Loma Vista Recordings / VÖ: 23. Juni 2023 / Punk
militariegun.com
Text: David Spring
Viele Bands beschreiben ihren Sound als einzigartig und unzuteilbar. Allzu oft werden dadurch Erwartungen in unerreichbare Höhen geschraubt, denen die Gruppe kaum je gerecht werden kann. Militarie Gun haben nicht nur einen zweifelhaften Namen, sondern sehen sich selbst zwischen sämtlichen Stühlen und Bänken. Abnormal aggressive Popmusik oder doch eher ungewöhnlich eingängiger Hardcore? Wir werden sehen.
Das Debüt-Album «Life Under The Gun» beginnt mit «Do It Faster». Einem vorzüglichen Punk-Brett mit unglaublich eingängiger Melodie, coolem Drive und lecker knackigen Gitarren. Der Song ist unverschämt poppig, melodiös und dabei voller Energie. Vielleicht stimmt da ja tatsächlich was an diesem leicht grosskotzigen Selbstbeschrieb? «Very High» und «Will Logic» fahren ähnlich stark, mit grossartigen Hooks und umgehend mitsingbaren Refrains, fort.
Inhaltlich ist die Platte kein einfaches Biest. Frontmann und Mastermind Ian Shelton hatte eine harte Kindheit und sah sich dank seiner schwierigen Familie in jüngsten Jahren schon von allerlei Suchtmitteln umgeben. Entsprechend sind die Texte, die er für Militarie Gun schreibt, nicht die allerfröhlichsten. Umso mehr überrascht es darum, wie erhaben und frohgemut die Musik klingt. Fast schon trotzig starrt er den Abgründen der Menschheit und seiner eigenen Kindheit ins Gesicht und schreit ihnen mit seiner rauen, charmanten Stimme entgegen. Das steckt unglaublich an und man ertappt sich beim Hören immer wieder dabei, wie man trotz breitem Grinsen im Gesicht die Faust in der Tasche ballt.
Militarie Gun beweisen auf ihrem Erstlingswerk nicht nur ein ausgesprochen gutes Gespür für vorzügliche Melodien und catchy Songs, sie getrauen sich auch, sich ab und zu etwas ausserhalb ihrer eigenen, ohnehin sehr schwammigen Genregrenzen zu bewegen. «Never Fucked Up Once» liebäugelt mit Americana oder Folk, «See You Around» wiederum ist eine Ballade mit Mellotron – und komischerweise funktioniert selbst das. Trotz aller Experimente und Ausflüchte bleibt die Platte Punk. Keiner der 12 Songs ist länger als zweieinhalb Minuten und die Energie geht stets laut und ungestüm nach vorne.
Ob Militarie Gun wirklich so ungreifbar und unbeschreiblich sind, wie sie eingangs vermuten liessen, ist schwer zu sagen. Was aber auf jeden Fall stimmt: die Jungs aus LA machen verdammt gute Musik. Wenn der abschliessende Titeltrack mit triumphierenden Gitarren und wundervollen Against-Me!-Vibes sämtliche Wut und Trauer von sich schreit, ist es unmöglich, davon nicht mitgerissen zu werden. «The story has only just begun…», mit Sicherheit dürfen wir von Militarie Gun noch viel Grosses erwarten.