Datum: 26. Oktober 2011
Text: Cyril Schicker
Im Gespräch mit: Pat Wydler (Mephistosystem) + Sascha Wydler (Second Function)
Ist von populären Geschwisterpaaren die Rede, denkt man mehr oder minder gerne an Charlie Sheen und Emilio Estevez, an Igor und Max Cavalera, an Jan und Hubert van Eyck, an Mary-Kate und Ashley Olsen. In unseren Breitengraden ist das Brudergespann Pat und Sascha Wydler dabei, sich einen Namen zu machen – auch über die Landesgrenzen hinaus. Was für den einen Mephistosystem ist, ist für den anderen Second Function.
Cyril: Pat und Sascha, begebt euch mit mir in die Niederungen eines Vorstellungsgespräches. Als erstes möchte ich wissen, inwiefern eure Bands eine Daseinsberechtigung haben.
P.: Mephistosystem bietet dir all das, wonach du die letzten Jahre krampfhaft gesucht hast. Mephistosystem machen dich rundum glücklich. Mephistosystem sind ehrlich und rigoros. Na ja, rigoros tönt jetzt ein bisserl hart, kompromisslos trifft es wohl eher. Mephistosystem sind einzigartig. Du brauchst uns, du willst uns, du kriegst von uns nicht genug. Du musst uns dafür natürlich kennen, doch das ist nur eine Frage der Zeit.
S.: Wir von Second Function ziehen unser Ding schon seit Jahren so durch, wie wir es für Richtig befinden. Klar, das dürfte dem einen und anderen wie eine inhaltsleere Worthülse vorkommen, doch dem ist nicht so – gerade als Schweizer Band ist es nicht ganz einfach, derart eigenständig zu sein. Der Markt ist klein und Mutter Helvetia ist insbesondere aus musikalischer, internationaler Sicht nicht das Mass aller Dinge. Schliesslich gilt, das, was aus unserem Proberaum raus kommt, ehrlich gemeinte Musik ist. Und ich bin überzeugt, es das spüren unsere Fans.
Cyril: Weiters nimmt es mich wunder, weshalb ihr nicht gemeinsam eine Band ins Leben gerufen habt. Seid ihr von des anderen Skills jeweils zuwenig überzeugt?
P.: Das ist eine gute Frage. Es hat sich schlichtweg irgendwie nie ergeben. Sascha ist nicht nur mein jüngerer Bruder, sondern auch schon länger (semi-)professionell im Musikgeschäft – einmal Second Function, immer Second Function?! – aktiv und machte sein Ding. Meine Karriere als Musiker hingegen begann rund zwei Jahre später als Gitarrist (Anm. d. Red.: die Alternative-Rockband Soul Strip). Damals bestrittenen wir noch viele Konzertabende gemeinsam und probierten seit jeher, uns in des anderen Projekts zu unterstützen. Mit Saschas Skills als Bassist haben die verschiedenen Bands nichts zu tun, bei der Wahl eines Bassisten würde meine persönliche Entscheidung jedes Mal auf ihn treffen. Er ist sehr talentiert, aber mit Second Function halt auch über beide Ohren ausgelastet. Aber wer weiss, vielleicht gibt’s ja doch irgendwann eine Bruder-Band. Never say never (er lachend)!
S.: Viel habe ich da nicht anzufügen. Es hat sich effektiv nie ergeben. Das heisst, geplant war mal ein kleines Fun-Projekt, aber wie Pat sagt, wir sind beide mit unseren Bands bereits stark ausgelastet, da liegt eine derartige Kollaboration zur Zeit nicht drin. Doch was mein Bruder nicht erwähnt hat, ist der Fakt, dass wir, also beide Bands, vom Songwriting hin zum Booking, Management und über die Organisation der CD-Pressung sowie Booklet-Design alles selber machen. Da ist die Zeit echt knapp neben einem 100-Prozent-Job-Pensum.
Cyril: Ok, ihr Racker. Ist der Name Wydler immerhin bereits Synonym für Erfolg respektive was sind eure grössten Erfolge und wenn wir schon beim Erfolg sind, welch’ nächster Erfolg anvisiert ihr?
P.: Das Wort Erfolg ist „geflügelt“ und immer relativ zu betrachten. Aber ich denke, was den Namen Wydler ausmacht ist, dass, sowohl Sascha als auch ich selber, was immer wir angehen, mit Passion sowie Begeisterung tun – und dies auch nach vorne bringen können. Alles, was wir je in unserem Leben getan haben, wurde aus dem Nichts aufgebaut. Ich spreche da einerseits von unserer Band, anderseits von unseren Partys sowie Radioshows. Dabei konnten wir nie auf grosse Unterstützung bauen. Wohin wir all das nun gebracht haben, kann man sehen. Es hat sich etabliert. Doch natürlich ist das Etablieren ein erstes Ziel. Jetzt strebe ich nach mehr, den Traum (des ganz grossen Erfolgs) gebe ich nie auf. Dabei bin ich mir aber bewusst, dass ich das nur bedingt selber steuern kann. Hierbei komme ich wieder auf die Relativität zurück, sehe ich doch mein grösster Erfolg darin, das tun zu dürfen und können, was ich mit Tatendrang, Spass und Energie tu. Ebenfalls als Erfolg taxiere ich die damit verbundene Lebenserfahrung. Sprich, diese Entwicklung mitzuerleben beziehungsweise zu steuern, mal schneller, mal langsamer (aber stets nach vorne) prägt einen. Ja, schliesslich gilt: Stillstand ist Rückschritt. Und Rückschritt ist todgeweiht.
S.: Ja, Pat hat es anfangs angetönt. Hier kristallisiert sich die Frage nach der Definition von Erfolg heraus. Ich denke, es gibt eine ganze Menge, worauf wir stolz sein können. Und genau das werte ich als grossen Erfolg. Wir hatten mit Second Function beispielsweise die Möglichkeit, in einer völlig fremden Kultur, die japanische, Konzerte zu spielen. Mir wurde überdies die Ehre zuteil, mit Luk Zimmermann von Lunik ein Album zu produzieren. Und für die aktuelle CD konnten Second Function nach England fliegen und dort mit einem der gefragtesten Produzenten in unserem Genre die Platte einspielen. Dies ist mitunter auch ein Samen, der unsere Erfolgspflanze zum wachsen bringt – und keinesfalls derart gedeihlich sein muss. Wir sehen so was nicht als selbstverständlich, sicher aber als Erfolgsbaustein.
Cyril: Lassen wir nun Todgeweihtes und Samentechnisches beiseite, wenden uns dem Film zu. Sowohl Mephistosystem als auch Second Function ist den Kinderschuhen entwachsen. Mit der Erfahrung werden natürlich auch Begehrlichkeiten geweckt. Hättet ihr die Möglichkeit, einen OST beizusteuern, welcher Film täte hierzu ins Bild passen?
P.: Wow, das ist nicht ganz einfach. Eine solche Frage wurde mir noch nicht gestellt. So oder so, ich denke, Batman passt perfekt. Da ist dieser einsame Rächer der Nacht, der gegen alles und jeden kämpfen muss, um sich durchzusetzen, in dieser Rolle aber vonseiten Bevölkerung ambivalent daherkommt, im sozialen Leben wiederum angesehen und respektiert wird. An seiner Seite ist der Sidekick Robin, der seine Vision teilt, versteht und vollends unterstützt. Mephistosystem fühlen sich zwar nicht wie ein Sidekick, doch steht man auf der Bühne, so fühlt man sich schon ein bisschen wie ein Superheld (Patrik lacht schalkhaft).
S.: (Und auch Sascha grinst) Boah, welch’ schwierige Frage. Bei uns spielt das gewisse „Augenzwinkern“ immer eine grosse Rolle. Deshalb ist das ziemlich schwer, so klar einen Film zu definieren. Eine gewisse Action müsste drin sein, eine Prise Witz ebenfalls. Ich denke, für einen „Back To The Future 4“ wären Second Function sehr wohl zu haben!
Cyril: Fantasy-Filme also. Was für viele Fantasie bleibt, ist für euch Realität. Als Vorband seid ihr schon für fantastische Musikgrössen aufgetreten. Welche Musiknotenvirtuosen haben es euch angetan?
P.: Ich blicke ja nun auf eine musikalische Karriere zurück, die auf zwei Bands und auf rund 15 Jahre fusst. Als ich damals noch in meiner alten Band die Fäden zog, spielten wir Shows mit Stone Sour und Alter Bridge. Corey Taylor (Anm. d. Red.: Lynchpin von Stone Sour und Slipknot) hat mich als Mensch und Künstler sehr beeindruckt. Seine „Down-To-Earth-Art“ ist beeindruckend. Er ist ein Kumpeltyp mit hohem Unterhaltungswert. Auch die Jungs von Alter Bridge respektiere ich. Das sind Multimillion-Seller-Musiker, die des Erfolgs zum Trotz normal geblieben sind. Arroganz ist ein Fremdwort. Und Mark Tremonti, man kann über Creed sagen, was man will, aber Mark ist ein verdammt guter Gitarrist. Da habe ich schon mit manch, anderen gespielt, die in ihrem Leben nie derartiges erreichen werden – ausser Allüren, die auf keine Kuhhaut passen.
S.: Grundsätzlich ist es uns extrem wichtig, mit welchem Respekt man sich gegenüber tritt. Diesen Respekt haben wir vor allem bei Künstlern wie Biffy Clyro, Twin Atlantic und auch Ash gespürt. Für mich persönlich war die Deutschland-Tour mit Twin Atlantic besonders spannend. Dies einerseits aus Sympathie und anderseits sind sie sehr gute Musiker.
Cyril: Wie kommt man zu solchen musikalischen Handküssen und wie sehr haben euch diese Auftritte an Popularität verschafft?
P.: Vor so namhaften Bands eröffnen zu dürfen, funktioniert nur mit harter Arbeit und dem richtigen Netzwerk. Dein Produkt muss bis ins Detail gut sein und dann musst du natürlich einen Weg finden, wie deine Musik von den richtigen Leuten gehört wird. Der Rest ergibt sich dann von selbst.
S.: Wie Pat sagt, in erster Linie ist harte Arbeit wichtig. Immer dran bleiben, kennen wer auf Tour ist, und das richtige Netzwerk stricken wie auch ausnützen. Das ist Gold wert. Aus dem anfangs erwähnten Samen (Anm. d. Red.: Antwort auf Frage 3) mausert sich ab und an eine bezaubernde Blüte, so zum Beispiel, als wir von Ben (Drummer von Biffy Clyro) selber kontaktiert, um Second Function als Support zu gewinnen.
Cyril: Wo kommt eure Musik eher zur Geltung, live oder konserviert?
P.: Ich denke, das liegt immer im Auge des Betrachters. Live haben wir eine Chance, die Energie unserer Musik visuell umzusetzen. Das schaffst du mit einer Platte alleine nicht. Dieser visuelle „Zusatz“ kann die Intensivitätsspirale zuweilen in sphärische Höhen schrauben. Allerdings kann es auch ins Auge gehen, denn man hat nur eine Chance. Ist’s gut, so fällt man speziell auf. Ist’s unbefriedigend, so hat man den (potenziellen) Fan für immer verloren. Auf einer Platte hingegen hast du eher die Möglichkeit, kleinste Details herauszuhören. Diese Details kann man bei der Produktion akribisch herausarbeiten und einbetten. Überdies kann der Hörer sich eine Platte mehrmals herhören und seine Meinung ändern – positiv wie negativ. Deine Frage werte ich als unentschieden.
Cyril: Wart mal ab, deine Bruderhälfte kann noch entscheiden (Art-Noir setzt eine Million Franken, ähm, Notenschlüssel auf „Live“) …
S.: Wir waren immer schon eine Live-Band (Anm. d. Red.: HA, ist Art-Noir nun reich?). Klar, auch in konservierter Form wird man uns geniessen und mögen. Doch die Power, die in uns dreien steckt, sie kommt besten auf der Bühne vor Publikum rüber. Zudem betten wir Live auch gerne mal einen kleinen Jam-Teil in den Songs ein oder stellen das komplette Set 10 Minuten vor der Show auf den Kopf. Das macht es für uns jeweils aufs Neue packend, aber auch das Publikum erfreut sich ob solchen Überraschungen. Mit unserem aktuellen Album „Dry, Crisp & Bittersweet“ haben wir es aber geschafft, diese Live-Power auf einen Silberling zu pressen. Die Platte ist demnach eine gute Vorbereitung für den Zuhörer, was er am Konzert doppelt und dreifach um die Ohren geschmettert kriegt (Anm. d. Red.: Danke für diese – berechtigte – Art von PR!).
Cyril: Ähm und ja, wie beschreibt ihr euren Stil denn eigentlich? Steckt euch gleich mal selber in die Kategorienschublade …
P.: Ach, wie ich Schubladen liebe. Und damit zusammenhängend der Sarkasmus. Idealerweise nenne ich unsere Schublade schlicht und einfach Mephistosystem, aber damit kann ja keiner was anfangen. Der Einfachheit legen wir uns, ungefaltet natürlich, in die Alternative-Industrial-Rock-Schublade.
S.: Ja, das kann ich unterschreiben, meine Lieblingsfrage schlechthin (Anm. d. Red.: Wäre dir die Frage, ob du nackt schläfst, wenn es des Nachts kälter ist als Draussen lieber?). Wenn du dir unser Album anhörst, dann merkst du, dass unsere Songs doch teilweise stark im Stil auseinander driften. Für den Hörer ist das nicht immer einfach, wir aber sind überzeugt von dieser Vielfältigkeit. Und wir sind weiters überzeugt davon, einmal mehr komme ich auf eine deiner Frage respektive auf eine meiner Antwort zurück, dass diese Art von Ehrlichkeit oder Überzeugung oder Offenheit etwas ist, dass unsere Fans – auch auf lange Sicht hinaus – respektieren. Es nützt ja nichts, sich als Band zu verbiegen und etwas abzuliefern, das nicht aus dem Herzen herauskommt. Konkret erwidere ich auf deine Frage mit Rockmusik, die von melodischem Gesang getragen wird.
Cyril: Ein bisschen, vielleicht auch zwei bisschen, Wydler tut dem Musikaficionado gut. Wie kommt er zur nötigen Wydler’schen Dosis?
P.: Wenn jemand das volle Wydler-Package haben will, dann sollte man sich mit allen unseren Alben eindecken, sich regelmässig auf der Website www.mephistosystem.com zu zeigen, sich an unseren „Rascal Night Parties“ blicken lassen und unsere Rascal-Radio-Radio-Show hören (www.littlerascals.ch). Daneben gibt’s natürlich noch Social-Media-Kanäle wie Twitter, Facebook und Youtube, denen wir uns bedienen.
S.: Jawohl! Unsere Webseite www.secondfunction.com sowie unsere Facebook-Herberge www.facebook.com/secondfunction bettet einen immer wohlig und aktuell. Unsere Shows werden übrigens regelmässig auf Youtube gestellt. Soziale Medien sind uns alles andere als ein Dorn im Auge. Apropos, selbst unsere während der Japan-Tour geschriebenen Tagebücher kriegt man dort zu sehen.
Cyril: Einmal Werbung, immer Werbung! Abschliessend kriegt jeder von euch den PR-Persilschein. Preist euch sec an, macht prägnant Werbung, setzt euch gekonnt in Szene …
P.: Als erstes sollte man sich unseren aktuellen (Youtube-)Video zum Titelsong „Move The Clouds“ ansehen. Hat man sich vom Staunen der wunderschönen Bilder und guter Musik erholt, gibt’s nur noch eins zu tun: kaufen.
S.: Wenn schon Patrick von Video spricht, möchte ich ihm in Nichts nachstehen. Unsere Single „A New Beginning“ findet man (auch) auf Youtube. Dieser Song ist natürlich auch auf unserem jüngsten Album drauf. Ein Plattenkauf ist Pflicht, alleine schon deshalb, damit man beim nächsten Konzert mitsingen und eine gute Zeit mit uns teilen kann.