Noisolution / VÖ: 3. März 2023 / Prog Rock
kaskadeur.net
Text: David Spring
Berlin ist immer wieder für eine Entdeckung gut. Aus der Hauptstadt gibt es einen schier unaufhaltbaren Strom spannender, innovativer und vor allem guter Musik. Jüngstes Beispiel: Kaskadeur! Das Vierergespann spielt unverschämt eingängigen Prog Rock mit allerlei Einflüssen und hat nun mit «Phantom Vibrations» ihr zweites Album am Start.
Der Opener «Bubble Burst» tritt mit der Tür ins Haus. Ein beinahe Math-Rock-artiges Riff, komplizierter Rhythmus, angereichert mit sexy Bass und noch verführerischer Synth-Orgel. Das geht ab und schnell zeigen Kaskadeur, dass sie Meister darin sind, den musikalischen Wahnsinn zu zelebrieren, ohne je komplett den Faden zu verlieren. Es folgt «All Comes From Nothing». Ein Track, der unerhört groovend daher-rockt und mit seiner verspielten Piano-Melodie und dem coolen Refrain sofort im Gehörgang stecken bleibt.
Es ist beeindruckend, wie es Kaskadeur (was übrigens ein altmodischer Ausdruck für Stuntman ist) gelingt, die verschiedensten Einflüsse in ihrem Sound unterzubringen. «The Truth, The Curse, The Lie» vermischt Indie-Rock mit dem Vibe alter Reisezirkus-Schausteller. Das grossartige «Generation Absolution» wiederum ist poppig und rastlos, der Track erinnert an die hervorragenden Genre-Kollegen von Moon Tooth. Dabei gibt es ein wunderbares Orgel-Solo und ein genial durchgeknalltes, fuzziges Gitarrensolo. Was für eine Freude.
«The Post High Jitters» ist wohl der rockigste und härteste Song der Platte. Kaskadeur bringen hier ihre 70s-Classic-Rock-Seite zu vollem Glanz, die Hammond Orgel stets im Vordergrund. «An Opportunity Gone By» wiederum bringt noch etwas Psychedelic Rock in die Mischung und zelebriert die Stoner-Vergangenheit der Musiker. Und zu guter Letzt gibt es in bester Prog-Manier den obligaten Gaumenreiniger: «Movin’ Particles» ist ein fünfminütiges, instrumentales Jazz-Werk, dass das Talent und die Musikalität der Band eindrucksvoll unter Beweis stellt. Für manche vielleicht zu viel des Guten, meiner Meinung nach aber der perfekt stimmige Abschluss für dieses grossartige Album.
Kaskadeur sind wahrlich einzigartig. Ihre Musik genauso vielfältig, abwechslungsreich, unberechenbar und etwas verrückt, wie ihre Heimatstadt. «Phantom Vibrations» ist durchgedreht und kompliziert, aber vor allem ist es hervorragend komponierte und gespielte, moderne Rockmusik. Das Prog-Label wird Kaskadeur nur ansatzweise gerecht, denn sie haben es mehr als verdient, von allen gehört zu werden. Faszinierende Musik, sympathische Band, grossartige Songs und den nötigen Mut, ihr eigenes Ding durchzuziehen – was braucht es mehr?