RilRec + Rookie Records / VÖ: 26. April 2024 / Punk, Hardcore
fucking-angry.blogspot.com
Text: David Spring
Was mag wohl die vorherrschende Gefühlslage auf einem Album mit Namen «…Still Fucking Angry!» sein? Oh, und die Band heisst ebenfalls Fucking Angry? Da ist der Fall ja klar, das kann nur happy-go-lucky Pop sein.
Okay, genug gewitzelt: Fucking Angry sind genau das! Sie brauchen auch keine peinliche Vorstellung, ist der Fünfer aus Bonn und Berlin doch schon seit 2012 auf allen Bühnen Europas unterwegs. Der neuste Longplayer markiert nun das zweite Album der Band. Lange liessen sie sich Zeit, um an den Songs zu schrauben und werkeln, das Resultat ist ausgereifter, abwechslungsreicher und besser denn je. Die ersten beiden Tracks «First Day Of A Better World» und «T.I.L.T.» hauen mit unbändiger Wucht aus den Boxen. Dabei vermischen Fucking Angry noch immer gekonnt wilden, melodiösen Punk mit rabiaten Hardcore-Riffs zu einem unwiderstehlich explosiven Ganzen.
Ein Markenzeichen von Fucking Angry ist freilich der grossartige Gesang von Sängerin Beckx. Ja, die gewaltige Performance der Frontfrau ist es natürlich, die den Bandnamen zur fühlbaren Wahrheit werden lässt. Wie sie die cleveren, kritischen und stets mitfühlbaren Texte auf Deutsch und Englisch aus sich herausbrüllt, ist fantastisch. Mal wild keifend und angepisst, mal melodiös und eingängig und immer extrem ehrlich. Inhaltlich widmen sich die Lieder passenderweise den dunkeln Momenten des Lebens, Themen wie Depression, Gier, Grössenwahn, Weltpolitik, Verluste und natürlich der ganze Nazidreck sind zentral und machen das Album nachfühlbar und stets relevant.
Was bei der rabiaten Herangehensweise und den rasanten, meist kaum zweiminütigen Songs zudem sehr positiv auffällt, ist die Experimentierfreude. Fucking Angry haben sich vor nichts gescheut, und so gibt es mit «Peace X Love» zum Beispiel ein brachial wüstes Reggae-Dub-Hardcore-Brett. «Broken» wiederum wartet sogar mit einem Banjo auf und klingt ein wenig, als ob Clowns zusammen mit The Baboon Show irgendwo im Mittleren Westen der USA versumpft wären. Das Highlight der Platte jedoch ist das beinahe gradlinige «Dunkelheit». Der fantastische, melodiöse Refrain geht sofort ins Ohr, dazu gibt es ein wahnwitziges Gitarrensolo, epische Chöre und völlig unbändige, fatalistische Energie.
Keiner der 12 Songs klingt gleich und Fucking Angry ziehen sämtliche Register. Bei nur 30 Minuten Laufzeit ist es beachtlich, wie viele Ideen und Experimente die Fünf auf diesem Album untergebracht haben, ohne dabei je ihren Sound zu verlieren. Sämtliche Emotionen über unsere Gesellschaft und die Welt sind spürbar und aufreibend, selten hat ein Album einen so mitgenommen. Weisst du also auch schon lange nicht mehr, wohin mit all dem aufgestauten Frust und der Hilflosigkeit? Dann leg einfach «…Still Fucking Angry!» auf! Oder, um die Worte der wundervollen Anna Rosenwasser etwas zu entfremden: «let’s all be fucking hässig»!