Dackelton Records / VÖ: 20. Oktober 2023 / Punk
jackpott-band.de
Text: David Spring
Das hat man davon, wenn man ständig zum Durchbrechen sämtlicher Genre-Grenzen und Ignorieren der Regeln der Punk-Polizei aufruft. Auf einmal kommt da nämlich eine talentierte Gruppe junger Musikerfreunde daher, die nicht nur einen Synthie ins Zentrum ihres Sounds stellt, sondern die auch gleich noch Punk mit der Neuen Deutschen Welle mischt. Die Rede ist von Jack Pott aus dem beschaulichen Bad Schwartau im Norden Deutschlands und mit dem fantastisch betitelten «Hass Im Ärmel» steht uns bereits ihr zweites Album Haus.
Der Opener «Irgendwann vorbei» ist so kurios wie genial – man stelle sich Electric Callboy im Wartebereich der Euro-Mir im Europa Park vor. Ein fettes Riff, sympathische Stimme und ein unerhört eingängiger Keyboard-Lead. Was für ein Brett! Danach beweisen Jack Pott, dass sie das mit dem eingängigen Songwriting echt verdammt gut draufhaben, auch wenn sie im folgenden „4von10“ Understatement par excellence betreiben: «Ganz gut, nicht schlecht, doch ganz okay. Nicht neu, nicht echt, nicht eingängig, die Texte mehr als fragwürdig.» Mit dem wilden, frohgemuten Beat und massig guter Laune geht der Song hervorragend ab.
Auch das mit dem Humor beherrscht die sympathische Band. «Ce n’es pas une Scherz» vermischt französisches Chansonieren mit augenzwinkernder Verstümmelung der Sprache der Liebe. «Boomer Boomer», eine durchgeknallte Nintendo-Core-Abhandlung mit all den ewiggestrigen Schwurblern und Facebook-Kommentierern, überzeugt ebenfalls mit einem cleveren Text, obwohl die Thematik nicht ganz so witzig ist. Jack Pott scheuen sich nicht vor schwierigeren Themen. Das überraschend harte «Solang das Dschungelcamp noch läuft» behandelt die lethargische Ignoranz unserer Gesellschaft ob all dem menschlichen Leid aus den Nachrichten – sowohl inhaltlich wie musikalisch wohl das Highlight der Platte. Die fantastische Kollaboration mit der Hamburger Band TYNA in «Fass mich nicht an» wiederum ist eine gnadenlose und extrem wichtige Abrechnung mit toxischer Maskulinität im Alltag, von unangebrachtem Anbaggern über sexuelle Aggressionen bis hin zu Date-Rape-Drogen. Wohl kein Song macht auf «Hass Im Ärmel» so wütend uns betroffen, wie dieser.
Jack Pott liefern ein wundervolles, abwechslungsreiches Werk ab. Musikalisch geht es frisch und meistens gutgelaunt zur Sache, der Einsatz des Synthies funktioniert perfekt und fällt niemals negativ auf. Doch sind es vor allem die Texte, mit denen das Quartett überzeugt. Mit viel Wortwitz und mutiger Beobachtungsgabe sorgen diese dafür, dass Jack Pott sicherlich nicht als nur noch eine Punkgruppe mit Gimmick-Synthie abgetan werden wird. Ich prophezeie Grosses, die Band wird zukünftig noch viele Menschen von sich und ihren richtig starken Liedern überzeugen.