Datum: 2. Juni 2012
Ort: Zürich – in einem idyllischen Wald
Geschrieben von: Patricia Krapf
Im Gespräch mit: Boris und Luke von Das Fortleben
An einem schönen Samstagnachmittag luden uns Boris und Luke von das Forleben in einen idyllischen Wald in der Umgebung von Zürich ein, um mit uns ein wenig über die aktuellen Projekte und noch geheime Zukunftsvisionen zu plaudern.
Patricia: Danke, dass ihr euch Zeit für uns genommen habt! Das Fortleben – wir denken nur ganz anders. Euer Motto, dein Motto Luke. Was definiert ihr als normal und was ist denn ganz anders?
Luke: Für mich ist es mittlerweile zur Normalität gekommen. Wenn ich sehe, wie hektisch die Menschen durch ihren Alltag stressen, ist das eigentlich nicht normal, aber es ist die Normalität geworden. Ich war zwar auch mal eine Zeit so, aber mittlerweile versuche ich etwas runter zu schalten, anders zu denken und einfach nicht mehr so stressig durch die Welt zu laufen.
Boris: Mir ging es so, dass ich eigentlich Zeit meines Lebens gedacht habe, dass meine Gedanken normal wären, dass die Anderen anders denken. Bis ich im letzten Jahr feststellen musste, dass vielleicht doch ich anders denke als die Anderen. Obwohl ich das anders Denken für richtig halte, denn ohne andersdenkende würde das Leben sehr langweilig werden.
Luke: Man sollte als Mensch auch einfach mal die Scheuklappen abnehmen und schauen, was in der Welt eigentlich so alles passiert.
Patricia: Boris, du bist noch nicht so lange dabei. Erzähl mal ein bisschen. 🙂
Boris: Ja also gegründet haben wir das Projekt offiziell im Herbst 2011. Die Geschichte fing so an: Luke und ich hatten übers Internet mal Kontakt zu Zeiten von Radio Subway. Einige Jahre später sind wir uns dann wieder über den Weg gelaufen. Ich hab mir seine Texte und Lesungen angehört und habe ihm gesagt, er soll mir doch einfach mal die puren Vocals schicken, ich mache was draus. So ist dann auch der erste Track „Hörst Du Das Meer“ entstanden. Und Luke war begeistert.
Luke: Ja ich war total begeistert und habe gesagt, wir müssen jetzt loslegen. Das Projekt spielte mir ja schon in den 80er Jahren im Kopf herum. In den 90ern ist es dann etwas gereift. Als ich Deutschland verlassen habe und in die Schweiz gekommen bin, habe ich es dann endlich gestartet. Lange habe ich nach Musikern gesucht, die meine Texte verstehen, die anders denken und die Musik darum machen, weil ich einfach nicht der Typ bin, der an Instrumenten rumwerkelt. Und Boris ist der beste Musiker, den ich auf der Welt finden konnte.
Boris: Ich habe hier natürlich mit Luke auch den idealen Input gefunden. Wenn man uns beide im Studio sieht.. (beide lachen) dann sollte man eigentlich ein Video drehen und dafür Geld verlangen.
Patricia: Damit ist die nächste Frage, wie ihr zusammen arbeitet, ja auch schon teilweise beantwortet. 🙂
Luke: Nein, haben wir eigentlich noch gar nicht beantwortet! (lacht) Ich schreibe die Texte und Boris die Musik.
Boris: Ich sag dann meist: Du, ich hab da mal was vorbereitet!
Luke: Wir treffen uns dann im Studio, ich höre mir das an, und meistens sage ich dann: Hier hab ich noch einen Text, hast du dir den schon mal angesehen? Eigentlich entsteht immer parallel, ohne dass wir gross kommunizieren ein neuer Song!
Patricia: Also eine Symbiose?
Boris: Ja, meistens haben wir dann hinter dem Mikro zwei warmlauf Versuche und spätestens beim dritten Take sitzt das, fehlerfrei. Das habe ich noch nie erlebt.
Luke: Nun ich kann dazu sagen, da ich die Texte spreche oder lese und nicht singe, -wenn ich singen würde, könnte es problematisch werden – nur ich bin der Meinung, dass meine Texte nicht gesungen werden sollen, man soll etwas mitbekommen. So habe ich schon beim Schreiben eine Idee im Kopf, wie ich den Text auch rüberbringen will.
Patricia: Luke, wann schreibst du die Texte?
Luke: Zu jeder Zeit, das ist sehr unterschiedlich. Mir fallen meistens irgendwelche Textpassagen ein. Das beste Beispiel ist der Refrain von „das Meer“. Der sollte ursprünglich eine Liebesschnulze werden. Als dann aber Fukushima passierte, dachte ich mir, so, das ist jetzt eigentlich genau richtig und habe dann darauf den Text geschrieben. Die Bausteine hole ich mir aus dem Leben, Büchern und Schlagwörtern. Das kann ein Satz sein, der mir gefällt, den ich dann natürlich etwas ummodle.
Patricia: Luke, du hast vor ein paar Jahren gesagt, dass niemals ein richtiger Song aus der Feder von das Fortleben existieren wird. Mit „Respekt, Anstand, Moral“ habt ihr beide jetzt aber das Gegenteil bewiesen. Nun möchte ich wissen, welche Niemals-Ideen wir noch von euch erwarten dürfen?
Luke: Es ist einfach so, dass das Fortleben damals ein Soloprojekt war. Nun ist es aber ein Duo und die Voraussetzungen sind andere geworden. Wir machen das, woran wir Spass haben und was zusammenpasst. Das entsteht zum Glück meistens einfach so. Wir hatten einige Ideen, die sich super realisieren liessen. Man soll auch niemals nie sagen.
Boris: Die Grundstrukturen entstehen, das muss man wirklich mal sagen, meist innerhalb einer Stunde. Die Ausarbeitung dauert natürlich Tage, aber das Grundgerüst ist so komprimiert, und unsere geballten Emotionen und Gedanken sind als kritische Masse schon in der ersten Stunde verbacken und wird dann nur noch technisch ausgearbeitet und verfeinert, bis alles an seinem Platz ist. Ich lege beim Komponieren viel Wert darauf, dass immer viel Platz für die Stimme ist, die Texte klar rauskommen. Luke und die Texte sollen im Vordergrund stehen, und nicht die Musik.
Patricia: „Respekt, Anstand, Moral“ ist ja ein sehr gesellschaftskritisches Stück, welches den geübten Zuhörer echt zum Denken anregt. Was wolltet ihr damit bezwecken?
Luke: Wenn ich mir das immer alles so anschaue, ob ich mir Nachrichten oder Castingshows ansehe, man wird einfach nur noch verdummt und verblödet von den Medien, dass die Menschen nur noch darüber sprechen, wer denn nun die Castingshow gewonnen hat. Das geht mir einfach gegen den Strich und ich möchte, dass die Leute sich wieder mehr auf sich konzentrieren.
Boris: Den Kopf aufmachen!
Luke: Genau!
Boris: Mir kommt es so vor, als ob viele Menschen in einem Dämmerzustand wie ferngesteuert durchs Leben ziehen, immer mehr und verstärkter oder ich werde es mir einfach bewusster, ich weiss es nicht. Uns kommt es einfach so vor, als ob alle wie auf Schlaftabletten durchs Leben ziehen.
Patricia: Was tut ihr selber, um dem entgegen zu wirken?
Boris: Wachsam sein. Nicht alles für bare Münze nehmen was einem die Medien vorgaukeln, und einfach zwischen den Zeilen lesen, selbst denken und vor allem selber recherchieren.
Patricia: Nun ist es ja so, dass einige der früheren Werke eine Mischung aus Fiktion und Realität waren. Heute schwingt da einiges mehr an Realität mit. War das eine bewusste Entscheidung?
Luke: Das Projekt hat sich natürlich im Verlauf nun dahin gehend gewandelt. Nachdem Boris dazu gestossen war.
Boris: Für mich war es eben wichtig, nach den zehn Jahren in denen andere Projekte im Vordergrund standen die sich auch mit der Zukunft und vor allem der Zukunft Europas beschäftigten, was keiner verstanden hat, jetzt, wo die Themen brennen, sie auch uns unter den Nägeln brennen zu sagen, was ansteht, dass das jetzt und hier wichtiger ist.
Patricia: Wie viel Wahrheit und Gesellschaftskritik verträgt der Otto Normalverbraucher?
Boris: Nicht viel 🙂 Weil sediert und konditioniert durch entsprechende Kanäle.
Luke: Dem ist nichts hinzuzufügen.
Patricia: Könnt ihr euch vorstellen bei Veranstaltungen aufzutreten, die sich genau mit diesen Gesellschaftlichen Wahrheiten befassen?
Luke: Auf jeden Fall! Wenn ein solcher Veranstalter auf uns zukommen würde, machen wir uns natürlich schlau, was das für eine Sache ist.
Patricia: Welche Zukunftsvisionen verstecken sich noch in euren Köpfen?
Boris: Erst einmal ist es ein Ziel, die Masse an Material die wir schon aufgenommen haben fertig auszuarbeiten, dass wir auch so als möglich ein Album veröffentlichen können. Material ist ja wirklich genug da. Es muss nur noch produziert werden.
Patricia: Wollt ihr das im Eigenvertrieb machen, oder seid ihr auf der Suche nach einem Label?
Boris: Wir würden sicher nicht Nein sagen wenn ein Label bei uns anklopft, andererseits sind wir auch durchaus geneigt die wunderbaren Wege, die uns das Web zur Verfügung stellt zu nutzen.
Luke: Wir haben uns vorgenommen, dass wir ab Sommer live unterwegs sein wollen. Also schauen wir mal, was noch so kommt. Aber momentan ist noch nichts spruchreif.
Boris: Visionen haben wir schon. Aber das wird nur mit Warnschildern möglich sein.
Patricia: Wie meint ihr das?
Luke: Nun unsere Texte sind ja wirklich nicht leicht verdaulich, wie du auch schon hören durftest. Da Konzerte geplant sind und deren Umsetzung in unseren Köpfen schon Gestalt annimmt. Da gibt es dann halt Warnhinweise für Leute mit schwachem Gemüt und Herzen.
Boris: Wenn ich es schaffen sollte, werde ich diverse Hintergrundvideos produzieren, die dann die Texte unterstützen. Das ist eine Menge Arbeit und wir müssen schauen, wie das kommt. Luke und die Texte sollen im Vordergrund stehen. Der hat ja auch wirklich genug Bühnenpräsenz. 🙂
Patricia: Vielen Dank für die tollen Antworten. Ich freue mich schon jetzt auf euer erstes Album!
Zwischen meinen vielen Fragen, durften wir uns ganz exklusiv einige neue Songs anhören, über die ich an dieser Stelle nicht allzu viel verraten darf. Aber eines sei gesagt: Ladies and Gentlemen, please fasten your seatbelts!
Der aktuelle Wurf von das Fortleben wurde am 5. Juni 2012 online geschaltet: “Inflationsbereinigung”. Der Zeitpunkt könnte in Anbetracht der beginnenden EM nicht besser sein. Das solltet ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen! Das Video dazu spricht für sich und ist mal wieder bezeichnend für die Arbeiten die aus Boris Feder stammen. Also fleissig anhören und weitergeben!