Band: Gojira
Album: Fortitude
Genre: Progressive Metal
Label: Roadrunner Records
VÖ: 30. April 2021
Webseite: Gojira.com
Gojira sind grossartig, keine Frage. Wenn Frontmann Joe Duplantier der Zuhörer*in ins Ohr brüllt, dass die Erde bald untergeht und sein Bruder Mario dies mit ohrenbetäubendem Getrommel in rechnerisch nicht nachvollziehbaren Takten unterstreicht, dann will man sich sofort im Namen des Planeten an einen Baum fesseln und bösen Leuten mit Bulldozern entgegenstellen. Es gibt kaum eine andere Band, die so sehr mit ihrer gnadenlosen, musikalischen Härte Berge zu versetzen versucht.
Damit möchte man eigentlich schon alles gesagt haben und das neue Gojira Album „Fortitude“ in dieselbe Kategorie einreihen wie ihre sechs Vorgänger: in die, der fast perfekten Platten. Dass dies nun mit „Fortitude“ nicht hundertprozentig klappt, hat verschiedene Gründe.
Erster Grund: Das Hauptmerkmal aller Gojira-Songs ist, dass sie unberechenbar sind. Auf „Fortitude“ ist hingegen ein Track wie „Into The Storm“ – heul! – voraussehbar, so schön er auch klingen mag. Zweitens fehlt die brutale Härte, die frühere Songs auszeichnete. Und drittens irritiert der Mix: Die Stimme zu sehr im Hintergrund, die Gitarren nicht knackig genug, das Schlagzeug zu gedämpft.
Nun, das hört sich alles nicht so prickelnd an – verrät aber nur einen Teil des Gesamteindrucks. Denn nach wie vor beeindruckt die Band mit ihrem musikalischen Können, ihrer Experimentierfreudigkeit und ihrem Einsatz für die Umwelt.
„Amazonia“ geht einher mit einer Charity-Auktion, die Einwohner im Amazonasgebiet unterstützt. Eine brasilianische Maultrommel, Kehlkopfgesang, groovende Riffs und eine Prise Sepultura sind die schmackhaften Zutaten dieses Liedes. „Another World“ repräsentiert die melodiöse Seite der Band, „The Chant“ ebenso. Zunächst verwirrend: Eine Mitsinghymne bei Gojira, mit Gitarrensolo?! Das gabs in ihrer ganzen Geschichte noch nie! Das geht doch nicht! Bis sich die Melodie in null Komma nichts ins Hirn eingräbt und man lauthals am Mitjohlen ist.
Aber keine Bange, die Nackenbrecher lassen nicht lange auf sich warten. Wie ein Monster kommt „Born For One Thing“ daher, stampft durch den Porzellanladen, zerbricht alles, und endet in einem furiosen Breakdown. Angefeuert wird das Ganze von Mario Duplantiers genialem Schlagzeugspiel, während Bassist Jean-Michel Labadie in den tiefen Frequenzen brilliert und ein Fundament kreiert, an dem es nichts zu rütteln gibt.
Bei „New Found“ finden sich Gojira-typische jaulende Gitarren, während „Sphinx“ und „Grind“ tosen und rattern, dass es eine Freude ist. Vor allem bei „Grind“ kommt die „macht euch gefasst“-Erwartung, die man bei Gojira-Songs hat voll zur Geltung – ein Genuss. Die musikalische Palette von Gojira hat sich nach 25 Jahren im Geschäft erweitert. Gitarrist Christian Andreu trägt mit progressiven Einschüben genauso dazu bei wie Joe Duplantier, der die Bandbreite von Growls über Screaming bis zu klarem Gesang abschreitet. Dynamik und Emotionalität – immer schon ein Gojira Markenzeichen – sind auf diesem Album zentral.
Zugegeben, ganz so plattgewalzt wie bei früheren Werken ist man nicht. Aber auch wenn die schonungslose Heftigkeit der älteren Alben fehlt, so sind neue Elemente hinzugekommen, die ein Lächeln ins Gesicht zaubern und differenziertere Hörerlebnisse erlauben. Es bleibt die Spannung, wie sich die Band weiterentwickeln wird; und die Freude, dass Gojira immer noch eine mitreissende Ausnahmeband ist.
Tracklist:
1. Born For One Thing
2. Amazonia
3. Another World
4. Hold On
5. New Found
6. Fortitude
7. The Chant
8. Sphinx
9. Into The Storm
10. The Trails
11. Grind
Bandmitglieder:
Joe Duplantier – Gitarre und Gesang
Mario Duplantier – Schlagzeug
Christian Andreu – Gitarre
Jean Michel Labadie – Bass
Gründung:
1996
Text: Anna Wirz