Lauter Kollektiv / VÖ: 31. Mai 2024 / Punk
lolaboum.com
Text: David Spring
Fast auf den Tag genau vor einem Jahr überraschte uns die vorzügliche Zürcher Punkband Lola Boum quasi aus dem Nichts mit ihrem grossartigen Debüt «Kinky Days». Stillsitzen ist bei dem Trio Fehlanzeige und darum folgt tatsächlich schon der Nachfolger mit dem wohlklingenden Titel «Cheesy Songs».
Ein paar Songs des Debüts haben es auch auf das neue Werk geschafft. Der Grund dafür ist simpel: Gab es Album Nummer eins nur digital, so dürfen wir uns dieses Mal auf einen richtigen Vinyl-Release freuen. Und Songs wie «Hey Bastard», «Marilyn» und speziell das fantastische «Kinky» waren einfach viel zu gut, um nicht auch in Vinyl-Form das Licht der Welt erblicken zu dürfen. Doch keine Sorge, es gibt auf «Cheesy Songs» mehr als genügend Neues zu entdecken. Lola Boum haben nichts verlernt und gehen forscher, abwechslungsreicher und gehässiger denn je zu Gange.
Der Titeltrack beginnt entspannt und ganz im Stile der bandeigenen Interpretation davon, was Punk alles sein kann. Denn stumpfe Riffs und fieses Geschrei sucht man bei Lola Boum nach wie vor meist vergebens. Viel mehr kreieren die gemächlichen Beats, der knackige Bass und die träumerischen Gitarren einen vorzüglichen Kontrast zu den mal wütenden, mal introspektivischen Worten der unvergleichlichen Nurit Hirschfeld. Inhaltlich stehen allgegenwärtige Themen wie der Feminismus im 21. Jahrhundert, moderne Weiblichkeit und der bitter nötige Zerfall des Patriarchats im Zentrum. Bestes Beispiel dafür ist das gewaltige «Fuckboy», in dem eine hochgradig angepisste und vernichtende Tirade gegen toxische Männlichkeit auf uns niederprasselt: «When you get bored, you will dump her as well cause working on yourself is way too exhausting. But I swear I will hunt you in your fucking dreams!»
Lola Boum verstehen es, genau dann reinzuknallen, wenn es am effektivsten ist. Meist bauen die Songs ruhig und melodiös auf, bis die Band in glorreiche, laute Explosionen ausbricht. (Das Boum im Bandnamen ist da nicht ohne Grund!) Man nehme das grunge-ige «Teeth In My Mouth», in dem Nurit verzweifelt fragt: «How do you know if I’m lovable?» oder das geniale «Between Us», das fast wie eine Ballade beginnt, nur um gegen Ende in bester Press-Club-Manier das Gaspedal durchzutreten. Um diese Energie hochzuhalten, rockt das intimste und beste Stück der Platte, «Pharmacy Store», dann einfach mal von A bis Z wundervoll durch. Der Song lässt tief in die Psyche der talentierten Frontfrau blicken – und fängt die Essenz von Lola Boum perfekt ein. Das abschliessende «Right There» beendet die Sache verträumt, melancholisch und ungeschönt ehrlich. Genau, wie wir es von dieser Band so lieben!
«Cheesy Songs» ist ein verdammt starkes Album. Lola Boum zementieren erneut ihren Stand als eine der faszinierendsten, abwechslungsreichsten und einzigartigsten Bands unseres Landes. Vielleicht werden es die Puristen oder die Punkpolizei anders sehen, doch sind wir ehrlich, immer nur die gleichen drei Akkorde ist eh langweilig – und wenn der Punk etwas bitter nötig hat, dann Innovation und Herz. Und davon bieten Lola Boum derzeit mehr als die meisten!