Band: Kind Kaputt
Album: Zerfall
Genre: Post-Hardcore / Alternative
Labels: Uncle M / Cargo / Believe
VÖ: 22. März 2019
Webseite: kindkaputt.de
Da ist es nun endlich: Das erste Album von Kind Kaputt. Nachfolger der vielversprechenden EP „Die Meinung der Einzelnen“, veröffentlicht vor gut einem Jahr, zeigt die inzwischen vierköpfige Band, deren Mitglieder aus Nürnberg, Eschwege, Dresden und Berlin zusammengefunden haben, ihr ganzes Können. „Die Meinung der Einzelnen“ machte ganz viel Bock auf mehr – und mehr ist „Zerfall“ allemal. 12 Tracks, gebündelt zu einem satten Konzeptalbum, unglaublich kohärent und zusammenhängend, ohne dabei Langeweile aufkommen zu lassen. Der alte Kaugummiautomat auf dem Cover lockt mit Süssem, doch die offenkundig düstere Stimmung lässt erwarten, dass diese Scheibe keine leichte Kost enthält.
„Zerfall“ erzählt die Geschichten junger Erwachsener auf der Suche nach dem richtigen Weg, mit der Frage im Kopf, was die Zukunft wohl bereitzuhalten vermag. Ein Porträt ihrer Generation, die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse zu Songs verarbeitet, besingt Kind Kaputt Hilflosigkeit, Getriebenheit, die Frage: Wann bin ich endlich angekommen? „Wie sich Existenz anfühlt, wenn man sie hinterfragt.“
Kleiner Exkurs: Dieses Thema, omnipräsent und scheinbares Phänomen der heutigen, schnelllebigen Zeit, findet sich nicht nur in Werken junger Künstler wieder. Für literarische Untermalung der Thematik zeigt US-Autor Paul Auster in „4 3 2 1“, seinem neusten Bestseller (Buchtipp!), dass auch im Amerika des 20. Jahrhunderts diese Suche nach dem richtigen Weg in ein erfüllendes und moralisch vertretbares Leben bereits von zentraler Bedeutung war. Wenn auch der Hintergrund – politisch, wirtschaftlich, kulturell – der Situation des heutigen Europas in vielen Aspekten unähnlich sieht, das Erleben und Durchleben von Veränderungsprozessen und Entwicklungsschritten junger Menschen scheint sich über die Jahre nur wesentlich zu verändern. (Um das Thema noch theoretisch zu verankern: Bereits Erik Erikson oder Robert Havighurst beschreiben in ihren Modellen menschlicher Entwicklung gewisse grundlegende Entwicklungsaufgaben und -schritte, wobei im jungen Erwachsenenalter Identität und Intimität, der Aufbau eigener Wertesysteme sowie die Entwicklung einer Zukunftsperspektive vordergründig erscheinen.)
Doch zurück zum Wesentlichen. „Zerfall“, düsteres Porträt der heutigen Zeit, ist keine leichtbekömmliche Kost. Die Texte zielen dahin, wo’s weh tut, und treffen. „Und morgen, morgen, morgen fällt es uns sicher leicht – nur heute eben nicht.“ („Morgen, Morgen“). „Zerfall, Zerfall, bring mich zu Fall. Du kommst so leise und dann bist du überall.“ („Abschied“). „Und wir tanzen so leicht, weil wir nichts vom Theater verstehen.“ („Der graue Mann“). Das Album punktet aber nicht allein durch Konzept und lyrische Ausarbeitung, musikalisch ist „Zerfall“ das, worauf sich nach „Meinung der Einzelnen“ hoffen liess. Dabei scheint es, als habe Kind Kaputt sich weiter verfestigt und gefunden, jeder einzelne Song auf dem Album bietet einen gewaltigen Wiedererkennungswert. Der Gesang – mal greller Schrei der Wut, mal annähernd tröstend und sanft, oder monotoner Sprechgesang mit Gänsehaut-Effekt. Dazu sparsamer und gekonnter Einsatz von Effekt-Spielzeug und jede Menge Kraft von der instrumentalen Front.
Ab Mai ist Kind Kaputt auf so mancher Bühne deutscher Grossstädte live zu erleben. Das sollte man sich, bei Gelegenheit, nicht entgehen lassen. So viel steht fest. Denn dass Kind Kaputt absolute Abreissstimmung zu Stande bringen, daran lässt „Zerfall“ keinen Zweifel. Was als Nächstes noch kommt? Lässt sich hoffen, noch so manches.
Tracklist:
1. Aufgelöst/Vorwort
2. Besteck
3. Morgen, Morgen
4. Schwertschlucken
5. Geisel
6. Unterholz
7. Vermeiden
8. Abschied
9. Schuld
10. Der graue Mann
11. Eingeständnis
12. Akzeptieren
Tracklist:
Johannes Prautzsch – Gesang und Gitarre
Mathis Kerscher – Schlagzeug
Konstantin Cajkin – Gitarre
Fabian Willi Simon – Videos, Fotos undsoweiter
Gründung:
2016
Text: Sarah Rutschmann