Interstellar Pulse / VÖ: 15. Dezember 2023 / Black-Metal, Post-Metal
Facebook
Text: David Spring
Der globale Norden wird in Musikkreisen gerne mit harten Klängen assoziiert. Da gibt es unzählige Bands, die uns immer wieder mit heftigen Nackenbrechern beehren, wohingegen im Süden vielleicht eher poppigere Songs vorherrschen. Natürlich aber stimmt das höchstens auf den ersten Blick, denn freilich weiss auch die südliche Hemisphäre, wie man rockt. Ein beeindruckendes Beispiel dafür sind Hyperaustra, eine Post-Black-Metal-Band aus Argentinien, deren Debütalbum «The Fall Of All Pride» mit solchen Klischees rigoros aufräumt.
Der Süden ist der Band äusserst wichtig, bedeutet ihr Name doch soviel wie «über den Süden hinaus» und lehnt sich an die griechische Mythologie an. Da gab es im hohen Norden die Insel Hyperborea («über den Nordwind hinaus»), die von langlebigen Riesen bewohnt wurde. Später nahm sich Nietzsche diesen Legenden an und schuf daraus sein berühmtes Konzept des Übermenschen, welches bekanntlich im 3. Reich schrecklich missinterpretiert wurde. Black Metal und Nazi-Symbolik sind bekanntlich keine gesunde Kombination, doch keine Sorge, Hyperaustra bedeutet schliesslich genau das Gegenteil von Hyperborea. Die Band zelebriert den Süden und alles, was dazugehört. Sie positionieren sich zudem klar anti-faschistisch und pro-LGBTQI, was immer angenehm erfrischend ist.
Hyperaustra haben mit «The Fall Of All Pride» ein eindrückliches und erdrückendes Album geschaffen. Der Opener «The Tree Of Knowledge» beginnt bedrohlich ruhig, bevor tonnenschwere Riffs über uns hereinbrechen. Die Black-Metal-Atmosphäre ist allgegenwärtig, rabenschwarz und vernichtend, doch mischen sich viele Elemente aus Doom und Sludge in den Mix ein. «Inherit The Wind» zieht das Tempo etwas an und schielt, abgesehen von der vernichtend tiefen Stimme des Vokalisten und den gelegentlich Tremolo-Gitarren, beinahe in Richtung Post-Hardcore. Es passiert unglaublich viel und Abwechslung wird grossgeschrieben.
Als krasser Gegenpol zu diesen ersten beiden Songs steht «Lustful Starvation», ein atmosphärisches Instrumental, dass trotz der nur auf Gitarre und Bass reduzierten Instrumentierung, unglaublich Stimmung erzeugt. Das Herzstück der Platte ist «Dissent», dessen Inhalt von den bisher eher ätherischen Themen abweicht – und Inspiration in der Poesie von William Blake sucht. Die proto-anarchistische Weltanschauung Blakes ist ein grossartiger Nährboden für diese beeindruckende Musik. Entsprechend gewaltig und alles einnehmend ist der Track, kolossal und faszinierend.
Hyperaustra sprengen gekonnt sämtliche Genre-Vorschriften und schnitzen sich ihre ganz eigene Nische aus den Rahmenbedingungen des (Post-) Black Metals. Das Resultat ist schwer und melancholisch, niemals aber zu erdrückend oder hoffnungslos. Die verkopften Themen verleihen den Songs die nötige Tiefe, lassen aber auch die instrumentalen Stücke umso mehr scheinen. Am Ende des Tages ist «The Fall Of All Pride» ein gewaltiges, äusserst überzeugendes Werk einer Band, die uns hoffentlich noch lange solch düstere, bezaubernde Klangbilder malen wird.