Fat Wreck Chords / VÖ: 13. August 2021 / Folk, Punk
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Text: David Spring
Ein Todesfall in der Familie, eine Scheidung, eine abgebrochene Lagwagon-Tour und pandemiebedingte Existenzangst, die dazu führte, dass Joey Cape mit über 50 wieder zu seiner Mutter ziehen musste – 2020 war wahrlich kein angenehmes Jahr für den kalifornischen Punkrocker. Wie so oft aber im Leben eines Musikers führten solche Schicksalsschläge auch bei Herrn Cape zu überbordender Kreativität und schlussendlich zu „A Good Year To Forget“.
Spätestens seit seinem ersten Akustik-Album 2004, zusammen mit dem verstorbenen Tony Sly von No Use For A Name, war klar, dass Cape ein vorzüglicher Singer/Songwriter ist. Durch die cleveren Texte bei Lagwagon war er immer schon als begabter Wortschmied bekannt, sein akustisches Œuvre brachte eine bisher unbekannte Verletzlichkeit und Ehrlichkeit in den Vordergrund. Und wie der Name vermuten lässt, so zeigt sich Joey Cape auf „A Good Year To Forget“ noch intimer und introspektiver als zuvor.
Der titelgebende Opener malt ein resigniertes und konsterniertes Bild. Capes zerbrechliche Stimme offenbart intime Gedanken, die Instrumentierung simpel und auf das Wichtigste reduziert. Letzteres war weniger eine bewusste Entscheidung, sondern vielmehr Notwendigkeit. Da Cape von all seinen musizierenden Kumpanen abgeschnitten und in der Selbstisolation mehrheitlich komplett auf sich gestellt war, spielte er zwangsläufig sämtliche Instrumente selbst ein. Ein Soloalbum im eigentlichen Sinne, soweit sogar, dass er online Piano- und Lap Steel-Gitarrenlektionen besuchte, um den Songs das nötige Etwas verleihen zu können.
Genau das ist es, was „A Good Year To Forget“ so stark macht. Die Stücke sind einfach gestrickt, dadurch aber eingängig und nie langweilig oder monoton. Der Fokus liegt klar auf den Texten, schmerzlich ehrliche Tracks wie „The Poetry Of Our Mistakes“ oder das melancholische „Saturday Night Fever“ gehen unter die Haut. „Infertile Ground“ oder „Fictional“ wiederum sind zornige Beobachtungen und lamentieren Missstände der Welt, in der wir leben. Und im wunderschönen „Come Home“ bedankt sich Cape bei seiner Mutter, die ihren Sohn zu sich nach Hause holte und ihm nach all den Schwierigkeiten ein Dach über dem Kopf gab.
Mit Lagwagon schreibt Joey Cape seit Jahrzehnten unsterbliche Punk-Hymnen, doch seine wirkliche Qualität als hervorragender Geschichtenerzähler kommt erst richtig zur Geltung, wenn er die lauten Gitarren gegen eine akustische austauscht. „A Good Year To Forget“ zeigt einen grundehrlichen, nachfühlbaren und unabdingbar sympathischen Musiker, dessen Worte einen niemals kalt lassen. Voller Herz und Aufrichtigkeit liefert Joey Cape hier ein Album ab, das in diesen bizarren Zeiten vielen Hörer*innen aus dem Herz sprechen wird.