11. März 2020
Im Gespräch mit: Jennie Cotterill (Gesang und Gitarre) von Bad Cop/Bad Cop.
Bevor die vier äusserst sympathischen Punkerinnen von Bad Cop/Bad Cop aus Kalifornien letzte Woche die Hafenkneipe in Zürich in Grund und Boden rockten, nahm sich Sängerin und Gitarristin Jennie Cotterill fast 40 Minuten Zeit, um sich mit mir in einer Kellerecke über die aktuelle Tour, die Covid19-Panik, das neue Bad Cop/Bad Cop Album, Feminismus, Politik und Schokolade zu unterhalten. Dass die Tour mit MakeWar zusammen zwei Konzerte nach diesem Gespräch abgebrochen werden musste, macht dieses Interview umso spezieller.
David: Danke, dass du dir die Zeit für mich genommen hast. Wie läuft die Tour bisher?
Jennie Cotterill: Aber gerne doch, es läuft großartig, trotz des Corona-Virus!
Hat es noch weitere Absagen gegeben auf der Tour?
Ja, wir haben bisher eine Show in Italien verloren, das war am Internationalen Frauentag. Also haben wir mit unserem Freund Stefan [Beham] eine Akustik-Show bei SBÄM im Hauptquartier gespielt. Wir spielten ohne Eintritt zu verlangen, nahmen aber Spenden an und gaben diese ihm und seiner Frau Abby. Sie haben das Geld verdoppelt und an eine Frauenorganisation vor Ort gespendet, das war wirklich toll. Ansonsten musste bisher nur die Show heute etwas umgeplant werden.
Ihr habt auf dieser Tour lokale Bands als Vorgruppen gesucht. Die Schweizer Band The Meseeks kann heute Abend leider nicht spielen, da hier in der Hafenkneipe alles etwas zu klein ist. Wie war diese ganze Idee denn entstanden?
Ich glaube, das war die Idee von unserer Bookerin Katrin von Destiny Tourbooking. Sie meinte, es wäre eine gute Möglichkeit, um an jedem Ort etwas lokales Interesse aufzubringen. Daraufhin mussten Stacey (Dee, Gesang und Gitarre) und Myra (Gallarza, Schlagzeug) sich zusammen tagelang durch eine Tonne Bandanfragen ackern, es war verrückt. (lacht)
Ich finde das eine wunderbare Sache. Denkst du, dass es etwas sein wird, was ihr in Zukunft wieder machen würdet?
Nun, vielleicht nicht mehr als völlig offenen Aufruf. Myra und Stacey verbrachten mehrere Tage damit, gemeinsam alles durchzugehen, da sie ja auch die Social-Media-Profile all dieser Leute, die sich beworben hatten, überprüfen mussten. Es ist das Internet, es war von vornherein klar, dass wir da ebenfalls Schwachsinn erhalten würden. Wir wollten zum Beispiel mit einer Band spielen, da hat sich herausgestellt, dass deren Name ins Englische übersetzt ein ziemlich derbes Fluchwort ist. Die Band sprach aber kein Englisch. Also sagte uns Tom, unser Bühnentechniker, Fahrer und Engelsmensch, dass dies ein wirklich anstößiger Begriff sei.
Dann bekamen die anderen beiden Angst, weil sie natürlich dachten, sie hätten alle Bands richtig gut geprüft. Immer, wenn so etwas auftauchte, versuchten wir, unseren Agenten wissen zu lassen, dass etwas problematisch ist, in diesem Fall haben wir es erst am Tag selbst herausgefunden. Und die Band, das sind eigentlich coole Leute, aber gleichzeitig halten sie an einem Namen fest, von dem sie wissen, dass er nicht okay ist.
Hattest du eine Möglichkeit, die Schweizer Bands, welche gewählt wurden, auch anzuhören?
Leider nicht. Es waren Myra und Stacey im Alleingang, die die ganze Arbeit gemacht hatten. Sie haben dann Linh (Le, Bass und Gesang) und mir Bericht erstattet. In einer Band gibt es nunmal so viel zu tun, dass man sich aufteilen muss, und wir haben kein Management, wir machen alles alleine. (lacht) Linh macht die ganze Buchhaltung, Stacey beantwortet alle E-Mails, Myra kümmert sich um die sozialen Medien und ich mache das ganze Artowrk und Merchandise, das funktioniert gut. Die Aufteilung all dieser Dinge hat uns wirklich geholfen, denn früher haben wir immer in die Aufgaben der anderen reingepfuscht, weil wir nicht wussten, wo unsere eigene Arbeit zu enden hatte. Es ist wirklich wie eine gute Ehe, weil wir über Dinge reden…
… und manchmal streitet ihr und danach ist wieder alles heiter Sonnenschein?
(lacht) Ganz genau! Und am Ende des Tages wollen wir ja alle dasselbe.
Können wir heute Abend etwas Besonderes erwarten? Es ist ja ohnehin schon eine etwas spezielle Show, weil alles sehr klein ist.
Und überhaupt, weil die Show gerettet wurde, ja! Wir werden einige Stücke unseres neuen Albums spielen, welches im Sommer erscheinen wird. Das ist etwas Besonderes für uns und hoffentlich auch für euch. Und die Jungs von MakeWar sind natürlich auch etwas ganz Besonderes. Sie sind absolut großartige und liebe Menschen, was die ganze Tour natürlich sehr angenehm macht.
Kannst du denn ein paar Details zum neuen Album verraten?
Wir werden bald eine Ankündigung machen, und ich kann dir sagen, dass wir ein ganzes Jahr an dem Album gearbeitet haben, zusammen mit Fat Mike. Er hat die Mittel, um zu uns die nötige Zeit zu lassen. Das war früher anders. Wir sind alle sehr zufrieden mit dem Resultat, es fühlt sich an, als hätte es mehr Tiefe. Das letzte Album war sehr stark durch die Präsidentschaftswahlen beeinflusst, das neue ist durch mehr Dinge motiviert, die seit damals geschehen sind und die wir seitdem gelernt haben. Wir waren damals alle wütend und verwirrt, und jetzt spürt man dies.
Wütende Songs wollte ich auf dem neuen Album unbedingt vermeiden. Wie beim Lied „Asshole“, das ich geschrieben hatte, bevor ich überhaupt je daran dachte, dass irgendjemand jemals die Worte zu unserer Musik hören würde. Ein kleiner „F**k-Off-Song“, nach welchem die Leute nun jeden Abend bitten. Da bin ich etwas enttäuscht von mir selbst, dass mein Geschenk an die Welt dieses angepisste Lied sein soll. (lacht) Ich habe dieses Mal wirklich versucht, ein Bisschen mehr Voraussicht zu haben und mich gefragt, wohin ich damit in den nächsten drei Jahren gehen will.
Das zeigt ja aber auch, dass ihr als Band ein Level erreicht hat, bei dem man tatsächlich über solche Dinge nachdenken muss. Ihr schreibt nicht mehr nur Lieder irgendwo aus dem Keller heraus oder für die nächste Show.
Ganz genau. Wir haben das gelernt, weil wir dieses Zeug halt jeden Abend spielen ohne nachzudenken. Wie beim Song über Verbindungen mit Menschen, die man mag. Ich möchte nur, dass alle Menschen in ihrem Leben mit sich selbst zufrieden sind und im eigenen Leben Autorität und Macht über sich selbst erleben, so dass man sich selbst und anderen Menschen keinen Scheiss mehr antut. Und dann denke ich, dass wir uns zum Thema Feminismus in der Vergangenheit die Haare aus dem Gesicht gerissen hatten. Wo soll dieses Thema überhaupt enden? Nie. Echter Feminismus schließt ja alle mit ein, und die Zerschlagung des Patriarchats schließt die Unterstützung von Männern ein.
Du hast gesagt, dass du und Stacey selber Songs schreibt. Geschieht das zuerst einzeln und dann im Proberaum als Gruppe, oder wie geht ihr vor?
Unser erstes Album war eine Sammlung von Liedern, die wir beim Üben geschrieben hatten. Linh schreibt auch Lieder und wir teilen Ideen miteinander, um zu sehen, ob es dazu Meinungen gibt. Die asgereifte Idee wird an Johnny Carey von Old Man Markley, an Fat Mike, Yotam Ben Horin und B.A.Z. The Frenchman geschickt, die Vier sind eine Produktionsgruppe namens The D-Composers. Wir haben dieses Mal sehr eng mit ihnen zusammengearbeitet, während der wir Dinge ausgearbeitet, arrangiert und optimiert haben. Nach den Aufnahmen müssen wir die Lieder wieder als Band erlernen, weil alles so zerstückelt geschrieben und aufgenommen wurde. Das ist nicht sehr effizient, hat für uns aber sehr gut funktioniert.
Hast du das Gefühl, dass sich die Musikwelt in Anbetracht auf euch als reine Frauenband ein wenig verändert hat?
Ja, definitiv! Als wir anfingen, war es völlig egal, mit wem wir spielten, wir traten immer als erste auf. Die Veranstalter wollten einfach, dass „wir Mädchen“ die Opener sind. Wir spielten damals noch wilder aber schon gut und schrieben gute Songs. Es war sehr frustrierend, für Bands zu eröffnen, die wahrscheinlich nicht einmal regelmäßig übten.
Aber dieser Wechsel findet nun endlich statt. Festival-Line-Ups und so werden viel inklusiver, was gut ist für uns. Veranstalter sehen, dass wir eine Band mit viel Erfahrung sind und darum werden wir nun auch gebucht. Leider spielen immer noch zu wenige Frauen an Festivals, oft sind wir fast alleinig. Sichtbarkeit ist einfach wichtig! Nicht nur für Frauen, auch People of Colour auf Festivals in überwiegend weißen Gebieten oder Ländern ist so ein Beispiel. Ich meine, die Welt ist nicht einfarbig, warum sollte ein Festival so sein?
Gerade die Metal- und Punkszene gilt als aufgeschlossen, hat auf dieser Ebene aber immer noch ein Problem! Auch für die LGBTQI-Szene, die ja überhaupt nicht vertreten ist
Die LGBTQI-Szene und Bad Cop/Bad Cop überschneiden sich oft. Wir haben dieselben Werte, wir wollen alle einfach vertreten zu sein. Es ist einfach unglaublich für mich, dass wir uns bemühen müssen, diese Welten zusammen zu bringen. Ich freute mich auf dieser Tour total, als wir uns entschlossen hatten, MakeWar mitzunehmen. Ich kannte ihre Musik, hatte sie aber noch nie zuvor gesehen und war dann sehr erfreut. Ich wollte nicht einfach wieder mit einer weißen Hetero-Cis-Band auf Tour gehen, das haben wir ja echt schon oft genug gemacht.
Wie kann ein Magazin wie ARTNOIR deiner Meinung nach bei diesen Dingen helfen?
Als Redakteur kannst du bewusste Entscheidungen treffen, bestimmte Menschen einzubeziehen und unterrepräsentierten Stimmen eine Plattform zu geben. Das Internet ist ein seltsamer Ort, jeder kann was machen und alles ist sehr einfach zugänglich. Gleichzeitig ist es halt immer noch wichtig, was man macht! Zu viel Belangloses wird als überlebenswichtig betrachtet.
Wir müssen alle auf unsere Art und Weise einen Teil dazu beitragen. Wenn ich einen Zauberstab hätte, würde ich es so machen, dass jede*r mit buchstäblich jedem*r und allem verbunden ist. Wie würde das die Dinge ändern? Dann wäre einfach alles eine große Badewanne, in die man nicht einfach mal so reinscheißen kann, ohne dass das dann nicht auch in die Ecke der anderen geht! Wenn sich die Menschen sicherer in fühlen könnten, wären sie vielleicht nicht so negativ anderen Menschen gegenüber eingestellt.
Benutzen wir unsere Stimmen, ob in einer Band oder als Schriftsteller etc., um gegen all diese Ungerechtigkeiten und alles andere laut zu bleiben!
Absolut, ja. Diese Angst vor anderen Menschen und die Selbstsucht, das muss aufhören. Zu selten wird überlegt, was wirklich nötig wäre. Es geht auch anders: Ich habe bemerkt, dass sich die Mode-Industrie verändert hat. Früher wurde dir immer alles sofort aufgezwängt, jetzt treten die Super-High-End-Marken tatsächlich auf die Bremsen. Es wird vermehrt Upcycling betrieben und Prominente tragen diese Sachen wieder, so dass junge Leute dann ebenfalls auf wiederverwertete Kleidung stehen, das finde ich schön!
Die Konsumenten merken nicht einmal, dass sie dadurch politisch geworden sind, junge Leute, die cool sein wollen, tragen Vintage-Kleidung! Sind wichtige Dinge als in Speck zu wickeln, damit es alle schlucken? Let’s f**king do it! Ich denke, es ist absolut möglich, die Dinge zu ändern. Unser Merchandise auf dieser Tour wird dank Ines [Bartl, Tourmanagerin] zu 100% von kleinen Unternehmen hergestellt und nachhaltig in Berlin beschafft. Es kostet vielleicht ein Bisschen mehr, aber ist eine fantastische Sache! Da bin ich voll begeistert davon.
Wie toll, schon nur auch diese Möglichkeiten zu haben heutzutage!
Ganz genau, wer hätte das einmal geahnt? Früher hätten wir uns Sorgen gemacht, ob wir uns solche Sachen überhaupt leisten können, wie wir sehen, ist das kein Problem! Wie sich herausstellt, müssen wir den Planeten doch nicht zerstören! (lacht)
Gibt es noch etwas, was du den Menschen in der Schweiz gerne sagen möchtest?
Ich glaube an euch! Ich glaube, ihr könnt euer Land auf soziale Weise so fortschrittlich gestalten, wie es technologisch ist. Ich habe hier bisher nur coole Leute getroffen und mit ihnen geredet. Allesamt sind sie aktiv und fürsorglich. (lacht)
Danke dir, das ist ein wundervolles Schlusswort! Vielen Dank für deine Zeit und Musik.
Interview: David Spring