
Eigenveröffentlichung / VÖ: 29. Oktober 2025 / Punk
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Text: David Spring
Ei der Daus, Gabionenzäune und Yachtsport? Fichten, Borkenkäfer und Enten‽ Die Wohlstandsverwahrlosung der gemeinen Vorstadt-Punks schreitet mit riesengrossen Schritten voran. Ja, es scheint düster um unsere Gesellschaft zu stehen. Höchste Zeit also, um mal wieder einen Blick in die Welt der Potsdamer Vorzeigepunks von Günther And The Jauchs zu werfen.
Die Band mit dem schönsten Namen der Welt hat nämlich ihr erstes Album am Start, welches auf den gar irritierenden Titel «Faszination Yachtsport» hört. Schon das Cover-Artwork verspricht frohgemute Lagerfeuermusik mit lieben Kinderreimen und Heile-Welt-Gesängen. Genauso klingt der Opener «Babymann». Wer ein GATJ-Album mit Doublebass-Attacken und wüsten Growls auf der jährlichen Punkrock-Bingokarte hatte, wird sich freuen, denn der chaotische, hasserfüllte Track bietet nicht nur das, sondern auch eine erbarmungslose Abhandlung mit der Szene und einigen ihrer zurückgebliebeneren, ewig grenzüberschreitenden, immer männlichen Protagonisten. Die Günnies sind wütend, holla die Waldfee. Wo früher noch gelegentlicher Galgenhumor oder ein wohlwollendes Augenzwinkern zu finden waren, ist nun Schluss mit lustig.
Okay, «SG4EVA:3» könnte die Ausnahme sein, stünde diese nostalgische Liebeserklärung an die Spice Girls nicht zwischen dem längsten Song der Bandkarriere, dem mit über vier Minuten sämtliche Grenzen des Aushaltbaren sprengenden «Bluepilled Soyboyz», sowie dem dystopischen Herzstück der Platte, «Oh Herz, du Gabionenzaun». Ersteres ist eine hoffnungslos ambivalente Warnung vor der Übernahme der Weltherrschaft durch KI: «ich werde lieber von einer KI regiert als von einer narzisstischen Fleischperson. Jede Zeit ist besser als die Gegenwart.» Günther And The Jauchs toben sich gnadenlos aus und schreien, zetern und hackwerken sich durch eine beinahe progressiv anmutende Komposition allererster Güte. Die als Anti-Ode an den monströsen, aus Metallgitter und Steinen gefertigten Zierzaun getarnte Metapher für Depression wiederum ist so bewegend wie beängstigend. Trotz Rammstein-Zitat und Engelschören ist es der vielleicht wichtigste Text der Platte, der das blanke Grauen dieser erbarmungslosen Krankheit schmerzlich und ehrlich einfängt. Dieser Song ist alles, was du dir von dieser Band je erhofft hast.
«Faszination Yachtsport» wirklich in sinnstiftende Worte zu fassen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Selten machte sich ein Album so dermassen unbequem. Ein Liebeslied an alle Anatidae in den Tümpeln, Teichen und Himmeln dieser Welt gibt es mit dem schlicht betitelten «Ente», ein Hasslied an das Patriarchat und all die psychopathischen Besserwisser-Dudes in ihren als Debattierclubs getarnten Chefetagen wiederum mit «Herrschaftstypen» (inkl. glorreicher Gastsängerin Schnörch von Ballerstein) und eine unbarmherzige Abrechnung mit allen Vätern, die nie da waren, im vernichtenden «Samstag ist Vatertag». Auch das systematische Auslöschen unserer natürlichen Waldflächen wird im unmöglich mitsingbaren «Borkenkäfer Bumaye» thematisiert, und «TikTok-Trichtersaufen» erzählt irgendwas von «Suppe aus Leichen und Scheisze» [sic!] als Kommentar auf die Kommentarspalten. Schön.
Am Schluss steht da noch «Dieter und die Taubenfrau, Pt.3 – Nudeln der Nacht», einer der verwirrendsten und verstörendsten Songs, den diese Band je geschaffen hat. Ich weiss auch nicht, was da passiert, aber ich glaube, dem Dieter geht’s nicht so gut… Das Album ist also offensichtlich nicht einfach verdaulich, aber irgendwie halt trotzdem verdammt gut. So unbequem und bizarr wütend das alles wirkt, so viel Sinn macht es, und so Günther And The Jauchs ist es. Ist das Musik für die breite Masse? Mitnichten, aber was weiss die breite Masse schon? Ist es ein verdammt starkes, eigenwilliges Album voller wichtiger Aussagen, brachialster Musik, massig Wut im Bauch und noch mehr intellektueller und emotionaler Intelligenz in Kopf und Herz? Aber hallo! Darum: preiset den Gabionenzäunen, preiset dem Untergang, preiset den Günther And The Jauchs!
PS: das Album erscheint erst digital, im Frühjahr 2026 wird dann auf Black Cat Tapes und Lion Crew Records auch eine physische Version folgen. Freut euch also!

