Findaway Records / VÖ: 7. Februar 2020 / Punkrock
itchyofficial.de
Text: David Spring
„Und was soll uns passieren?“ Dies fragten sich die netten Herren von Itchy wohl, als die Entscheidung fiel, sämtliche bekannten und viel erprobten Formeln hinter sich zu lassen und das neuste, achte Album kurzerhand auf Deutsch einzusingen. Das gute Teil hört auf den Namen „Ja Als Ob“ und klingt auch in ungewohnter Sprache so sehr nach Itchy, dass man sich fragt, wie die die drei das jemals anders gemacht haben.
Los geht es mit der ersten Single, „Faust“, ein Itchy-Punkrock-Kracher, wie man ihn kennt und liebt. Eingängiger Mitsing-Refrain, treibender Beat und tolle Melodie – ein Song, der live garantiert sofort zum Standard werden wird. Der darauffolgende Titeltrack „Ja Als Ob“ hingegen macht alles anders. Hier mischt sich ein knackiges Riff mit einem krass synkopierten Drum-Beat und sehr ungewohnten Gesangsrhythmen, genialer Song. Dazu ein witziger Text mit einem sehr grossen Augenzwinkern und einer gehörigen Portion Selbstironie. Itchy lehnen sich musikalisch schon beim zweiten Lied weit aus dem Fenster, die Zeiten einfacher Drei-Akkorde-Punksongs sind vorbei, dafür gibt es astrein kreierte Rock-Songs unterschiedlichster Couleur, Abwechslung pur und wirklich starkes Songwriting.
Auch das folgende „Godzilla“ ist ein weiteres Beispiel dafür. Der Song beginnt mit einem sehr coolen D’n’B-Beat und verhältnismässig ruhig, nur um im Refrain dann in einem epischen Refrain zu explodieren, sehr cooles Stück. Darauf folgt mit „Ich Wollte Noch“ einer meiner absoluten Favoriten auf dem Album, auf dem niemand geringeres als Sebastian Madsen mitsingt. Das Lied ist musikalisch eher „Standard“, fantastisch punkig treibender Refrain und geradlinig rockende Strophen, dazu ein grandioser Text, der so zeigt, wie gut Itchy auf Deutsch funktionieren. „Wir könnten uns ja mal vielleicht ‘ne Weile nicht sehen, so ein, zwei Leben lang, das wär’ nicht unangenehm.“ Absoluter Hit.
Das Konzept „bloss nicht stillstehen“ musste für Itchy beim Songwriting-Prozess ganz weit oben gestanden haben. „Ja Als Ob“ bietet viel Abwechslung, es ist eine wahre Freude. Lieder wie „Beyoncé & Jay-Z“ oder „Unser Lied“ zeigen diese Abwechslung sehr schön. Während ersteres ein moderner Mid-Tempo-Rocker mit einem witzigen Text zur negativen Medienwelt ist, ist letzteres eine wundervoll erwachsene Abhandlung über das Ausklinken von multimedialen Zwängen. Itchy wussten immer schon bestens, wie man Rock-Hymnen schreibt und das Publikum zum Tanzen bringt, sie beweisen das auf „Ja Als Ob“ eindrucksvoller denn je. Die ruhigeren und nachdenklicheren Stücke, die vor allem im zweiten Teil des Albums zum Scheinen kommen, zeigen die Band erwachsen und reflektiert. Dies steht ihnen wundervoll.
Sibbi, Max und Panzer haben hier etwas erschaffen, was nicht vielen Bands nach so langem Bestehen gelingt. Sie haben sich neu erfunden, haben ihre Grenzen neu ausgelotet, etwas gewagt und Alteingesessenes über Bord geworfen. Das Experiment ist auf ganzer Strecke gelungen, „Ja Als Ob“ ist vom ersten bis zum letzten Track ein hervorragendes Album geworden. Ich kann es kaum erwarten, diese neuen Songs live zu hören. Liebe Itchys, so darf es immer wieder sein, und gerne weiterhin auf Deutsch.