16. August 2018
Im Gespräch mit: Gini, Michi und Cyrill von Annie Taylor.
Vor dem Auftritt an den Winterthurer Musikfestwochen wird auf dem schönen Sonnendeck über Zukunftspläne, die Erwartungen ans Konzert und Frauenquoten in der Musikszene geplaudert.
Sarah: Zuerst zu eurem Namen: Wie kam euer Bandname zustande?
Gini: Das war in einer der ersten Proben. Ich habe ständig Zeug geschickt, das man eh nicht brauchen konnte – ich wollte einen Namen, hinter dem auch eine starke Persönlichkeit steht, zum Beispiel eine emanzipierte Frau. Kleopatra ist aufgekommen, aber das ist ein bisschen lame, Matahari gibt’s bestimmt auch schon was, Sophie Scholl oder Rosa Luxemburg ist für die Stimmung nicht so passend … Dann hatten wir noch „Lawn Chair Larry“, der mit Heliumballons an seinem Gartenstuhl über Amerika geflogen ist. Und Annie Taylor war die erste Frau, die sich in einem Holzfass die Niagarafälle hinuntergejagt hat und es überlebt hat. Das, fanden wir, soll bei uns jetzt geehrt werden.
Wie seid ihr als Band denn zustande gekommen?
Gini: Michi und ich kannten uns schon lange, noch aus Laax. Als er mit seiner anderen Band King Zebra angefangen hat, sagte ich, ich wolle auch in einer Band spielen, habe aber dann irgendwie nie etwas gemacht. Und irgendwann bin ich dann zu ihm gegangen und habe gesagt: „He, ich habe da so ein Lied angefangen, hättest du nicht Lust, Bass zu spielen? Sag einfach ja.“ Er hatte eigentlich keine Lust, wieder von vorne anzufangen mit einer Band, aber er kam dann trotzdem.
Michi: Ich kam dann zum Bandraum und wir haben gejammt, und anfangs war alles noch ziemlich „verwurschtet“, aber nach einem Monat fand ich, dass alles schon ziemlich gut klang. Es hätte mich wohl gestört, wenn ein anderer schliesslich meinen Part übernommen hätte.
Gini: Und Cyrill und ich haben uns kennengelernt, als ich etwa zehn war. Unsere Mütter sind beide Stewardessen, und so haben wir uns dann kennengelernt. Auf MySpace oder MSN oder so hat er mir mal geschrieben, ob ich Musik machen will – und dann haben wir Musik gemacht. Eigentlich noch witzig, nach so langer Zeit.
Grunge erlebt zwar gerade ein kleines Comeback, aber wirklich eine Szene gibt es in der Schweiz (noch) nicht. Erlebt ihr das als schwierig, oder ist das auch ein Vorteil, weil ihr dadurch musikalisch etwas herausstecht?
Gini: Wir machen ja nicht gezielt Grunge, weil wir denken, dass es eine coole Szene ist. Wir machen einfach was, und wenn’s gut ist, ist es gut.
Cyrill: Es ist halt diese Retroschiene, die sich immer wieder etwas aufrollt, einfach mit neuen Einflüssen. Dadurch hat sich jetzt wieder eine neue Szene gebildet, mit Musik, auf die Menschen in unserem Alter abfahren, wenn auch die Schweiz da immer etwas hinterherhinkt. Vielleicht nächstes Jahr.
Aber verglichen mit anderen Bands, die mehr in eine klare Richtung gehen, die konkreter der Metal- oder Punkszene zuzuordnen sind: Habt ihr das Gefühl, es ist schwieriger für euch, an Gigs ranzukommen?
Gini: Ich glaube, wir hatten bis jetzt auch einfach viel Glück und es war immer ein bisschen was los.
Cyrill: Ich glaube, unsere Musik ist auch zugänglicher. Wir haben verschiedene Einflüsse, und so kann man ein breiteres Publikum ansprechen.
Ihr habt drei Singles veröffentlicht, aber noch keine EP oder kein Album.
Gini: Genau, aber das wäre eigentlich schon das Ziel. Wir sparen jetzt Geld zusammen, und in Zukunft wird es dann auch etwas geben.
Habt ihr allgemein Zukunftspläne oder nehmt ihr’s so, wie’s kommt?
Gini: Es wird bei uns jetzt sowieso einen Wechsel geben innerhalb der Band, deshalb ist es schwierig, konkrete Aussagen zu machen. Ungefähr planen kann man zwar durchaus, aber es kommt dann sowieso immer anders. Aber auf jeden Fall viel spielen und dann ins Studio.
Was hat es mit diesen Wechseln denn auf sich?
Gini: Cyrill spielt heute sein letztes Konzert, Dimos auch. Cyrill macht viele Recordings bei Dubi Records und hat dann wieder mehr Zeit dafür, Dimos hat auch noch eine andere Band. Bei uns kommen dann ein neuer Gitarrist und ein neuer Drummer hinzu. Wir sind gespannt.
Zurückschauend, gibt es da gewisse Meilensteine für euch?
Gini: Heute!
Michi: Für mich gibt es mehrere Dinge. Wir durften drei Mal L.A. Witch supporten, wir waren auf Tour – das war mein Highlight – und dieser Sommer war auch lässig. Und heute geht für mich auch ein grosser Traum in Erfüllung, auf dieser Bühne einmal in die andere Richtung schauen zu dürfen.
Gini: Sunflower Bean war auch toll.
Nun zu einem ganz anderen Thema: Frauen in der Musikszene, beziehungsweise in der Rockmusikszene – das ist ja gerade ein hoch aktuelles Thema. Wie sehr beschäftigt euch das?
Gini: Hm, wie sehen denn die Männer das?
Cyrill: Wir fanden ja nicht, dass wir ein Frauenproblem hätten und deshalb eine Frontfrau bräuchten, es hat sich einfach so ergeben. Ich glaube, es gibt viele Frauenbands, oder Bands mit Frauen, ich finde es etwas schräg, immer zu sagen, es gäbe zu wenig.
Michi: Ich finde die Thematik cool, und ich denke, wären mehr Frauen auf der Bühne, dann sähen auch manche Mädchen, dass Frauen das auch können und nicht immer nur Männer dort oben stehen müssen. Das kann auch motivieren. Das ist ja überall ein bisschen so, auch im Sport. Aber für mich gibt es halt keinen Unterschied, ob jetzt eine Frau oder ein Mann das Instrument in der Hand hält. Aber leider ist das nicht für alle selbstverständlich.
Ich spiele selber auch in einer Grungeband und mir fällt zum Beispiel oft auf, dass bei technischen oder organisatorischen Belangen bei Auftritten meistens zuerst meine Jungs angesprochen werden. Fallen dir solche Dinge auch auf?
Gini: Ich habe das wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Wenn jemand mich nicht ernst nimmt, weil ich eine Frau bin, dann möchte ich umso mehr beweisen, dass ich es kann. Womit ich aber manchmal meine Schwierigkeiten habe, sind die Gespräche von Jungs über Frauen im Backstage, weil man oft einfach alleine unter Jungs ist. Aber ich habe ja guten Support von meinen Männern.
Cyrill: Ich bin ja Tontechniker und ich finde es sehr schön zu sehen, dass es so viele Frauen in diesem Beruf gibt. Dass Frauen technisch weniger begabt sein sollen, ist auch eine dämliche Aussage.
Gini: Ich glaube, man soll sich da auch nicht zu sehr einen Kopf machen und sich darüber aufregen, dass es unfair sei. Man soll einfach machen.
Cyrill: Genau, am Ende steht ja die Musik im Vordergrund. Als wir zusammen angefangen haben, war das noch gar kein Diskussionsthema, das ist jetzt in den letzten zwei Jahren aufgekommen.
Michi: Ich finde die Thematik cool, aber die Musik sollte nicht zu sehr auf diese Thematik reduziert werden. Nicht, dass es dann heisst: „Ah, die spielen jetzt da, weil sie eine Frau dabei haben“. Das stimmt meistens einfach nicht. Das ist, finde ich, der Negativpunkt dieser Thematik.
Werdet ihr manchmal mit anderen Bands verglichen, vielleicht gerade mit Bands, die auch eine Frau am Mikrofon haben?
Michi: Ja, auf Blogs wurden wir zum Teil auch schon verglichen, aber das waren immer irgendwelche männerdominierten Bands. Aber ich glaube, dadurch dass wir alle so andere Einflüsse haben, kann man uns nicht gut mit einer anderen Band vergleichen.
Gini: Ah doch! Mit Sunflower Bean wurden wir einmal verglichen, da war ich schon ein bisschen stolz.
Habt ihr denn konkrete Vorbilder und Inspirationsquellen?
Gini: Ja, ich habe tausende! Also, der Grund, weshalb ich überhaupt angefangen habe Musik zu machen, war, weil ich Wolf Alice gesehen habe und unbedingt eines Tages Vorband von ihnen sein wollte. Das ist irgendwie ein Furz, den ich mir vorgenommen habe, aber dieses Ziel habe ich noch immer.
Gini: Bei mir sind es tatsächlich eher Frauen, die Vorbilder für mich sind.
Wie schreibt ihr denn eure Songs?
Gini: Ich nehme eine Idee auf – ich stelle mir das als Skelett vor – und in der Probe zeigt sich dann, ob es cool ist oder nicht. Dann kommt die Gitarre dazu und macht das Fleisch drum rum, dann Bass und Drum … Es gibt Lieder, die fast gleich geblieben sind, andere haben sich ganz anders entwickelt.
Es ist ja auch ziemlich zeitintensiv, so eine Band.
Gini: Genau, wir arbeiten auch alle noch nebenbei. Man muss das, glaube ich, für sich selbst einfach entscheiden: Es kostet Zeit, zu üben, Songs zu schreiben und Konzerte zu spielen, die muss man sich nehmen. Man verzichtet dann halt auch auf andere Dinge, die man an diesem Tag gerne gemacht hätte – zum Beispiel, den ganzen Tag baden zu gehen. Aber es ist ja dann trotzdem cool, was man in der Band macht, und mich hat das nie gestört.
Habt ihr eine gezielte Vorstellung von eurem Auftritt heute Abend, oder freut ihr euch einfach?
Gini: Meine Hoffnung ist, dass man am Ende nicht sagt, wie hätten nur spielen dürfen, weil wir eine Frau dabei haben (lacht). Aber es ist ein spezieller Moment für mich, weil wir das letzte mal mit Cyrill und Dimos zusammen spielen. Ich werde das vermissen, freue mich aber auch, noch einmal gemeinsam spielen zu können.
Michi: Ja, für mich ist es auch emotional. Heute steht Cyrill weiter weg von mir als sonst, weil die Bühne so gross ist, ich sehe ihn ja kaum. Aber natürlich freue ich mich auch, dieses riesige Ding vor so vielen Leuten spielen zu dürfen. Aber für mich ist es nicht nur speziell, weil es jetzt die grosse Bühne ist, es ist auch noch mehr in mir drin los als sonst.
Gini hat gerade erzählt, du hättest deine Freundin hier vor sieben Jahren kennengelernt.
Michi: Das stimmt nicht. Wir kannten uns schon länger, sind aber hier zusammengekommen. Das ist auch mega schön. Auch, dass sie heute dabei ist.
Und wie ist es für dich, jetzt das letzte Konzert zu spielen?
Cyrill: Eigentlich easy, Konzert ist für mich Konzert. Es ist eine coole Bühne, eine coole Location, aber ich werde immer gleich viel Power in Konzerte stecken – ob grosse oder kleine Bühne.
Interview: Sarah Rutschmann