Date: 6. August 2009
Website: www.romepage.eu
Written by: Luke J.B. Rafka
Luke: Hallo und erst einmal vielen Dank, dass Ihr Euch Zeit genommen habt, meine Fragen für uns zu beantworten.
Ihr seid nun mit Eurer insgesamt bereits 6. Veröffentlichung unterwegs. Wie ist die bisherige Resonanz zu Eurem aktuellen Album Flowers From Exile? (a.d.R. zur CD-Review einmal HIER klicken
ROME: Bisher hervorragend. Bis auf wenige Ausnahmen wird der neue Sound sehr herzlich in Empfang genommen. Uff! Wir wollen uns ja nie wiederholen und schreiben jedes Album deshalb etwas anders…
Luke: Was hat Euch dazu bewegt, das Thema des spanischen Bürgerkrieges in ein musikalisches Gewand zu verpacken?
ROME: Das Thema Spanischer Bürgerkrieg hat mich immer schon interessiert, aber ich war vor etwa drei Jahren zusammen mit meinem Onkel in Spanien und irgendwann mal abends, nach dem ein oder anderen Gläschen Wein, hat er angefangen zu erzählen. Ich denke, dass das wohl entscheidend war dafür die Platte jetzt zu machen. Ich wollte diese Familiengeschichte, diesen Teil der Weltgeschichte und die vielen damit verbundenen Emotionen auf Platte festhalten.
Mein Onkel ist im tunesischen Exil geboren. Das gehörte damals noch zu Frankreich, weshalb er Franzose ist, obwohl seine Mutter Italienerin war, die vor Mussolini nach Tunesien geflüchtet ist, wo sie sich dann in einen Spanischen Marinesoldaten der republikanischen Armee verliebt hat, der seinerseits vor Franco fliehen musste, weil ihm in Spanien wegen seines antifaschistischen Engagements die Todesstrafe drohte. Das war sozusagen eine Drehbuchvorlage wie sie nur das wahre Leben schreiben kann und die mich für dieses Album inspiriert hat.
Luke: Jetzt aber erst einmal für die Leser, die noch gar nicht genau wissen, wer oder was ROME eigentlich ist. Erzählt doch einfach einmal einen Schwank aus der Jugend von ROME. Wie seid Ihr dazu gekommen, das Projekt oder die Band zu gründen und genau diesen Weg der Musikrichtung einzuschlagen? Da soll es ja kuriose Geschichten geben…
ROME: Ach ja? Brodelt die Gerüchteküche schon? So spektakulär war’s nicht, aber ROME kam eigentlich ganz zufällig zustande. Und irgendwie wurde es auch aus der Not geboren. Ich hatte mein letztes Geld in die Demoaufnahmen für „Berlin“ gesteckt, nach der Art „alles oder nix“… und mittlerweile bin ich ganz froh darüber, aber an den musikalischen Erfolg geglaubt hatte ich nicht. Es kam alles zufällig zusammen. Was den Stil angeht… das hat mich zu der Zeit einfach interessiert. Deshalb.
Luke: Ist der Bandname einfach nur eine Abwandlung Deines Namens oder hat er doch etwas mit der „ewigen Stadt“ zu tun?
ROME: Das kann man sehen wie man will. Es ist von meinem Namen abgewandelt. ROME steht aber für sich selbst – also weder für die Stadt noch für mich.
Luke: Warum habt Ihr ein Zitat von B. Brecht im Booklet der aktuellen CD gedruckt? Erzählt mal ein wenig davon.
ROME: Ich denke, das ist äusserst selbsterklärend. Es passt thematisch einfach wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.
Luke: Jerome, ich weiss jetzt nicht, ob du meine Rezension zum Album gelesen hast. Ich habe darin bereits geschrieben, dass ich Deine Stimme sehr beruhigend finde, daher interessiert es mich persönlich sehr, ob du in der Vergangenheit beruflich mit deiner klangvollen, beruhigenden Stimme gearbeitet hast. Z. B. als Psychologe, Geschichtenerzähler oder in der Synchronisation?
Ups, jetzt habe ich Dich vielleicht sogar noch auf eine Idee gebracht, oder?
ROME: Wenn’s mit der Musik nicht mehr klappt, hast du mir jetzt die Idee für den Plan B geliefert, danke! Nein, als Psychologe oder so war ich nie tätig, haha.
Luke: Da wir bereits schon beim Geld verdienen gelandet sind. Kannst Du oder könnt Ihr bereits von der Musik leben? ?
ROME: Ja. Zwar von der Hand in den Mund, aber irgendwie mogelt man sich durch. Wir führen kein „geregeltes“ Leben, aber wir sind ganz glücklich. Patrick hat ja auch sein eigenes Tonstudio und ich halt mich dann und wann mit Nebenjobs über Wasser.
Luke: Wie sieht denn so Dein Tagesablauf aus, wenn Du Dich nicht mit Musik beschäftigst?
ROME: Ich mache nur Musik. Ich stehe morgens früh auf – da ist es immer noch am ruhigsten – ziehe meinen Anzug an und fange an zu arbeiten. Jeden Tag – natürlich nur wenn wir nicht auf Tour oder im Studio sind. Gegen Mittag koche ich dann für meine Frau und danach arbeite ich weiter oder mache halt die alltäglichen Besorgungen, etc. Das geht meist ein paar Wochen am Stück so, bis wir uns dann für einige Zeit im Studio einschliessen und/oder in einen Bus.
Luke: Mir ist ja beim Hören und Durchstöbern des Booklets teilweise wirklich ein Schauer über dem Rücken gelaufen. Ich denke – Eure Musik kann sicherlich bei diversen Sitzungen und Übungen in der Meditation und Ruhefindung eingesetzt werden. Kannst Du oder könnt Ihr eigentlich etwas mit diesen Bereichen oder gar auch mit diversen spirituellen Dingen anfangen?
ROME: Schön, wenn man das Ding für Verschiedenes gebrauchen kann! Ich kenne mich in besagten Bereichen überhaupt nicht aus. Ich benutze meine eigene Arbeit (also die Arbeit an sich) selbst eigentlich auch als eine Art Ruhe- und Selbstfindung, von daher gefällt mir die Idee.
Luke: Dein Vater war – wie ich gelesen habe – beim Theater tätig. Hast Du von ihm das Talent geerbt, deine Lieder in Bildern zu präsentieren?
ROME: Erstmal Danke! Das Theater war bei uns in der Familie immer sehr wichtig. Ich hatte das Vergnügen das Innenleben einiger europäischen Theater mitzuerleben, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Auf der Bühne habe ich mich schon immer zuhause gefühlt – mehr als in irgendeinem Land, oder einer Stadt.
Luke: Gab es eigentlich vor ROME schon irgendwelche Veröffentlichungen von Euch? Wenn ja, welche und mit welchem Projekt/Band?
ROME: Ja, wir waren an zahlreichen Sachen in den verschiedensten Formen beteiligt; Musik für Theaterproduktionen, etc, aber meist kleine Undergroundbands, die es nie wirklich für längere Zeit aus dem Proberaum schafften.
Luke: In der heutigen, schnelllebigen Zeit ist es ja leider seltener, dass es Menschen gibt, die sich ernsthaft mit dem Schaffen verschiedener Künstler auseinandersetzen. Was meint Ihr, woran liegt es? Tragen dazu vielleicht auch die Medien bei? Wie steht Ihr zu den grossen Medien und ihre Machenschaften die Welt zu beeinflussen?
ROME: Wir werden zu kurzlebigem Konsum erzogen. Unsere Aufmerksamkeitsspanne sinkt zusehends. In der Tat nimmt man sich für vieles keine Zeit mehr. Alles muss leicht konsumierbar und vermarktbar sein. Unsere Kunst will sich diesen Regeln des Marktes aber nicht beugen. Wir mögen zwar auch mal knackige Popsongs, aber unser Anspruch bleibt hoch. Wir haben uns das ehrgeizige Ziel gesetzt etwas für die Reinstallation einer Liedermacherkultur in Europa einzusetzen – das genaue Gegenteil der derzeitigen Entwicklung.
Luke: Da ich mich persönlich sehr für Eure Kunst interessiere, seitdem ich Flowers From Exile gehört und gelesen habe, würden mich Eure Gedanken zu folgendem Zitat von Albert Einstein interessieren:
„Phantasie ist alles. Sie ist die Vorschau auf die künftigen Attraktionen des Lebens.“
ROME: Ich denke das deckt sich ganz gut mit der Konzeption der Kindheit, die Denker wie Ibsen oder Chansonniers wie Brel propagiert haben. In seinen Jugendjahren – und somit wohl auch in seiner Phantasie – erlebt und erfährt man alle Nuancen und Arten des Lebens. Man trifft früh seine Entscheidungen – wenn auch unbewusst – auf was man Lust hat, welche Lebensmodelle einen ansprechen. Man hat die Dinge in ihren Grundzügen gekostet und die künftigen Attraktionen des Lebens für sich selbst auserwählt. Wünscht man sich Sicherheit oder eher ein unstetes Leben, will man sesshaft sein oder lässt man sich treiben … all das erkennt man schon früh. In der Phantasie wird man zu allem. Wenn man sich aber später nicht an seinen Instinkt hält und nicht versucht an diese Sachen auch wirklich zu gelangen, sie zu leben, wird man unglücklich.
Luke: Ihr habt den Absprung von Cold Meat Industries zu Trisol gewagt. Wenn man einen Labeldeal wechselt, erhofft ein Künstler sich ja etwas dabei. Was hat Euch dazu bewogen und welche Veränderungen – positiv wie negativ – habt Ihr bereits festgestellt?
ROME: Wir wollten einfach nicht auf der Stelle treten. Wir hatten mit CMI wohl so ziemlich alles ereicht, was zu erreichen war. Bei Trisol ist der Wirkungskreis deutlich grösser geworden, aber was jetzt wirklich dabei rauskommt werden wir wohl erst nächstes Jahr wissen. Derweil konzentrieren wir uns eh auf unsere Aufgabe: die Kunst. Das andere muss halt auch geklärt sein, aber irgendwann denkt man darüber nicht mehr soviel nach.
Luke: Was geschieht bei ROME live auf der Bühne? Wie sehen Eure Gigs aus und wie sind Eure Planungen diesbezüglich – spielt die Schweiz auch in diesem Jahr wieder eine Rolle für Euch?
ROME: Wir spielen grundsätzlich überall, wer weiss wohin es uns diese Saison verschlägt. Mal kucken. Auf der Bühne werden wir nach und nach routinierter, besonders dank des Einsatzes von Patrick und Nikos. Das macht live schon mehr her.
Luke: Wie entstehen bei euch die Tracks und vor allem, werkelt Ihr bereits wieder an neuem Material?
ROME: Natürlich sind wir immer fleissig, auch wenn wir uns keine Deadlines setzen. Wenn etwas reif ist wird es veröffentlicht – nicht vorher. Ich bereite im Allgemeinen die ganzen Sachen vor und im Studio stösst dann Patrick dazu und setzt dem Ganzen seinen kreativen Stempel auf.
Luke: So, zum Schluss noch meine Lieblingsfrage: Wie seht Ihr die Entwicklungen mit den bereits seit Jahren andauernden Castingshows? Auch schon mal den Gedanken daran verschwendet?
ROME: Nein, haha, nicht wirklich. Das hat ja auch nix mit Musik zu tun Das sind Teenie-Soaps mit Laiendarstellern, die unbedingt mal ins Fernsehen wollten um ihre warholischen 15 Minuten Ruhm zu haben. Uninteressant.
Luke: Okay, das war es jetzt wirklich.
Vielen Dank nochmals für die ausführlichen Antworten und natürlich weiterhin viel Glück für Euer weiteres Schaffen.
pics by Achim Webel