss auf zwei verschiedene Arten darüber nachdenken. Du willst eine bestimmte Anzahl an T-Shirts verkaufen, sodass du das Ganze am Laufen halten kannst und Geld Nachhause bringen kannst, um deine Miete zu bezahlen. Aber das ist etwas anderes als die kreativen Ziele. Kreative Ziele werden hier aufbewahrt (deutet auf seine Brust). Es geht darum, seine authentische Vision von dem, was man will, zu zeigen – schalltechnisch und textlich. Das ist immer das Ziel.
Wie gehst du mit Kritik um? Zum Beispiel, wenn manchen deine neuen Songs nicht gefallen?
Das ist okay. Es gibt so viel mehr, worum man sich Sorgen machen muss. Ich kümmere mich nicht wirklich um jemanden, der nicht schon an Bord ist. Mit anderen Worten: Die Songs sind da, wenn du sie dir anhören willst und sie dich ansprechen, komm und schliess dich uns an; sie gefallen dir nicht, dann will ich nichts davon hören, ich habe andere Dinge, um die ich mich kümmern muss. Du willst nicht deine Zeit damit verschwenden, die Unbeeindruckbaren zu beeindrucken. Das ist es nicht wert.
Jetzt gerade, worauf freust du dich am meisten?
Ich freue mich auf meine Flitterwochen direkt nach dieser Tour, ich gehe nach Hawaii. Diesen Geschehnissen in Las Vegas und der Verlust von Tom Petty haben mir irgendwie den Wind aus den Segeln genommen. Es ist Zeit für eine Pause. Ich bin dankbar, Musik machen zu können, dankbar, dass ich dieses Ventil habe, aber ich will jetzt einfach etwas Ruhe haben, entspannen können, mich an meinen Liebsten halten können – das ist es, worauf ich mich momentan am meisten freue. Danach sind wir wieder auf Tour in Amerika. Also, vielbeschäftigt.
Ja, das hört sich sehr beschäftigt an.
Ja, aber das ist schon in Ordnung. Es ist gute Arbeit, wenn du sie kriegen kannst. Zu viel Spiel, und die Arbeit geht vielleicht weg, was bedeutet, dass dir niemand mehr zuhört.
Okay, vielen Dank!
Ja, danke dir für das Interview!
Hab Spass später.
Ja, das werden wir – kommst du zum Konzert?
Ja klar, ich freue mich darauf.
Sweet, na dann geniess es, es sollte spassig werden.
Interview: Sarah Rutschmann