Band: Jess Locke
Album: Don’t Ask Yourself Why
Genre: Singer-Songwriter / Alternative
Label: Dot Dash Recordings / Remote Control Records
VÖ: 26. März 2021
Webseite: jesslocke.com
Wir leben in einem von Zigarettenrauch vernebelten Grau, welches das Atmen schwer macht und uns mit der Frage nach dem Warum stehen lässt. In etwa so beginnt das dritte Album von Jess Locke und damit ist mehr oder weniger abgesteckt, wie viel Optimismus „Don’t Ask Yourself Why“ ausstrahlt. Natürlich ist der Albumtitel ironisch gemeint. „Give yourself a break“, singt Locke im Titeltrack und im Opener hält sie den Atem an. Der nächste Song heisst „Destroy Everything“. Das kann ja heiter werden. „So cut your piece of cake/ Till there is nothing left/ You take and take and take/ And then you call out theft“.
In diesem Stil geht es weiter und damit in einer gewissen Tradition mit Courtney Barnett, die ebenfalls in Melbourne zuhause ist. Jess Locke wählt jedoch im Gegensatz zu Barnett lieber kratzbürstigen Grunge, wie bei ihrer sachlichen Aufzählung, warum man besser kein “Fool“ sein sollte. „Say it even louder till everybody’s drowned out/ Doesn’t mean it’s any good“. Jess Locke schreit nicht rum, sie zerschneidet die dicke Luft mit ihrer scharfen Zunge. Das hat musikalisch zwar nicht immer die höchste Originalität, textlich aber schon.
Nach dem ersten Drittel richtet Locke den Blick ins Tierreich („Blowfish“) und gefühlt ein bisschen mehr nach innen, nur um dann mit „Dead And Gone“ die nächsten Spitzen auszuteilen. „Don’t Ask Yourself Why“ kommt ein bisschen einer Abrechnung gleich. Einer mit sich und der Welt. Das Video zu „Little Bit Evil“ führt den morbiden Reigen weiter und man ist auch ohne Cameoauftritte von Phoebe Bridgers oder Mark Oliver Everett unangenehm entzückt. Vorher aber schleicht sich noch eine kleine Perle unter die angriffslustigen Kleinode: Humorlos erklärt „Winner“ die Situation, wenn der Albtraum weniger schlimm ist als die Realität. Zusammen mit dem teuflischen „Little Bit Evil“ läutet Locke hier die stärkste Phase ihres neuen Albums ein.
In „Living For The Living“ sieht sich Locke auch bereits die Untoten wecken und spätestens jetzt ist klar, dass das hier nicht mehr gut ausgeht: „Brought up too polite/ I’m having trouble teething/ I used to be so kind/ But now it’s time to eat“. Dass sie danach im Duett mit Produzent Rob Muinos noch den mit Abstand besten Moment der Platte raushaut („Halo“), scheint fast logisch: Muinos hat massgeblichen Anteil an diesem sehr klugen Album. Und dann ist mit „Late Bloomer“ doch noch der eine eigenartige Hoffnungsschimmer da, eine Art Durchhalteparole oder Hommage an ein „Besser-spät-als-nie“. Trotzdem geht die Welt unter. Wenn Jess Locke am Schluss den einzig verzichtbaren Song „All Things Will Change“ anstimmt, ist das natürlich in jeder Hinsicht zynisch. Zusammen mit der Ironie des Albumtitels fordert die Australierin heraus, ohne laut zu sein und trotzdem wird sie sich damit Gehör verschaffen. Hoffentlich nicht „nur“ in ihrer Heimat.
Tracklist:
1. Tell Me I’m Okay
2. Don’t Ask Yourself Why
3. Destroy Everything
4. Fool
5. Blowfish
6. Dead And Gone
7. Winner
8. Little Bit Evil
9. Living For the Living
10. Halo
11. Late Bloomer
12. All Things Will Change
Bandmitglieder:
Jess Locke – Gesang und Gitarre
James Morris – Bass
Chris Rawsthorne – Schlagzeug
Text: Michael Messerli