Band: Radio Havanna
Album: Veto
Genre: Punk / Rock
Label: Dynamit
VÖ: 17. Januar 2020
Webseite: radiohavanna.de
Kaum zwei Jahre ist es her, seitdem uns Radio Havanna mit „Utopia“ eine Ladung Politpunk-Hits um die Ohren hauten, und schon steht mit „Veto“ das neuste Werk der Wahlberliner vor dem Haus. Der siebte Longplayer der Jungs zeigt sich genauso frisch und gutgelaunt, wie wütend und angepisst, so wie man sich dies von Radio Havanna erhofft.
Los geht es mit dem Opener „Krach“, der sowohl inhaltlich wie auch musikalisch an die besten Tage des grossen Bruders aller Deutschpunks, die Toten Hosen, erinnert. „Es gibt nichts, das besser ist, als Krach“, heisst es da. Zugegebenermassen etwas holprig, aber es macht gleich ordentlich Spass und ich kann die Pogo-Masse bereits vor mir sehen. Mit „Coole Kids“ geht es in Pop-Punk-Gefilde, dazu ein grossartiger Text, an dem sich alteingesessene Punker genauso erfreuen können, wie die Instagram-Jugend von heute.
Radio Havanna sind bekannt dafür, dass sie kein Blatt vor den Mund nehmen und sich ihre politische und soziale Gesinnung gross auf die Flagge schreiben. So mutet es fast ein wenig ungewohnt an, dass auf „Veto“ erstaunlich viele Songs sind, die kaum politisch sind. Vielmehr wird mit Stücken wie „Immer Noch Da“ oder „Hungerturm“ die eigene Herkunft aus dem dörflichen Suhl in Thüringen, die eigene Punkerjugend und alle Schwierigkeiten, die damit einher gingen, besungen. Dann noch die Huldigung an David Bowies „Heroes“, die zwar musikalisch sehr gut gelungen ist, aber textlich halt wirklich nichts Neues bietet. Es schlich sich bei mir oft das Gefühl ein, dass ich solche Lieder vor 20 Jahren schon besser aus Düsseldorf gehört habe. Textliche Hosen-Referenzen sind mitnichten etwas Schlechtes, aber von einer Band, die bekannt dafür ist, so klar Stellung zu nehmen und Dinge anzuprangern, erscheint das etwas flach.
Aber zum Glück geht es auch anders. Auf der einen Seite sind da Lieder wie das wunderbare „Herzschmerzsaufen“, bei dem kurzerhand das „Tresenlied“ der Terrorgruppe im Hintergrund eingespielt wird, was mir sofort ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Dieser Song trägt seine Einflüsse so offen auf dem Ärmel, dass es äusserst sympathisch ist. Auf der anderen Seite beherrschen Radio Havanna es eben gleichwohl aussergewöhnlich gut, geniale Hymnen gegen rechte Gewalt und Gesinnung zu schreiben. Das Lied „Antifaschisten“ beschreibt voller Schmerz und Wehmut, wie es ist, eine*n Bekannte*n in die extreme Rechte abdriften und dort verloren gehen zu sehen. Das Lied ist eine sehr gelungene und frische Variante der vielgehörten Antifa-Parolen und betrachtet die Problematik aus einem interessanten, neuen Blickwinkel.
Und dann ist da noch „Hass Ohne Verstand“. Was für ein Song. „Wie viele Leichen reichen für dein f**king Vaterland? Bist du sicher, dass du so die Welt verändern kannst?“ Viel mehr muss ich dazu gar nicht sagen – geniales Lied, kurz, aber voll auf die Zwölf. Genau so muss das sein.
„Veto“ vermag nicht auf ganzer Länge komplett zu überzeugen, aber Radio Havanna werden sich auch auf diesem siebten Werk mehr als gerecht. Musikalisch ist es vom ersten bis zum letzten Song richtig fett und unter den 13 Stücken sind ein paar echte Perlen dabei, welche auch das eine oder andere nicht ganz so starke Lied mehr als wettmachen. Alles in allem ist „Veto“ sehr gelungen, macht Spass und live werden die Stücke sowieso abgehen, da kann man sich schon drauf freuen.
Tracklist:
1. Krach
2. Coole Kids
3. Immer Noch Da
4. Herzschmerzsäufer
5. Helden
6. Ich Komm Klar
7. Chaoskind
8. Hungerturm
9. Simsonpunk
10. Antifaschisten
11. Hass Ohne Verstand
12. Freie Radikale
13. Schatten
Bandmitglieder:
Fichte – Gesang
Arni – Gitarre
Olli – Bass
Anfy – Drums
Gründung:
2002
Text: David Spring