Stickman Records / VÖ: 19. August 2022 / Alternative Rock, Prog
motorpsycho.no
Text: Mischa Castiglioni
Mit dem Release ihrer Alben bleiben Motorpsycho in ihrem Jahrestakt, den sie seit über 30 Sonnenumrundungen der Erde mit wenigen Ausnahmen eingehalten haben. Nach der Trilogie «The Tower» (2017 – die Pause danach ist eine Ausnahme), «The Crucible» (2019) und «The All Is One» (2020) sowie dem Folgealbum «Kingdom of Oblivion» (2021) sind sie diesen Lenz mit «Ancient Astronauts» am Start.
Neben der Arbeit an den vorangehenden beiden Alben beschäftigten sich die Norweger parallel mit zwei weiteren Projekten. Aus Unzufriedenheit über die Live-Stream-Konzerte während der Pandemie entstand in Zusammenarbeit mit De Utvalgte – einer norwegischen Theatergruppe – eine vage Filmidee, um die Musik Motorpsychos visuell zu porträtieren. Work in progress – man bleibt gespannt. Das andere Projekt war, ähnlich wie schon bei beim Album «Beginnelser» (2017) die Live-Begleitung einer Dance-Performance mit dem Namen «Sacrificing» von Homan Shafifi and the Impure Dance Company, bei welchem schon Songs von Motorpsycho verwendet wurden. Aber es brauchte mehr davon, so sind die beiden Songs «Mona Lisa Arzael» und «Chariots of the Sun» auf dem aktuellen Album für diese Performance geschrieben worden. Der Corona-Pandemie geschuldet, war «Sacrificing» und die dazugehörende Musik nur einem kleinen Kreis von Zuschauern vergönnt, was sich mit dem Release jetzt ändert.
Vielleicht dem Titel und dem Cover (es erinnerte mich mit seiner Düsterheit und der Thematik an den Film «Der silberne Planet») des Albums geschuldet, nahmen mich schon die ersten Töne auf die Reise der Ancient Astronauts mit. Das Album unter diesem Gesichtspunkt zu hören – obwohl es sich gemäss der Band selbst nicht um ein Konzeptalbum handelt wie «The Deaf Defying Unicorn» (2012) welches die Reise zum Mittelpunkt der Erde erzählt – versetzte meine Fantasie in fremde Welten. Der Start der Rakete, die Ankunft in der Umlaufbahn, die Schwerelosigkeit, Angst und Schrecken im All, Unsicherheit, Freude, Entzückung bei der Entdeckung neuer Planeten.
Der Opener «The Ladder», zum grössten Teil rockig zugange mit dem schönen, typisch knarzenden Motorpsycho-Bass setzt an den Vorgängeralben an, während die düster sphärische Überleitung «The Flower of Awareness» mehr Geräuschkulisse denn Song ist. «Mona Lisa Azrael» nimmt mit weichen Tönen Fahrt auf und kippt halbwegs ins jazzige, unterlegt mit den rauhen Bassorgien die so typisch Motorpsycho sind, um zum Schluss ins über-epische überzugehen. Den grossen Gong habe ich zwar bei ihrer Tour im Frühling gesehen aber nie im Einsatz gehört. Ebenso präsentiert sich das (fast) instrumentale «Chariot Of The Sun – To Phaeton On the Occasion Of Sunrise (Theme of an Imaginary Movie)». Leise und teilweise meditativ, Melodie und Harmonie gefolgt und im Wechsel mit lauten und aggressiven Stellen, die ins opulente, cineastische und manchmal ein wenig ins pathetische wechseln!
Motorpsycho hat dieses Album im Sommer 2021 zu dritt – aufgrund von Reiserestriktionen ohne Reine Fiske – und grösstenteils live aufgenommen (bei Songs mit 12 und 22 Minuten Länge!), kleine Stolperer inklusive, welche alles greifbar und sympathisch machen. Jeder einzelne Teil der Songs ist organisiert und alles am richtigen Ort. Man spürt unweigerlich, dass die Band genau das gemacht hat, was sie am besten kann. Sie lieben den Jam. Sie zelebrieren das Ausufernde. Sie leben den Rhythmus und ergeben sich ganz und gar den Gitarrenorgien.
Im ersten Durchgang ist «Ancient Astronauts» sicher nicht Motorpsychos zugänglichstes Werk, aber je mehr man sich hineingibt desto wahnsinniger wird das Album. Eine wundersame Reise durch den Weltraum und fremde Welten.