Datum: 29. Juli 2011
Geschrieben von: Cyril Schicker
Im Gespräch mit: Feldmarschall von Jesus And The Gurus
Jünger einschlagender Musik, Freunde beispielloser Texte, Geniessende extravaganter Selbstdarstellung, Fürsprechende konsequenter Karriereschritte: aufgepasst auf Jesus & The Gurus.
Musik zu hören, ist etwas vom Beseeltesten, das es gibt, vorausgesetzt, sie spricht einen an. Schreibt man darüber, ist es ebenso beseelend, selbst dann, wenn sie einem nicht sonderlich gefällt. Im letzteren Fall ist es gerade die damit verbundene Herausforderung, zumal persönliche Präferenzen hinten anstehen müssen, dafür die – oft fehlende – Objektivität auf Händen getragen werden muss. Diesen Spagat für einmal unbeachtet, es kristallisieren sich auch immer wieder schnieke Opportunitäten heraus, eine Band respektive ein Album zu rezensieren, die/das man samt und sonders mag, respektiert, dementsprechend sehr schätzt.
Diese leibeigene Huldigung hat nichts mit dem unsäglichen Star-Fuck zu tun, auch nicht mit dem nicht minder unsäglichen Groupie-Dasein. Nein, Jesus & The Gurus setzen neue Massstäbe, und das in verschiedener Art und Weise. Die Schweizer Ausnahmeband widersetzt sich jedweden Trends, setzt vollends auf Konsequenz, nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und schreckt folgerichtig nicht davor zurück, komplexe, heikle wie auch kontroverse Themen anzusprechen.
Dass Jesus & The Gurus nicht einfach nur „lässig“ sind oder „anders“ sein wollen, das verdeutlicht nachfolgendes Interview. Und es muss an dieser Stelle einfach wortreich untermauert werden: Gerade im wohligen Schoss Mutter Helvetiens ist es eine zweimalfeine Charaktereigenschaft, sich nicht kommerziell knechten zu lassen, Abstriche zu machen – und sich dementsprechend im Spiegel anschauen zu können, ohne dabei Blut zu kotzen.
Genug jetzt der (ehrlich gemeinten) Lobhudelei. Spieglein, Spieglein an der Wand, wie geziemt sich die beste Band im Land?
Wie ist der inzwischen 5. Silberling im Vergleich zu den bisherigen einzustufen?
Feldmarschall: Wut+Zorn=Revolution ist unser dreckigstes Album vom Sound her. Kurz gesagt ist es eine Mischung aus Oldschool Industrial, EBM und NDH. Ich muss aber sagen, dass wir mit jeder neuen Platte auch neue musikalische Wege beschreiten, dabei Jesus & The Gurus neu erfinden.
Ihr geltet als provokativ. Gewissermassen seid ihr das auch. Wo aber ist Provokation für euch förderlich, wo/wann wird es müssig?
Wie du es in der Frage implizierst, ist das Prädikat „provokativ“ einerseits Fakt, anderseits aber einfach auch nur mühsam. Inzwischen hasse ich es fast schon, haben wir doch einfach schon immer das gemacht, was mir haben machen wollen. Ob dies nun Provokation ist oder nicht. Wir hatten immer eine eigene Meinung, taten diese kund – und waren ehrlich. Ist dies förderlich? Hm, wohl eher nicht, einige Leute wollen nichts mehr mit uns zu tun haben, es werden sogar Konzerte abgesagt. Letzterem zum Trotz, es ist auf jeden Fall lustig und man lernt viel daraus. Bereuen tun wir nichts!
Nicht nur provokativ ihr seid, sondern auch beispiellos. Wo/wie seid ihr konkret eine Ausnahmeerscheinung?
Sowohl unsere Instrumente als auch unser Bühnenbild sind abnormal. Wir haben einen, allgemein ausgedrückt, eigenen Musikstil. Dazu gesellen sich unsere kompromisslosen Texte. Ja, am besten ist es sowieso, sich Jesus & The Gurus anzuhören – und selbst zu entscheiden.
Black Rain hat nun die 3. CD eurerseits veröffentlicht. Was bringt euch dieses Label, immerhin seid ihr nicht lukrative Hitparadenstürmer, die einfach hand zu haben sind?
Black Rain lässt uns einerseits viel Freiheit. Anderseits ist unser Label unkompliziert in der Zusammenarbeit. Es geht sogar soweit, dass Black Rain meine Partyreihe (Anm. d. Red. „STAHL DISKO“) unterstützt. Kurzum gesagt: Black Rain ist wie eine Familie, Bands wie Feindflug, Tyske Ludder, Tactical Sekt und FGFC820 sind quasi meine Geschwister.
Hierzulande seid ihr weitaus weniger bekannt als im Ausland. Gründe? Wo ist es anders und welches Land hättet ihr gerne erobert?
Du hast Recht, doch je länger je mehr sind wir auch in der Schweiz bekannt. In den vergangenen fünf Jahren spielten wir allerdings selten hier, dafür umso intensiver im Ausland. Wieso das so ist? Keine Ahnung. Aber Fakt ist, dass wir mit ausländischen Medien engeren Kontakt haben. Vielleicht deshalb. Doch du machst nun einen Schritt, dies zu ändern (Feldmarschall sichtlich vergnügt). Zu deiner Zweitfrage, nun ja, in Russland sind wir am populärsten, obwohl wir dort nie live aufgetreten sind. Wir erhalten viel russische Fanpost, darunter sind auch etliche Bands, die musikalisch ähnlich aufspielen wie wir. Kürzlich fragte uns übrigens auch eine (Black-Metal-)Band aus Deutschland an, ob sie ein Lied von uns covern dürften. Apropos Coverversion, Tyske Ludder hat ja bereits unser Panzer-Lied gecovert und damit einen Clubhit gelandet. Schliesslich aber ist es uns egal, wo wir bekannt sind, ob das im In- oder Ausland ist … Genau, ich vergass fast, doch was den von dir erwähnten Eroberungsfeldzug anbelangt: Russland. Wie gesagt, man kennt uns dort schon gut, doch mit Eroberung hat das noch nichts zu tun. Ich WILL Russland, nicht aber im Winter wie Napoleon und Hitler. Russland ist aber magisch, das will ich am eigenen Leib erleben.
Eroberungsfeldzüge hin oder her, welche Hauptaussage transportiert ihr mit Wut+Zorn=Revolution?
Ganz einfach: Ohne Mitleid in die Fresse hauen!
Was denkst du, wie fest könnt ihr in die Fresse hauen respektive welches Absatzstückziel verfolgt ihr?
Wir wollen auf jeden Fall mehr Platten verkaufen als es bei „Blood, Sweat and Tears“ der Fall war. Wir wollen nach den Sternen greifen.
Der Sternengriff soll euch gegönnt sein. Dessen ungeachtet geht ihr quasi Hand in Hand mit erneuerbaren Rohstoffen. Erzähl was darüber …
Wir denken grün, fürwahr, sind aber öfters blau. Nein, im Ernst, als Künstler haben wir nicht nur die Macht, sondern ebenfalls die Verantwortung, etwas für die dahinsiechende Welt zu tun. Wir sorgen uns nicht nur im normalen Leben um einen besseren Umgang mit der Umwelt, sondern behandeln das Ganze auch in unseren Texten. Es geht aber noch weiter – unser Label hat einen grossen Teil der CD-Produktion auf erneuerbare Rohstoffe umgestellt. Ich hoffe, andere Bands wie Labels ziehen nach …
Wie sieht euer kommende Tourplan aus, wo seid ihr wann zugegen?
Ab diesem Herbst sind wir wieder unterwegs. Deutschland, Polen, Frankreich und Holland sind die ersten Etappen. Wer weiss, vielleicht bereisen wir noch Serbien und Kroatien, diesbezüglich liegen bereits Anfragen auf dem Tisch. Weiters reden wir schon länger von einer USA-Tour, allerdings haben wir Probleme mit Visen und Gesocks.
In Bezug auf Kollaborationen lugt ihr gerne über die Schweizer Landesgrenzen hinaus. Richtig?
Genau. Für uns haben beispielsweise schon Das Ich, Feindflug, Blutengel, Lost Area, Cephalgy, Saalschutz Remixes gemacht. Jesus & The Gurus remixte unter anderem für Feindflug und Van Ludwig. Sehr, sehr gerne möchten wir mit Ministry und Laibach zusammenarbeiten. Laibach ist übrigens die Band, die uns am stärksten ähnelt.
Konzeptalben sind en vogue, weshalb mitunter schon fast jedes noch so dröge Album als konzeptionell angepriesen wird. Pfui Spinne. Wie steht ihr diesem (Un-)Ding gegenüber?
Ja, ich stimme mit dir überein, diese Konzeptalben sind einfach nur albern, wenn nicht gar Dreck. Wir machten 2006 mit King ov Salò ein Konzeptalbum, mit dem Hauptthema Macht. In jener Zeit haben wir zu den absoluten Vorreitern gehört. In der jüngeren Vergangenheit ist wie anfangs gesagt das Meiste einfach nur Schrott. Wir sind froh, dann zu mal eines gemacht zu haben, schreiten nun aber nicht mehr mit diesem Trend mit. Können wir auch nicht, vielleicht weil ich Linkshänder bin?
Okkultismus, Faschismus, Anarchismus, Machoismus, Tourismus, Apfelmus … Sag mir zum Abschluss, welche Art von „Mus“ euer Ding ist.
Faschismus stinkt. Unser Keyboarder Jesus 66+ ist Anarchist und Latino-Nigger in einem. Machoismus ist mir völlig fremd. Tourismus und Apfelmus finde ich gut, für Okkultismus habe ich keine Zeit.
Apropos Zeit, sie ist nun abgelaufen. Danke für das Gespräch, Feldmarschall!
Tracklist:
1) Sag mir, wo du stehst
2) Golgahta
3) In Sünde geboren
4) SOS
5) Verdun
6) Herrenrasse
7) Eisen und Blut
8 ) Der Rausch
9) Guantanamo
10) Gottlos
11) Mensch marschiere
12) Falluja
13) Wir schenken euch die Welt