Band: OMD
Album: English Electric
Label/Vertrieb: BMG
Veröffentlichung: 5. April 2013
Website: omd.uk.com
Geschrieben von: Daniel Zehnder
1978 hatten ein paar Jungs aus Grossbritannien einen Traum. Er handelte von einer perfekten Zukunft. Diesen Traum setzten sie mit dem damals gerade erschwinglich gewordenen Synthesizer um. 1980 gelang ihnen mit „Enola Gay“ der internationale Durchbruch. Der Rest ist Synthpop-Geschichte. Bis zur Auflösung Mitte der 90er verkaufte Orchestral Manoeuvres in the Dark, kurz OMD, über 40 Millionen Tonträger. 2010 meldeten sich Andrew McCluskey und Paul Humphreys völlig überraschend mit „History Of Modern“ zurück und läuteten Teil 2 der OMD-Karriere ein.
Zur Gegenwart: Mit dem neuen Werk „English Electric“ beschäftigt sich OMD mit der interessanten Frage, was aus den Zukunftsträumen von damals geworden ist. Haben sie sich erfüllt? Der erste Song „Please Remain Seated“ gibt die Antwort: „Die Zukunft, die Sie erwartet haben, wurde abgesagt.“ stellt eine unterkühlte Frauenstimme fest. Und man möchte ihr Recht geben, denn was wir hier zu hören bekommen, ist pure Nostalgie. Die erste Single „Metroland“ vergreift sich beim Intro schelmisch an Kraftwerks „Europa Endlos“ und erinnert auch sonst an die Elektronik-Pioniere.
Nach einem Abstecher ins „Night Cafe“, das von der Stimmung her irgendwie an ihren 1986er-Hit „If You Leave“ erinnert, besuchen wir „Helen Of Troy“ und erinnern uns an eine weitere sagenhafte Heldin aus der Sammlung von OMD. Denn bereits vor über 30 Jahren besangen sie mit grossem Erfolg „Joan Of Arc“, die dann gleich nochmals unter dem Titel „The Maid Of Orleans“ die Charts stürmte. Was damals ein grandioser, neuartiger Mix aus emotionalem Gesang und kühler Elektronik war, verkommt allerdings in der heutigen Zeit zur kitschigen, überholten Synthpop-Ballade, deren Tiefgang man vergebens sucht.
Interessanter wirds wieder bei „Our System“ auf dem Jupiter gesampelt wird. Genau, der Planet. Im Intro hört man fragmentierte Geräusche der Magnetosphäre des Jupiters, bevor der Song in eine schöne, eingängige Melodie übergeht. Der Retro-Futurismus von Kraftwerk zieht sich durch das ganze Album und erreicht bei „Kissing The Machine“ seinen Höhepunkt. Der Song erschien ursprünglich 1993 auf dem Album „Esperanto“ von Ex-Kraftwerker Karl Bartos‘ Projekt Elektric Music. Andrew McCluskey steuerte damals die Vocals bei und schrieb am Song mit. Die deutsche Frauenstimme gehört übrigens Claudia Brücken, besser bekannt als Ex-Sängerin der deutschen 80er-Sensation Propaganda („Dr. Mabuse“). Sie ist mit Keyboarder Paul Humphreys verheiratet.
Bleiben noch Songs wie „Stay With Me“ und „Final Song“, die wiederum ein Griff in die seichte, kitschbeladene Klangkiste sind. Einzig „Dresden“ vermag nochmals zu begeistern. Ein treibender Synthpop-Knaller, der genau so gut die Nachfolgesingle von „Enola Gay“ hätte sein können. Und das Schönste daran: Andrew McCluskey entstaubt endlich seinen Bass und zupft ihn, als wäre es 1979 und die Debut-Single „Electricity“ soeben erschienen.
Schade, dass solche Überraschungsmomente sonst eher Mangelware auf „English Electric“ sind. OMD hatten eine spannende Idee und haben sie leider reichlich unspektakulär umgesetzt. Was bleibt, ist ein Retro-Synthpop-Album, das einfach nur nett ist. Und hier ist das Problem versteckt: Denn wer immer nur nett ist, wird schnell wieder vergessen…
Tracklist:
01 Please Remain Seated
02 Metroland
03 Night Cafe
04 The Future Will Be Silent
05 Helen Of Troy
06 Our System
07 Kissing The Machine
08 Decimal
09 Stay With Me
10 Dresden
11 Atomic Ranch
12 Final Song
Bandmitglieder:
Andrew McCluskey – Gesang, Keyboards, Bass, Programming
Paul Humphreys – Vocals Keyboards, Programming
Martin Cooper – Keyboards
Malcolm Holmes – Drums
Gründung:
1978