Reprise Records / VÖ: 31. März 2017 / Sludge, Metal, Prog
mastodonrocks.com
Text: Cyril Schicker
Früher jubelte das US-Quartett Mastodon spasseshalber ahnungslosen Journalisten bewusstseinserweiternde Substanzen unter. Troy, Brent, Bill und Brann gaben bzw. geben sich auch gerne gleich selbst drogentechnischem Jubel-Trubel hin. Die Band aus Atlanta, Georgia, glänzt mit diversen Late-Night-Auftritten (u.a. Jimmy Kimmel, Jimmy Fallon) und stecken gewissermassen auch mit Games Of Thrones unter einer Decke. Die Notenschlüsselvirtuosen entzücken mit einem glanzvollen Tournee-Palmarès (z.B. Metallica, Cannibal Corpse, Tool, Converge, Morbid Angel, Slayer, Between The Buried And Me, Fear Factory). Und sie bringen eigene Biere auf den Markt, stürmen die Charts, leinwandzaubern mit Soundtracks oder verstricken sich ungeniert in wüste Schlägereien – eine Hirnblutung später doch auch (un-)heilvoll …
Mastodon sind aber weit mehr als nur Garant für Bizarrerien, Mythen und Gerüchte. Mastodon sind vor allem eines: beispiellos. Ihre Musik ist kaum allgemein verträglich, doch vermag deren Progressive-Rock-Sludge-Metal seit jeher zu entzücken. Mastodon meistern den hochkomplexen Balanceakt einer musikalisch fordernden und zugleich melodischen sowie unverkennbaren, eklektischen Herangehensweise wie keine andere Band. Ihr inzwischen siebtes Studioalbum „Emperor Of Sand“ macht dies wunderbar deutlich.
Wie immer mit einer schier unerschöpflichen Liebe zum Detail werden auf diesem Konzeptalbum zum Thema Sterblichkeit Nuancen ausgereizt, Effekte eingestreut, unauffällig, aber sinnvoll Instrumente untergemischt und mit Effekten sowie Geräuschen jongliert. Auch nicht ganz normal: Der spitzbübische Wunder-Trommler Brann Dailor übernimmt hier wieder einen Löwenanteil des Gesangs. Und kaum verwunderlich passt seine glockenklare Stimme perfekt zu den Songs.
Auch nicht ganz normal zum Zweiten: Mastodon beschränken ihr Gespür für grosse Melodien längst nicht mehr nur auf die Sphäre ihrer jeweiligen Instrumente, sondern „hausieren“ mit dem Potenzial dreier Sänger unterschiedlichster Stimmfarben.
Auch nicht normal zum Dritten: Drei Stimmen reichen der Ausnahmeband Mastodon nicht. Sie kokettieren gleich noch mit dem Stelldichein von Scott Kelly, dem Sänger von Neurosis, beim Song „Scorpion Breath“.
Und wo Trauer und Sterblichkeit sind, da ist auch Hoffnung. Irgendwie. Zumindest schreien dies die Initialen der Konzeptplatte in die Welt hinaus. E.O.S. oder eben Eos stellt in der griechischen Mythologie die Göttin der Morgenröte dar. Und mir steigt bei diesem sagenhaften Album die Schamesröte zu Gesicht.