Kidnap Music / VÖ: 29. September 2023 / Punk
nordpunk.de
Text: David Spring
«Was man abschaffen soll, muss man erkennen können.» Diese glorreichen Worte hat sich die Deutschpunk-Band No°rd aus Münster und Dortmund als Vorsatz genommen, um ihr neustes Werk zu kreieren. Angepisst und deprimiert wie eh und je, doch neu mit einer gesunden Prise Pop-Melodien und vielleicht sogar etwas Hoffnung – das kann nur gut kommen!
«Böse Wetter» ist der schöne Titel des dritten Albums von No°rd, dessen Erschaffung ganze fünf Jahre beansprucht hat. Wie wir alle wissen, ist in dieser Zeit einiges passiert, da überrascht es wenig, dass die Band nach wie vor eher zwiegespalten auf die Welt blickt. Der Opener «Zahltag» haut dann auch gleich ordentlich rein, die massigen Gitarrenakkorde, der treibende Rhythmus und vor allem der beinahe theatralisch vorgetragene Gesang machen klar, wer hier Zugange ist.
Fachkenner:innen des deutschsprachigen Punkrocks werden beim Genuss der eingängigen Songs schnell Parallelen zu duesenjaeger feststellen. Der Sound beider Bands ist sich tatsächlich sehr ähnlich. Auch die verschachtelten Erzähl-Texte, die viel mehr metaphorische Bilder malen, als sich zu klaren Aussagen herunterzulassen, erinnern immer wieder an die Osnabrücker Grossmeister des post-punkigen Entfremdungs-Rocks. Es ist den Jungs von No°rd darum hoch anzurechnen, dass sie trotz vieler Ähnlichkeiten ganz klar mit ihren eigenen Qualitäten zu überzeugen wissen.
Bekanntlich ist es ein gutes Zeichen, wenn ein Album ein paar Durchläufe benötigt, um all seine Stärken preiszugeben. «Horizont» ist einer der Songs, die als erstes in den Gehörgängen steckenbleiben. Die Drums ziehen rasant nach vorne und die Gitarren knallen ordentlich, doch ist es vor allem der geniale Refrain, der die Sache klar macht. «Das soll jetzt das Leben sein? Hast du nicht genug von der Scheisse, du Schwein? Hinter’m Horizont geht’s ja gar nicht weiter.» No°rd vermitteln in dem Track dieses wundervoll melancholische Gefühl, dass zwar alles eigentlich im Arsch ist, aber sich das Weitermachen und Durchhalten irgendwie trotzdem lohnt.
Ebenfalls herausragend ist der Titeltrack. Fast schon verspielt und poppig tänzelt die Gitarre ins Ohr, während der Text Weltschmerz und gleichzeitig harsche Gesellschaftskritik übt. Ganz grosses Kino, dass No°rd hier abliefern. Ja, «Böse Wetter» braucht definitiv ein paar Durchgänge, aber das ist gut so. Denn wer vom Deutschpunk laute Parolen, Bierseligkeit und Aufmüpfigkeit braucht, wird mit No°rd eh kaum warm werden. Wer aber Musik mag, die etwas melodiöser, intimer und vielleicht auch verkopfter ist, dafür lange im Gedächtnis bleibt und etwas tief in uns auslöst, ist hier genau richtig.