Band: Motorpsycho
Album: The All Is One
Genre: Alternative Rock / Prog
Label: Stickman Records
VÖ: 28. August 2020
Webseite: motorpsycho.no
Motorpsycho haben es wieder getan. Und wie. Sie haben ein Album geschaffen, das mehr als nur aus einzelnen Songs besteht, es ist ein Kunstwerk in sich. Die drei Norweger aus Trondheim schaffen es immer und immer wieder, noch ein wenig mehr zu geben, noch ein wenig perfekter zu werden, noch ein wenig skurriler und fordernder zu sein und vor allem, noch ein wenig besser zu werden, als sie es eh schon sind. Was Motorpsycho mit „The All Is One“ auftischen, ist ziemlich komplex, aber das kennt man von ihnen nicht anders. Schon immer haben sie in den letzten 30 Jahren die Hörer*innen mit ihren stilistischen Brüchen herausgefordert, und „The All Is One“ macht es ebenso. Einfach heftiger, härter, intensiver.
„The All Is One“ ist ein gemütlicher Titeltrack in bester Psychomanier. Gitarren, ein warm-angezerrter Bass, Harmonien, welche an die Zeiten der Alben „Let Them Eat Cake“ oder „Phanerothyme“ erinnern. Die Streicher (respektive das Mellotron) machen den Einstieg zu einem Fest der Sinne und wie es so ist, steigert sich das ganze unauffällig in eine für Motorpsycho so typische Symphonie.
Treibend kommt „The Magpie“ daher, fast ein wenig an ihre Musik aus den Neunzigern erinnernd. Auch wenn es eher grob zu und her geht, so ist das Arrangement nicht so roh wie damals. Alles sitzt am richtigen Platz, inklusive einem dieser Gitarrensolos, die man live kaum erwarten kann. „Delusion“ ist schon fast als Intermezzo anzusehen, oder als Vorbereitung auf das, was noch kommen soll.
„N.O.X.“, ein Epos in 5 Akten. 42 Minuten purer Wahnsinn. Auf einmal, an einem Stück. Prog, Space Rock, Jazz und Acid werden verbunden und schaffen Sphären. Sphären mit denen man Kreise um die Sonne zieht. Gastmusiker wie Reine Fiske, Lars Horntveth ond Ola Kvernberg steigen bei dieser Reise mal ein, mal aus, um „N.O.X.“ noch etwas wahnsinniger zu machen. „Ouroboros“, der Schwanzverzehrer, dreht sich im hypnotisiert im Kreis. Um mittendrin Harmonien zu generieren, also eigentlich einfach Töne, die durchs Mark – nein – mitten ins Mark gehen. Hühnerhaut auf dem ganzen Körper, Post-Rock vom feinsten. „Night of Pan“ steigert sich über Minuten nur um auf „Circles Around The Sun“ vorzubereiten, das mit dem Hörer richtig hart ins Gericht geht. „N.O.X.“ ist im Grunde genommen ein Album im Album, Deutlich wird das vor allem auf der LP, wo dieses Ungetüm zwei eigene Seiten bekommen hat. Dieses unglaubliche musikalische Ding (ich weiss nicht wie ich es anders beschreiben soll) hoffentlich bald einmal live an einem Stück erleben zu können, muss eines dieser Erlebnisse sein, wie damals die Tour der Psychonauten zum Mittelpunkt der Erde mit „The Death Defying Unicorn“!
Wenn man es – nach ein wenig Erholung – geschafft hat, die Platte noch ein letztes mal zu drehen, kommen wunderschöne Blüten zum Vorschein. Ja, man ist wieder da angelangt, wo das Album begonnen hat. „A Little Light“ lässt einem Zeit zum Verschnaufen auch wenn es nur zwei akkustische Minuten sind. „Dreams of Fancy“ knüpft wiederum an „Let Them Eat Cake“ an, was mich persönlich nicht im geringsten stört. „The Dowser“, eine gemütlich leise Motorpsycho-Nummer und „Like Chrome“, ein straighter, knüppelharter Rocksong schliessen dieses Meisterwerk ab.
„The All Is One“ ist das finale Kapitel der Gullvåg-Trilogie (Håkon Gullvåg ist für das Artwork verantwortlich), welche 2017 mit „The Tower“ begann und mit „The Crucible“ 2019 fortgesetzt wurde. „The All is One“ ist 80 Minuten purer Wahnsinn.
Man spürt förmlich, dass sich die Band Zeit gelassen und auch Zeit gefunden hat, alles an die richtige Stelle zu rücken. Die Symphonien sind unglaublich intensiv. Auch wenn man gefühlte 1000 Instrumente die miteinander spielen zu erkennen meint: Jedes Instrument, jeder Ton, jeder Anschlag passt perfekt. Dieses Album ist brilliant, aber sicher nicht Musik für nebenbei. Es fordert jede Hirnzelle, und auch beim x-ten mal hört man neue Details, Klänge, die man bisher verpasst hat. Genau so muss es sein. Da freut man sich schon auf das nächste Album oder gibt es vielleicht sogar eine nächste Trilogie?
Tracklist:
1. The All Is one
2. The Same Old Rock (One Must Imagine Sisyphus Happy)
3. The Magpie
4. Delusion (The Reign Of Humbug)
5. N.O.X. I: Circles Around The Sun pt 1
6. N.O.X. II: Ouroboros
7. N.O.X. III: Ascension (Strange Loop)
8. N.O.X. IV: Night of Pan
9. N.O.X. V: Circles Around The Sun pt 2
10. A Little Light
11. Dreams Of Fancy
12. The Dowser
13. Like Chrome
Bandmitglieder:
Thomas Järmyr – Schlagzeug und Gesang
Hans Magnus Ryan – Gitarre und Gesang
Bent Sæther – Bass, Gesang und Gitarre
Gründung:
1989
Text: Mischa Castiglioni