6. April 2021
Im Gespräch mit: Anina Riniker (Kommunikation/Booking) und Pascal Etzensperger (Gastro/Booking) beim Royal Baden.
Ergänzend zur Reportage über das leere Lokal, durften wir mit Anina und Pascal über die aktuelle Situation und ihre Kulturarbeit im Royal sprechen.
Christian: Wie seid ihr mit Musik in Berührung gekommen und welche Band, oder welche*r Musiker*in hat euch fasziniert?
Pascal: Ich kann keine explizite Band nennen, von der ich Fan war. Bei mir war es eher so, dass ich durch die Clique, zu der ich mich zugehörig fühlte, mit einer bestimmten Musik in Verbindung kam. Viel wichtiger als die Art der Musik, war der soziale Kontakt und das gemeinsame Erleben von Konzerten.
Anina: Bei mir war es ähnlich wie bei Pascal. Ich habe einen breiten Musikgeschmack, das kommt mir bei meiner Arbeit sehr entgegen. Ich bin gegenüber vielem sehr aufgeschlossen und lerne so immer wieder neue und spannende Bands kennen.
Welche Funktion übt ihr beim Royal aus und wie kam es, dass ihr euch engagiert?
Pascal: Ich kümmere mich um die Bar, organisiere die Helfer*innen. Zusätzlich bin ich für die interne Haustechnik zuständig und im Team erledigen wir das Booking. Der Entscheid zu dieser Organisation kam, um mehr Abwechslung in unser Programm zu bringen.
Anina: Wir sind als Kulturort sehr vielschichtig was das Programm betrifft. Wir organisieren neben Konzerten auch Filmabende, Podcasts oder Lesungen. In meiner zweiten Funktion bin ich für die Kommunikation verantwortlich. Ich habe meine Maturaarbeit über die Zwischennutzung vom Royal gemacht, somit war ich viel mit den Leuten in Kontakt und habe mitgeholfen. Es ergab sich also, dass ich dann Teil vom Team wurde.
Pascal: Zuerst war ich sozusagen als Gast hier im Royal. Ab 2015 begann ich dann an dem Projekt „royalscandalcinema“ mitzuwirken und ich kam stärker mit dem Team in Verbindung. Die Zukunft des Kulturorts war alles andere als gesichert, so begann ich mitzuhelfen, öffentlich Druck auf die Stadt auszuüben und um den Weiterbestand des Royal zu kämpfen, mit Plakataktionen und Petitionen. Aus dem ersten Royal-Team hat sich dann sozusagen ein zweites Team formiert. Anfangs gingen wir davon aus, dass wir nur noch ein Jahr hierbleiben können, 2017 hatte wir es endlich geschafft einen langfristigen Betrieb sicherstellen zu können.
Welche Menschen versucht ihr mit eurem sehr breiten kulturellen Angebot anzusprechen?
Anina: Als spartenübergreifendes Kulturhaus mit abwechslungsreichem Angebot möchten wir ein möglichst breites Publikum erreichen.
Pascal: Natürlich sind einzelne Veranstaltungen sehr spezifisch. Es ist klar, dass bei einer Podiumsdiskussion je nach Thema der Altersdurchschnitt der Gäste deutlich höher ist als am „Rapid Rave“. Wir möchten vor allem eine bestimmte Haltung zeigen: Weltoffenheit, Solidarität und Akzeptanz von allen Menschen und ihren Lebensentwürfen. Ein Beispiel, wie die Praxis funktionieren kann, ist unser „Kafi Royal“, das immer dienstags stattfindet und für alle Personen offen ist. Wir bieten kostenlos Deutschkurse für geflüchtete Menschen an und fördern den Dialog verschiedener Kulturen.
Warum sollte man zu euch ins Royal kommen? Was macht euch besonders?
Anina: Dieser Ort hat so viel Charme. Viele Künstler*innen, die hier auftreten sind sehr beeindruckt, wenn sie das Royal das erste Mal von innen sehen.
Pascal: Für die alternative Szene von Baden ist das Royal ein wichtiger Treffpunkt.
Wie stark spürt ihr die Nähe zu Zürich mit vielen grossen Locations?
Pascal: Das spüren wir natürlich genauso wie alle peripheren Clubs. Viele internationale Bands können wir uns finanziell schlichtweg nicht leisten.
Anina: Dafür haben wir das günstigere Bier als die Zürcher Clubs. (lacht)
Pascal: Andererseits kennen uns viele Agenturen und wissen, wer zu uns passt. Wir versuchen mit anderen Veranstalter*innen gleich mehrere Auftritte für internationale Bands zu organisieren und spannen mit dem Palace St. Gallen oder dem Kollektiv BlauBlau zusammen.
Wie darf man sich die Programmgestaltung vorstellen, entscheidet ihr im Kollektiv?
Anina: Jeder von uns bringt seine Ideen ein, danach entscheiden wir. Abgesehen von der jetzigen Situation haben wir normalerweise den grossen Vorteil, dass wir jeden beliebigen Abend etwas planen können und nicht nur an den Wochenenden. Das ergibt viele Möglichkeiten. Der einzige Nachteil ist, dass wir vielleicht noch eine Nacht mehr durchmachen als geplant (lacht).
Was war das Verrückteste, das ihr in der Vergangenheit hier im Royal erlebt habt?
Anina: Da erinnere ich mich spontan an eine Punkband, die über einen externen Veranstalter gebucht wurde. Ich war an dem Abend als Gast hier, sah den Schlagzeuge und dachte: “Oh der ist ja nackt, oder doch nur ohne Shirt?“ Am Schluss des Konzertes stand er auf und war wirklich splitternackt.
Pascal: An den Partys geht es oft schon ziemlich heiss her und entsprechend kann es auch zu Situationen kommen, die brenzlig werden. Ich erinnere mich da an eine stadtbekannte Clique, die sich schon am liebsten hier im Club prügeln wollte. Wir haben hier keine Security und ich habe versucht, die Situation zu entschärfen. Darauf meinten sie, dass sie uns hier keinen Ärger machen wollen und lieber in den Park gehen, um sich zu prügeln.
Welche Band hättet ihr gerne mal im Club?
Pascal: Kokoko! Eine Band aus Kinshasa (Kongo). Sie kreieren Musik, indem sie Materialien wie Metall, Dosen, Motorteile und Kunststoffbehälter, die sie in Kinshasas Strassen finden, zu neuen Instrumenten umbauen. Dabei vermengen sie kongolesische Musikstile mit Techno und Dance Musik.
Wie fühlt es sich für euch beide an, hier zum Interview im „unbespielten“ Royal zu sitzen?
Anina: Zu Beginn der Pandemie war es schwierig, die ganzen Konzertabsagen und Verschiebungen. Andererseits erleben wir das Royal aufgrund unserer Tätigkeit häufiger leer und wir machen jeweils von Juni bis Mitte September Sommerpause. Was uns sicher fehlt oder gefehlt hat, sind die ganzen sozialen Kontakte untereinander. Zusammen Zeit verbringen, Diskussionen führen, Pläne schmieden. Natürlich haben wir nach Zwischen-lösungen gesucht. Das Royal war uns zu schade, um ungenutzt zu bleiben. Zusammen mit dem Konzertveranstalter INOX Live haben wir das Projekt „RESIDENCY INOX Live x Royal Baden“ lanciert. Von INOX kuratierte Schweizer Musiker*innen dürfen jeweils für ein paar Tage das Royal bespielen und sich kreativ austoben. Als Beispiel waren Manuel Gagneux von Zeal & Ardor oder Puts Marie hier und weitere Bands werden folgen. Es bleibt also weiterhin spannend hier.
Wie habt ihr das letzte Jahr mit eurem Background erlebt?
Pascal: Zu Beginn gab es Unsicherheiten, auch für mich persönlich. Lange war nicht sehr klar, wie das mit den Ausfallszahlungen funktionieren würde. Bezüglich dem Royal haben wir uns ebenfalls Gedanken gemacht und ausgerechnet, wie lange wir durchhalten können. Da wir in den vergangen zwei Jahren sehr umsichtig mit den Finanzen waren, haben wir genügend Sicherheiten und das beruhigt.
Anina: Wir waren heilfroh, dass wir nicht so viele Leute auf der Lohnliste hatten, da viele ehrenamtliche Helfer*innen bei uns tätig sind. In der Vergangenheit fühlte es sich manchmal seltsam an, wenn wir unseren Helfer*innen nur Gratiseintritte oder Getränkegutscheine geben konnten. Aktuell ist es eine Erleichterung, dass sie finanziell nicht von uns abhängig sind.
Pascal: Bezüglich der Unterhaltsarbeiten und notwendigen Instandsetzungen haben wir darauf geachtet, Aufträge an Leute weiterzugeben, die finanziell eine längere Durststrecke zu überwinden hatten. Natürlich hoffen wir alle, dass es bald vorbei ist und sich die Szene erholen kann.
Wie ist eure Einschätzung in Bezug auf zukünftige Veranstaltungen?
Pascal: Realistisch gesehen, wird es eine Zeit dauern, bis sich die Situation normalisiert hat.
Anina: Das glaube ich auch. Wir werden uns anfänglich sicher an die neuen Gegebenheiten anpassen müssen, aber irgendwann wird die Situation wieder „normal“ sein, da man sich ja an alles gewöhnt. Wir sind jedenfalls optimistisch gestimmt.
Ganz lieben Dank für eure Zeit!
Interview: Christian Wölbitsch