Pure Noise Records / VÖ: 12. November 2020 / Progressive Metal, Akustik
moontooth.org
Text: David Spring
Wer erinnert sich noch an MTV Unplugged? Genau, die Zeiten, in denen das M für Music stand und der Sender einige der bemerkenswertesten Akustik-Konzerte produzierte. Da gibt es nicht nur das legendäre Nirvana-Unplugged-Konzert, denn das Format verlangte von vielen Musiker*innen, dass sie ihre fein säuberlich kreierten Songs komplett neu überdenkten. Aber auch ohne MTV hat das Unplugged-Format noch seine Reize.
Dies haben sich die Prog Metaller von Moon Tooth aus Long Island ebenfalls gedacht. Mit eingesteckten Verstärkern bieten die vier Jungs eine mächtige Vielfalt an heftigen, verspielten Sounds voller wahnwitziger Solos und Songstrukturen, dabei überraschend viel Melodie und Gefühl. Nach zwei Alben und einigen EPs ist es mit den „Violent Grief Sessions“ an der Zeit für etwas neues. Los geht es mit „Trust“ vom letztjährigen Album „Crux“. Im Original ein brutales Post-Hardcore-Brett, rücken in der Akustik-Version vor allem die virtuosen Gitarrenspielereien von Nick Lee, sowie die einzigartige Stimme von John Carbone in den Vordergrund. Beachtlich, wie Moon Tooth zwar die Effektpedale und Amps ausschalten können, aber kaum etwas an Intensität und Emotion verlieren.
Dies wird im folgenden „Awe At All Angles“ noch deutlicher. Die Studioversion des Songs überrascht mit einer genialen Mischung aus vogelfreier Instrumentierung und eingängiger Melodie, beides wird in der Unplugged-Variante verstärkt. Moon Tooth haben es geschafft, ihre Songs auf das Nötigste zu reduzieren und die Stärken im Vordergrund scheinen zu lassen. Gewisse MTV-Unplugged-Aficionados könnten bemängeln, dass gewisse Lieder nicht komplett umgeschrieben wurden. Aber sind wir ehrlich, die Stücke von Moon Tooth bieten von Haus aus so viel, dass noch mehr Spielereien zu viel des Guten gewesen wären.
Die EP bietet mit „Six Of Swords“ einen neuen Track. Etwas softer und augenscheinlich für dieses akustische Format geschrieben, reiht er sich prächtig zwischen den anderen Songs ein. Persönlich fehlen mir hier die progressiven Auswüchse für welche die Band bekannt ist, aber in diesem Rahmen passt es gut. Mit „Fast As You Can“ ist den Jungs eine spannende Coverversion gelungen, im Original von Fiona Apple bringt diese Interpretation ein bluesig, funkiges Flair in den Mix. Das funktioniert und stellt das zweite Cover, „Changes“ von Charles Bradley, etwas in den Schatten.
Alles in allem sind die „Violent Grief Sessions“ auf ganzer Strecke gelungen. Moon Tooth sind eine interessante Band und beweisen ein weiteres Mal, dass sie musikalisch und spielerisch auf höchstem Niveau agieren. Wer die Band noch nicht kennt, erhält mit dieser Akustik-EP einen tollen Einstieg in ihre Musik, auch wenn man damit nur an der Oberfläche kratzt. Für alle anderen gibt es einen weiteren, abwechslungsreichen Grund dafür, warum Moon Tooth es längst verdient haben, nicht länger Geheimtipp zu sein.