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Band: Ill Niño
Album: Dead New World
Label/Vertrieb: AFM
Veröffentlichung: 29. Oktober 2010
Website: www.illnino.com
Geschrieben von: Cyril Schicker
Ill Niño wirft eine Portion kommerzielle Berechenbarkeit sowie eine Portion Souveränität in die Waagschale. Das bestehende Gleichgewicht ist in diesem Fall aber nicht unangenehm, sondern einlullend. Auch wenn zuweilen – verdammt, was ist nur los mit dieser Melodiegeilheit? – der eine und andere radiokompatible Wohlklang Überhand nimmt, Ill Niño schafft es, mit „Dead New World“ zu überzeugen. Ohne zuviel hineininterpretieren zu wollen, doch das US-Metalgespann unterhält, lädt ein zur kurzen Weile und fesselt oft.
Ein Smashing-Pumpkins-Cover ist sogar noch mit von Partie und ja, die Amerikaner „replizieren“ hervorragend. An dieser Stelle sei noch ein an die Plattenfirma ausgesprochenes Dankeschön ausgesprochen, denn originale Silberlinge, wie man es von früher kennt, sind zwar der Zeit hinterherhinkend, aber herzlich willkommen, selten und originär. Dieses aufkeimende „Ja-mit-diesem-Login-kannst-du-dies-und-jenes-Lied-herunterladen“ ist Frevel und gehört vom Blitz getroffen. Und gerade dieser Blitz soll jene erleuchten, die stets jammern, es spiele sich zunehmend alles in der virtuellen Welt ab.
Doch Rückgrad lässt sich da nicht kaufen und das Pharisäertum ist doch eher eine Sache des Himmels. Himmlische Blitze und blitzender Himmel hin oder her, die Aufmerksamkeit gebührt hier Ill Niño. Sie haben die Sympathie scheinbar gepachtet. „Dead New World“, nur als sympathisches Beispiel, wurde unter anderem im Studio Hoboken – Hoboken ist der verballhornende Ausdruck für so ziemlich alles, was verballhornt gehört – aufgenommen. Grossartig. Grossartig ist überdies die Danksagung des Bassisten Laz Pina: „ … would like to thank to my inspiration always.” Nix da mit halbseidenen Anerkennungsejakulaten. Im unwirtlichen Kontrast steht dafür folgender (Diego Verduzco, Gitarrist) Erguss: “It’s a sad thing not to have friends, but it is even sadder not to have enemies.”
Ja, ja, ja, das ist einfach nur seicht und läppisch. Die Chartstürmer aus Übersee sind wahrlich nicht frei von Fehl und Tadel, doch ihre Nähe zu Pro Pain, Sepultura, Suicidal Tendencies, Obituary, Agnostic Front, Deftones sowie Napalm Death wirkt sich positiv aus. Ill Niño, in den Kinderschuhen steckend hiessen sie noch El Niño, ist durchaus gelungen und eine Freude für jene, die mit Nu Metal „Hand in Hand gehen“. Ok, diese Genre-Zuweisung soll jetzt nicht ad absurdum geführt, dennoch mit einer kritischen Farbe bestrichen werden. Denn wer schon Pro Pain, Sepultura, Suicidal Tendencies, Obituary, Agnostic Front, Deftones sowie Napalm Death als Einfluss geltend macht, der hat eine Chance mehr als nur verdient.
Verdient haben Ill Niño auch die Aufmerksamkeit. Kauft diesen Silberling also ohne schlechtes Gefühl, das (noch) taufrische Jahr wird damit sehr gut eingeläutet. Wer (noch) kritisch ist, der muss sich nicht selber geisseln. Nein, der kriegt eine erste Hörprobe am 3. April 2011 geliefert, sofern er denn auch an das Konzert im Zürcher Dynamo geht. Es ist also (noch) nicht zu spät. „It’s never enough“ singen Ill Niño auch im letzten Lied der aktuellen Platte, insofern geben wir uns damit wohl beide irgendwie-irgendwo die Klinke in die Hand. So oder so, Track 9 gehört zu den besten, ebenso der Folgesong: „Rapture, father. You make our bed in suffering. You want it all, it’s all for you. So make us weak, it’s what you do …” Hart, aber herzlich.
Tracklist:
1. God is for the dead
2. The art of war
3. Against the wall
4. Mi revolucion
5. Bleed like you
6. Serve the grave
7. You were me
8. Ritual
9. Killing you, killing me
10. How could I believe
11. Bullet with butterfly wings
12. Scarred