Through Love Records / VÖ: 19. Juli 2024 / Punk
knar.re
Text: David Spring
«Das Leben ist ein Hund», so sangen bereits WIZO vor vielen Jahren. Und die Terrorgruppe fragte anno ’96 «Hunde, wollt ihr ewig Leben?» Des Menschen bester Freund hat einen zwiegespaltenen Stand im Punk, denn trotz solcher Songs kann man sich viele alteingesessene Punker:innen am Bahnhofszoo ohne ihre vierbeinigen Kumpanen kaum vorstellen. Und schaut man sich den fröhlichen, kleinen Kläffer, der auf dem Cover der neusten Platte «Hundeleben» von Knarre auf dem Rücken eines Pferdes stehend in den Horizont blickt, so kommt Hoffnung auf.
Knarre sind eine relativ junge Band aus Berlin, die sich nach dem 2018 erschienenen Debüt «Eiscafé Venezia» ordentlich Zeit für den Nachfolger liess. Der Sound ist wohlig im Punk zu Hause, könnte aber auch als Emo mit Post-Hardcore Elementen bezeichnet werden. Schnell auffallen wird die Stimme von Sänger Daniel, der mit seinem rauen, heiseren Schreigesang an den grossen Felix Schönfuss zu Frau Potz-Zeiten erinnert. Seine Performance ist es, die den Songs dieses wunderbare Gefühl von überwältigendem und doch hoffnungsvollem Weltschmerz verleiht.
Der ruppige Opener «Brandenburg» liefert all diese Elemente und holt dich sofort ab. Knarre kreieren eine Atmosphäre, die dich nostalgisch und schwermütig fühlen lässt und gleichzeitig nach Aufbruch und Weitermachen klingt. Die Vorabsingle «Der Ich» bietet vorzüglich postpunkigen Emo, der an Bands wie duesenjaeger oder No°rd erinnert, und bespricht die Sinnlosigkeit des Seins. Die Texte erschliessen sich nicht immer ganz einfach, was Raum zur Interpretation lässt und vorzüglich zum Klangbild passt. Am Ende des Tages geht es um die Liebe, um Hoffnung und darum, in all dem Chaos des Lebens einen Sinn zu finden.
Obwohl die Platte mit nur 24 Minuten Spielzeit rasend schnell vorbei ist, passiert in dieser Zeit unerwartet viel. Am meisten überrascht «Für Immer 2000», dass nur mit Gitarre und Gesang auskommt und den wohl schönsten Text des Albums aufweist. Andernorts gibt es in einem brachialen Song wie «Mall Of Berlin» sogar eine Trompete. Knarre verstehen es prächtig, dem Genre alles abzuverlangen und niemals Langeweile aufkommen zu lassen. «Oxytocin» ist geradliniger Emo-Punk mit einer wundervoll melancholischen Melodie und das abschliessende «Stillstand» haut gnadenlos rein. Mit einem unbequemen Trompeten-Outro und dem sich fast Mantra-artig wiederholenden Refrain verlangt dir dieser Track alles ab.
Doch am Ende bleibt die Hoffnung. Genau wie der kleine Hund auf dem Cover richten Knarre ihren Blick nach vorne, der Zukunft entgegen. Es ist nicht einfach und nicht immer schön, doch es muss weitergehen. «Hundeleben» ist ein feines Werk, das ermutigt, die Hoffnung nie aufzugeben und dank viel Talent und Kreativität seitens der Band auf ganzer Ebene überzeugt. Knarre machen vieles richtig, so bleibt nur zu hoffen, dass es bis zur nächsten Platte nicht wieder so lange dauert.