Eigenveröffentlichung / VÖ: 25. April 2025 / Punk
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Text: David Spring
Tja, wenn die Leber keinen Bock mehr hat, steht es meistens nicht mehr gut um dich. Da schaltet ein Organ nach dem anderen ab, und irgendwann heisst es gute Nacht, baba und die Ribiseln von unten anschauen. Weniger dramatisch, dafür umso konsequenter – und vor allem österreichischer – geht es bei der Linzer Punkband Leber zu und her, die uns mit «Es reicht» ihre erste LP präsentiert.
Genauer gesagt handelt es sich bei dieser kunterbunten Platte um eine Kompilation aller bisherigen EPs sowie drei neuer Songs. Und wer Leber noch nicht kennt, darf sich auf etwas gefasst machen. «Que carajo» haut sich ungestüm und unbändig aus den Boxen – wüste Geräusche, zackiger Beat, spassige Synths und krachende Gitarren. Kurz: glorreicher Lärm! «Dumme Sau» fühlt sich viel mehr nach einem Song an – die Synths übernehmen den Lead und es geht volle Pulle nach vorne. Freilich muss niemand eine musikalische Offenbarung erwarten, zumal laut eigener Aussage fast niemand in der Band je ein Instrument in der Hand hatte, bevor Leber 2022 ins Leben gerufen wurde. Doch genau diese ungehobelte, abwechslungsreiche Herangehensweise macht die Sache herrlich erfrischend und aufregend.
Viel wichtiger sind die Inhalte. Vom Widerstand gegen das Patriarchat über Schönheitsideale, gesellschaftlichen Druck und Narzissten bis hin zum Thema Femizid: Leber nehmen kein Blatt vor den Mund. Manche Missstände werden klipp und klar benannt, etwa im rasant eingängigen «Sackerl fürs Gackerl» oder im wütenden «Cat Call». Und manchmal reichen ein paar wohlplatzierte Worte, um alles klarzumachen. «Narzisst» singt nur von sich selbst, wie man es sich vorstellt, und «Nein» kommt mit knapp zwei Zeilen Text aus, ohne auch nur ein Bisschen an Biss und Relevanz einzubüssen. Am deutlichsten zeigt sich diese «weniger ist mehr»-Tendenz in der extrem wichtigen Single «Femizid», in der lediglich der Songtitel buchstabiert wird. Unangenehm? Ja! Verdammt effektiv, weil es zu diesem Thema ohnehin zu viel Blabla und zu wenig Handeln gibt? Leider genauso!
Musikalisch passiert, wie erwähnt, extrem viel. Während «Schneewittchen» nach poppigem Bontempi-Orgel-Punk klingt, schwingt «Gladis» – die Liebeshymne an jenes wundervolle Orca-Weibchen, das die Yachten von irgendwelchen reichen Wichsern versenkte – zwischen abgespacetem Egg-Punk und furiosem Riot-Grrrl-Geschrei hin und her. «Hausverbot» ist frohgemuter Elektro-Punk der Marke The TCHIK mit einer Prise Terrorgruppe, und der epische Closer «Katzenjammer» ist so etwas wie die Leber -Version von NOFXs «The Decline» – fällt der Song mit viereinhalb Minuten doch ziemlich aus dem Rahmen der sonst meist nur 90 Sekunden kurzen Kleinode. Wahrlich beeindruckend, was die Band hier veranstaltet.
Leber reihen sich ein in die immer lauter und länger werdende Reihe fantastischer FLINTA-Bands, die alles ein wenig anders machen. So erfrischend und trotzdem extrem relevant kann moderner Punkrock sein. Leber machen alles richtig und liefern eine exzellente, unbequeme, herausfordernde und trotz allem verdammt tanzbare Platte ab. Da können wir froh sein, müssen wir wohl doch noch nicht gleich aufgrund von multiplem Organversagen die Löffel abgeben. Danke schön, weitermachen!
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