Datum: 23. Februar 2011
Ort: X-TRA – Zürich
Geschrieben von: Cyril Schicker
Im Gespräch mit: Alexander Veljanov und Ernst Horn
von Deine Lakaien
Indicator Tour 2011
Deine Lakaien sind noch immer das (Musik-)Mass aller Dinge. Die erfolgreiche Indicator-Tour vergangenen Jahres spricht eine deutliche Sprache. Und es verwundert nicht, dass das kultschwangere Göttergespann diesen Erfolgsstrick weiterknüpft. Von dieser Knüpferei profitiert natürlich auch Mutter Helvetia. Alexander Veljanov und Ernst Horn präsentierten sich im fast ausverkauften Zürcher X-TRA im besten Licht, liessen sich zuweilen frenetisch feiern und gaben sich während dem knapp zweistündigen Konzert keine Blösse. Das virtuose Duo griff auf die bewährte Quintett-Besetzung zurück. Der Auftritt wurde wundersam mit einem Klangteppich, Cello, Gitarre und Geige sei Dank, zugedeckt. Folgerichtig fiel einem denn auch ein wohliges Gefühl anheim.
Dass dieser Musikabend zur Gänze gelang, ist keine Selbstverständlichkeit, immerhin neigt(-e) sich ihre Tournee dem Ende zu, was eine gewisse Müdigkeit mit sich bringt. Alexander Veljanov zum Tournee-Alltag: «Wir waren in Deutschland, bereisten Österreich und sind jetzt in der Schweiz zu Gast. Das ist zwar schön, doch die ewige Autofahrerei nervt schon gewaltig. Erschwerend kommt hinzu, dass einem eine nicht immer wirtliche Tagesstruktur oktroyiert wird.» Er ergänzt: «Ich bin jetzt 46-ig. Je älter ich werde, desto nerviger und schlimmer es wird.» Auf die Frage hin, ob er sich jeweils am Tournee-Ende fühlt, als sei er gerade aus Omas Klamottenkiste gehievt worden, meint er lachend: «Oft ist es so, dass wenn ich auf die Bühne gehe, ich mich fühle wie 18. Heute kommt es mir allerdings vor, als sei ich 80-ig geworden.» Ein Programm als/zum Ausgleich nähme man sich jeweils vor, hätte allerdings kaum Zeit, dies dann auch richtig umzusetzen: «Die ersten Tage kriege ich es vielleicht noch gebacken, ein Buch zu lesen oder ins Museum zu gehen, rasch einmal wird man jedoch zu einem ferngesteuerten Roboter», so der charismatische Sänger mit der kongenialen Frisur.
Egal, ob Mensch oder Maschine, Deine Lakaien sind sympathisch, humorvoll, geerdet, redselig und sehr nahbar. Wie ist es diesbezüglich auf der Bühne, gibt es überhaupt Abende, an denen der Lakaien-Funken nicht auf die Zuschauer überspringt? «Das war früher vielleicht ab und an so, heute aber erleben wir so etwas kaum mehr.» Und in welchen Ländern werden Deine Lakaien förmlich auf Händen getragen?
Der inzwischen dazugesellte Klangkünstler Ernst Horn mit einer ländertechnischen Tour d’Horizon: «Holland, Frankreich und Belgien sind da schon merklich eher zum Feiern aufgelegt.» Veljanov ergänzend: «Ja, ich erlebe Süd- und Osteuropa als emotionaler als etwa Mitteleuropa.» Europa wurde Deine Lakaien aber längst zu klein, ihr Eroberungsfeldzug hat denn auch bereits globale Formen angenommen. Veljanov über die Schwelleländern China und Russland: «Das Reich der Mitte war sehr schön. Das Interesse war, irgendwie verwunderlich, enorm. Die sehen uns als Künstler, weniger als Musiker – obwohl das eine ja das andere voraussetzt. In Russland war das ähnlich, zuweilen gar ein wenig abstrus. Eine Garderobiere wies uns, um nur ein Beispiel zu nennen, als wir in der St. Petersburg Philharmonie waren, in die Schranken. Sie meinte, unsere Musik sei zu laut, das alles sei arg störend. Wir waren wohl die erste nicht-klassische Band, die dort aufgetreten ist. Die Empörung war hie und da doch offensichtlich. Doch das ist ja alles viel eher spannend denn unangenehm.»
Ungeachtet ihrer russisch-musikalischen Jungfernfahrt drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, wie gut man – aus monetärer Sicht – als Deine Lakaien überhaupt lebt. Klar, über Geld spricht man nicht (allerdings popelt man auch nicht in der Nase rum und dennoch machen es viele), doch die Neugierde gewinnt Oberhand. Alexander und Ernst, wie ist das nun? Lebt ihr in Saus und Braus? Werden euch Weintrauben zu Munde geführt? «Na ja, ich kann von der Musik leben. Doch jeder hat seine Ansprüche oder eben auch keine Ansprüche. Der eine fährt zum Beispiel Jaguar, der andere Strassenbahn, ich wiederum habe nur ein Fahrrad. Doch das ist gut so. Es ist eh alles relativ», Veljanov eher verhalten. Horn zeigt sich offenherziger: «Das darf man jetzt schon ein wenig konkretisieren. Seit es bei uns gut läuft, das ist seit anfangs 90-er Jahre so, haben wir das Niveau deutschen Mittelstandes. Wir können uns nicht beklagen, obschon es inzwischen ein bisserl harziger ist, da Plattenverkäufe auch bei uns rückgängig sind. Früher war der Plattenverkauf unsere ertragreichste Einnahmequelle, heute sind es die Konzerteinnahmen.» Wer weiss, vielleicht werden sich diese beiden Ertragsmöglichkeiten bald einmal die Waagschale halten, immerhin ist ihr jüngstes Album (Indicator) sehr gelungen. Veljanov pflichtet dem (natürlich) bei, führt eine sichtliche Zufriedenheit spazieren. Er über den mehr oder minder taufrischen Silberling: «Als wir damit angefangen haben, wussten wir nicht, ob wir überhaupt noch zündende Ideen haben oder nicht. Glücklicherweise haben wir sie noch. Mit dem finalen Werk haben wir uns schliesslich selber überrascht, positiv natürlich. Wir mussten nichts erzwingen, es ging alles relativ leicht von der Hand. Und das gehört wohl zum Schönsten, das man als Musiker erfahren kann.»
Wer nun denkt, das sei alles nur Geplapper, der soll sich ruhig dem 9. Studioalbum hingeben. Schnell sollte man merken, dass Veljanovs Worte keine inhaltsleere Phrasendrescherei ist. Schon nach den ersten Klängen folgt die Bestätigung auf dem Fuss folgt. Indicator ist ein exquisites Klangsammelsurium. Fürwahr. Deine Lakaien, lasst mich euer Lakai sein!