Century Media Records / VÖ: 19. November 2021 / Doom Metal, Death Metal
swallowthesun.net
Text: Pink
Man wünscht es Juha Raivio von Herzen, dass er irgendwann den Verlust seiner an Krebs verstorbenen Lebensgefährtin Aleah Stanbridge überwinden mag. Es ist in solchen Zeiten immer von Vorteil, ein Ventil zu haben, über das man seine Gefühle produktiv verarbeiten kann. In der Musik von Swallow The Sun hatte die Melancholie schon immer die Oberhand. „Moonflowers“ legt an persönlichen Emotionen noch einmal eine ganze Schippe drauf. Nicht nur, dass Juha Raivio den Mond auf dem Albumcover mit seinem eigenen Blut gemalt hat und die von Aleah Stanbridge in ihrem Todesjahr 2016 gesammelten und getrockneten Blumen zeigt, spürt man die innere Zerrissenheit in jeder Faser des Albums, dass es einem kalt den Rücken herunterläuft.
Akustisch tragend beginnt das Trauerspiel im Einklang mit der zartbitteren Stimme Sänger Mikko, der die Wand aus Melancholie kurz darauf versucht, mit wütenden Growls niederzureissen. Jedoch vergeblich. Die Schwere des Songs lastet tief. Und dies ist erst der Beginn einer langen, beschwerlichen und schmerzlichen Reise, durch die Swallow The Sun auf „Moonflowers“ uns führen werden. Mich scheint die Aussichtslosigkeit aus immer denselben wiederkehrenden Komponenten aus Trauer, Wut, Aussichtslosigkeit, Todessehnsucht zu erdrücken und zu Tränen zu rühren. Davon bleibt aber nur eine Ahnung, eine ungefähre Blaupause übrig, was Juha Raivio wirklich durchgemacht und immer noch durchmachen muss. Wer jemals eine tiefe Depression erlebt hat, weiss, wie es sich anfühlt, nicht verstanden zu werden, allein zu sein an einem Ort, an dem man unerreichbar ist. Nach dem Hören des Albums kann das Publikum die Musikanlage einfach ausschalten oder sogar mittendrin ausmachen. Juha Raivio aber muss weiter in diesem Schmerz verweilen.
„Moonflowers“ ist kein Album, das man nach dem Durchhören gleich wieder von vorne auflegen will. Der Stein um den Hals, die drückende, emotionale Schwere auf Herz und Brust ist zu gross, um sich kurz darauf kopfüber wieder in diesen hoffnungslosen Malstrom zu stürzen.
Swallow The Sun vertonen diese Ausweglosigkeit facettenreich, auch wenn es das Album nicht gleich von sich preisgibt. Darin liegt auch das Dilemma. Um die Scheibe ganz zu erfassen, muss man sich schon mehrmals freiwillig in diese Dunkelheit stürzen.
Den dominierenden Doom-Garten bepflanzen die Finnen mit dunklen Blumen aus Dark Metal a la Tiamat der jüngsten Phase. Zuweilen säumen dezente Streicher den Pfad. Mit Härte wissen Swallow The Sun seit jeher zu spielen und setzen auch Black Metal-Akzente durch Blast Beats („This House Is No Home“). Sowieso markiert der Death Metal seinen Anteil immer wieder grossräumig. Präsentiert wird das Ganze mit einer grandiosen Produktion von Jens Borgen.
„Moonflowers“ ist kein Album für Zwischendurch. Man muss sich schon in der „richtigen“ trüben Stimmung befinden, um das neue Werk zu fühlen. Ganz schwere Kost.