Datum: 10. November 2015
Im Gespräch mit: Andreas Tyrone Dregen von den Backyard Babies
Backyard Babies sind nach mehrjähriger Auszeit endlich wieder da! Im September dieses Jahres veröffentlichten die Rotz-Rocker ihre neue Scheibe „Four By Four“ und befinden sich damit auch gleich bereits auf Tour. Auch in der Schweiz machten die Jungs aus Schweden am 10. November 2015 halt. Vor seinem Auftritt im Gaswerk in Winterthur stand uns Aushängeschild und Gitarrist Dregen Red und Antwort.
Andrea: Wie ist das Gefühl für dich, wieder in der Schweiz zu spielen?
Dregen: Verdammt toll! (grinst) Diese Tour ist irgendwie speziell…Wir spielen seit 27 Jahren zusammen, dieselben vier Typen. Und dann nahmen wir uns eine Auszeit von beinahe vier Jahren. Es ist beinahe so, als hätten wir unsere Debüttour. Wir sind unglaublich aufgeregt!
Die Schweiz und Schweden werden oftmals verwechselt, vor allem in den USA. Haben wir Schweizer so grosse Ähnlichkeiten mit euch Schweden?
Ich weiss! Weisst du, ich mag die Schweiz, ich hatte jahrelang einen Gitarrentechniker aus der Schweiz und manchmal erinnert mich dieses Land auch an Schweden. Naja, das Wetter hier ist momentan zwar schöner als in Schweden… Aber mir macht das gar nichts aus, wenn die uns verwechseln. Meistens sagen sie Dinge wie: „Oh du kommst aus Schweden! Das ist doch da wo die Kuckucksuhren hergestellt werden?“ Und ich: „Nein, die kommen aus der Schweiz.“ „Aber der Käse!“ – „Nein, der kommt aus der Schweiz…“ „Aber die Schokolade?“ – „Nein, auch die kommt aus der Schweiz.“ Schweden verbinden die Leute mit ABBA, IKEA und Volvo. Aber mir ist das egal, denn ich mag eure Schokolade und ich mag eure Kuckucksuhren. Das einzige, was sie nicht verwechseln können ist Eishockey, denn wir Schweden sind ein viel besseres Team als die Schweiz.
Da kann ich leider nicht mitreden…
Ein viel besseres Team! (grinst)
Nach einer vierjährigen Pause seid ihr zurück im Rampenlicht. Wie kam es denn überhaupt zu dieser Auszeit und warum habt ihr genau diesen Zeitpunkt für euer Comeback gewählt?
Wir haben den Zeitpunkt nicht wirklich „gewählt“. Ich denke es war nicht wirklich so, dass wir uns gegenseitig satt hatten. Seit unserer Gründung im Jahr 1989 haben wir immer sehr hart an der Band gearbeitet. Der Grund für die Pause war einfach, dass wir irgendwie müde und ausgelaugt von dem ständigen Herumtouren waren, uns fehlte es an Inspiration um weiter zu machen. Wenn wir einfach weitergemacht hätten wie bislang und ein neues „Durchschnittsalbum“ herausgegeben hätten, würden wir heute wahrscheinlich getrennte Wege gehen. Wir nahmen uns eine vierjährige Auszeit und ich dachte zu Beginn, dass diese Pause nicht länger als ein Jahr dauern würde. Diese Bandpause hat uns allen sehr gut getan und war der richtige Entschluss, denn als wir wieder zusammentrafen und unser neues Album schrieben, hat es uns wirklich Spass gemacht und wir haben neue Inspiration gefunden.
Wart ihr nervös über die Reaktionen zu eurem Comeback und dem neuen Album?
Ich denke, dass mir diese Reaktionen heutzutage ziemlich egal sind. Das ist etwas, was mit dem Alter kommt. Vielleicht ist das eine langweilige Antwort…
Nicht mal nach der vierjährigen Auszeit?
Nein, auch dann nicht. Backyard Babies ist eine Band, die ihre Fans liebt und es genauso liebt für diese zu spielen. Trotzdem schreiben wir zu allererst die Musik, die wir selbst mögen. Wir kümmern uns nicht mehr so sehr darum, was die Leute über uns denken und das ist ein gutes Gefühl. Es war eine Lüge als ich dasselbe sagte, als ich noch jünger war. Heute sind wir selbstsicherer geworden, wir machen das immerhin schon seit 27 Jahren!
Mein persönlicher Favorit aus dem neuen Album “Four By Four” ist der Titel “I’m On My Way To Save Your Rock ’n‘ Roll”. Was bedeutet der Song?
Heutzutage schreiben die Leute gute Songs. Der ursprüngliche Rock ’n‘ Roll, also die Attitüde in der Rockmusik, ging meiner Meinung nach jedoch verloren. Ich weiss nicht, aber irgendwie kommt es einem beinahe so vor, als hätte die Hip-Hop-Szene diese Attitüde vom Punk und Rock geklaut. Heutzutage ist alles so „aufpoliert“ und „nett“. Wir sind mittlerweile 40 Jahre alt und ruhiger als noch mit 25, aber wir spielen unseren Rock immer noch mit dem Mittelfinger in der Luft. Das ist nur einer der Blickwinkel hinter dem Song. (lacht)
Wann wurden die neuen Songs geschrieben? Bereits in der Bandpause oder erst als ihr euch entschieden habt, wieder gemeinsam ins Studio zu gehen?
Wir haben bis im Frühling 2010 getourt, unsere letzte Show war in Japan. Danach haben wir nicht mehr miteinander gespielt bis im Mai 2014…Oder Johan? (Blomquist, Bass)
(Konversation auf Schwedisch folgt)
Oh sorry – September letztes Jahr! Ungefähr im Mai haben wir begonnen, das neue Album zu texten und aufzunehmen und im September 2015 ist es dann in den Läden erschienen. Wir waren also ziemlich schnell.
Wie war die Zusammenarbeit zwischen euch? War es schwierig eure musikalische Beziehung erneut zu entfachen oder war es wie in den Jahren zuvor?
Nö, es hat uns Spass gemacht wieder zusammen zu spielen, gerade weil wir uns eine Auszeit gegönnt haben. Die Beziehung zwischen uns war sehr natürlich.
Du hast vorhin Japan erwähnt. Was ist der Unterschied zwischen den japanischen Fans und den europäischen?
Sie sind sehr höflich, nicht so betrunken wie die Europäer denke ich. Aber sie sind nicht weniger wild! Nach den Songs drehen sie jeweils in voller Lautstärke durch und dann ist es plötzlich wieder unglaublich still. Sogar wenn ich mein Gitarrenplectron auf der Bühne fallen lassen würde, könnte man es hören. (schmunzelt) Aber wir lieben Japan! Das Musikvideo unserer neuen Single wurde in Japan gedreht, ich denke Peder (Carlsson, Drums) schneidet es gerade… (zeigt auf Peder, der vertieft am Laptop sitzt) Das war das erste Mal, dass wir ein Video in Japan aufgenommen haben.
Darauf bin ich jetzt schon gespannt!
Ihr seid alle älter geworden, habt mittlerweile auch eure eigne Familie. Viele Bands verändern ihren Musikstil auch mit dem Lebenswandel, meiner Meinung nach seid ihr soundtechnisch immer noch die Backyard Babies. Wie hast du dich persönlich verändert, nachdem du Vater geworden bist?
Naja, ich bin ein bisschen emotionaler und sensibler geworden. Ich kann verdammt nochmal nicht mal mehr einen Hollywood Blockbuster sehen, wo sie den Sohn von irgendwem kidnappen oder was auch immer! Früher hatte ich absolut kein Problem mit solchen Filmen, aber heute denke ich nur: “Oh my God!“
Ich denke Vater zu werden ist etwas Gutes im Leben. Ich bin ein richtiger Spätzünder, ich wurde erst mit 40 Vater, Gottseidank denn ich denke mit 25 wäre ich nicht so ein guter Dad gewesen wie ich es heute bin. Es geschah zum richtigen Zeitpunkt und ja – es ist einfach schön. Meiner Meinung nach kann man in den neuen Backyard Babies Songs trotzdem hören, dass wir alle mittlerweile erwachsen geworden sind. Wir rocken immer noch genauso wie früher, aber irgendwie denke ich, sind die Botschaften hinter den Songs etwas ruhiger geworden.
Wie ist der Arbeitsablauf wenn ihr an neuen Songideen feilt?
Ziemlich „Oldschool“. Wir sind eine Band, die immer noch einen Proberaum hat, ich dachte jede Band hat einen Proberaum aber heutzutage scheinbar nicht mehr. Die Leute senden sich stattdessen einfach MP3-Dateien, wir sind da halt noch von der alten Sorte. Manchmal schreiben wir auch zu Hause an Songs und feilen an Ideen. Aber es ist niemals so, dass wir einen kompletten Song haben der nur noch von Nicke, Johan oder Peder übernommen werden muss. Es sind jeweils nur Puzzlestücke von einem Song, die wir dann zusammenfügen während wir alle in einem Raum sind und jamen.
Wann hast du dich dazu entschieden Gitarre zu lernen?
Als ich ungefähr 6 Jahre alt war sah ich ein Bild der Band KISS und das war der ausschlaggebende Grund für mich. Aber ich habe mir erst mit ungefähr 14 eine eigene elektrische Gitarre gekauft. Und dann haben wir die Backyard Babies gegründet und ja – jetzt sitze ich hier.
Und deine erste Gitarre war?
Das war eine pinke Ibanez! (grinst) Und ich hatte sogar ein pinkes Kabel dazu!
Wird es in naher Zukunft wieder ein Soloalbum von dir geben?
Ja! Als wir uns in unserer Bandpause befanden habe ich bereits ein Soloalbum herausgegeben. Ich denke ich werde ein weiteres aufnehmen, aber ich weiss noch nicht wirklich wann. Das ist das tolle an unserer Band, jetzt sind wir zurück und Backyard Babies ist für uns eine Art „Mutterschiff“, wo wir rein und rauskönnen und währenddessen unsere eigenen Sachen erledigen können. Vielleicht wird Peder einmal einen ganzen Film produzieren? Er ist nämlich die ganze Zeit über am Filme schneiden. Und unser Sänger Nicke (Borg) wird vielleicht auch wieder was Eigenes aufnehmen und ja, dann machen wir natürlich all die Backyard Babies-Dinge und schreiben an neuen Alben.
Was ist dein Entspannungs-Geheimnis wenn du von langen Touren nach Hause kommst?
(Überlegt laut) Weisst du, dass ist das Gute daran wenn man Vater ist, denn da gibt es eigentlich gar keine Auswahlmöglichkeiten, du musst es einfach tun. (lacht) Es ist toll, wenn man sich jeweils auf etwas freuen kann, wenn man nach Hause kommt. Früher habe ich das mit einer nicht gerade gesunden Lebensweise kompensiert. Als ich noch Single war passierte es oft, dass ich in irgendwelchen Bars rumhing. Es ist eine gute Sache, wenn man nach Hause zu seiner Familie kann.
Also hast du dich nicht auf lange und ausgiebige Spaziergänge in der schwedischen Landschaft begeben?
Nein, nein! (lacht) Ich bin ziemlich faul, wenn ich zu Hause bin. Ich bin wirklich gut im Nichtstun. (grinst)
Was war denn dein erstes Konzert?
Mein erstes richtiges Konzert?
(Beisst herzhaft in eine Reihe Schweizer Schokolade)
Ja genau.
Das war auch KISS. 1983. In Göteborg in Schweden. Damals war ich zehn.
Was ist momentan dein absoluter Lieblingssong?
Von allen Songs? Oh mein Gott! Ähm…
KISS? (grinst)
Neeein, es ist nicht KISS. Hmm..(überlegt lange) Ich denke das ist wohl „I Gotsta Get Paid“ von ZZ Top.
Welche Konzerte spielst du lieber? Kleine Clubshows oder grosse Festivals?
Eigentlich mag ich beides. Aber wenn ich wählen müsste, würde ich die Clubshows wie zum Beispiel heute das Gaswerk bevorzugen. Aber natürlich ist es jeden Sommer toll auch an den Festivals zu spielen.
Ich denke Clubshows sind persönlicher…
Ja, genau! Nach fünf, zehn Festivals sagst du dir: “Phu ich möchte wirklich gerne wieder in die Clubs.“ An den Clubsshows gibt es, genau wie du sagst, eine andere, persönlichere Verbindung zu dem Publikum.
Erzähl uns doch von deiner schlimmsten Tourerfahrung.
Oh! Die schlimmste Tour Erfahrung? Ich glaube die hatte ich in der Schweiz…
Ich habe da mal so was gehört von einem gestohlenen Taxi? Hat es eventuell etwas damit zu tun?
Ja, das war ein schreckliches Missverständnis! Ich habe mir in der Schweiz ein Taxi „ausgeliehen“. Das sagt schon alles. Das war mein schlimmstes Tourerlebnis. Wir mussten eine Show absagen und ich musste in den Knast.
(lacht) Nicht dein Ernst? Hier in der Schweiz?
Jep. (stammelt leicht verlegen) Mein Busfahrer und ich versuchten ein Taxi zu bestellen, jedoch hatten wir keine Schweizer Franken dabei, dafür aber Euros, Schwedische Kronen, Pfund, Dollars etc. Aber der Taxifahrer weigerte sich, uns mitzunehmen. Wir hatten sogar eine Kreditkarte dabei, aber der akzeptierte keine Kartenzahlung. Das war vor über zehn Jahren. Dann sagten wir zum Taxichauffeur, er könne uns einfach zum nächsten Cash-Automaten fahren und wir würden den Betrag abheben. Leider akzeptierte er auch das nicht. So kam es, dass der Taxifahrer irgendwie mal Musste und sich dafür aus dem Auto begab. Ich sah, dass der Schlüssel steckte und schnappte mir kurzerhand sein Taxi und fuhr mich einfach selbst. (grinst) Ja und dann kamen die Cops. Wie könnte es auch anders sein.
Zur Konzerthalle?
Nein, sie trafen mich einige hundert Meter weiter die Strasse runter…
Ach du scheisse!
Und das schlimmste daran war, dass ich nicht mal einen gültigen Führerausweis besass. Und ich war besoffen. Aber alles ging nochmals gut. Es war ja nicht meine Absicht sein Taxi zu klauen.
Und wie lange warst du im Knast?
Etwa 24 Stunden glaube ich. Das war mein schlimmster Fehler!
Ja, diese Geschichte hat es definitiv verdient, als schlimmste Tourerfahrung bezeichnet zu werden. (grinst)
Planst du schon neue Projekte mit Backyard Babies?
Nicht wirklich. Wir fokussieren und momentan einzig und allein auf unser neues Album „Four By Four“. Jetzt sind wir auf Europa-, dann auf Skandinavientour und zum Schluss gehen wir wieder zurück nach Japan. Anschliessend folgen hoffentlich noch Amerika und Südamerika und dann ist auch schon wieder Sommer und die Festivalsaison beginnt. Danach schreiben wir ein neues Album.
Gibt es irgendeine Show auf die du dich am meisten freust?
Die Show in Winterthur heute Abend! Es ist schon cool, wenn du jahrelang konstant auf Tour warst, dann eine Pause einlegst und wieder zurückkommst, freust du dich wieder auf jede einzelne Show.
Was sind deine nächsten Ziele neben den Backyard Babies?
Hmm, ich weiss nicht. Meine einzigen beiden Projekte sind mein Sohn und die Backyard Babies. Es geht bei mir hauptsächlich um Windeln wechseln und Songs schreiben. (lacht)
Abschliessend noch: Du malst gerne stimmt‘s? Hast du neben all den Touren immer noch Zeit dafür?
Ja! Letztens habe ich Möbel designet. Ich entwarf einen grossen Armsessel der den Namen „The Punk Throne“ trägt. Du kannst ihn dir auf meiner Homepage www.dregen.se anschauen.
Vielen Dank für deine Zeit Dregen und viel Spass auf den kommenden Shows!
Interview: Andrea Germann