Eigenveröffentlichung / VÖ: 18. Mai 2024 / Rock
fancyandtheboys.ch
Text: David Spring
Fast möchte man unter dem güldenen Bandnamen Fancy And The Boys eine rumplige UK-Punktruppe aus den Tiefen des Londoner Untergrunds erwarten. Erst recht mit diesem bedrohlichen Album-Artwork. Doch nicht alles ist, wie es scheint. Wir haben es hier nämlich mit einem ganz anderen Biest zu tun: in der Tat sind Fancy And The Boys eine sechsköpfige Rockband aus Thun und mit «Born Into A Fortune» schicken sie nun ihre Debüt-EP ins Rennen.
«Rock» als Genrebezeichnung ist allerdings nur bedingt dienlich, darum bezeichnet das talentierte Sextett den eigenen Sound lieber als 70s-Rock-Punk-Postgrunge. Das beschreibt die Sache schon besser, denn auf den sechs Songs der EP passiert unglaublich viel. Mit «Devil Inside» eröffnen Fancy And The Boys bombastisch: ein mächtiges Gitarrenriff, die Hammond-Orgel mitten im Zentrum und die charismatische Stimme von Sänger/Gitarrist Lukas Fuhrer. Das macht Laune. Neben dem rauchigen Lead-Gesang sind es zudem vor allem die beiden Sängerinnen Sarah Müller und Sophia Burri, die immer wieder die Show stehlen. Die glorreichen Chöre erwecken gar Gospel-Vibes, die sich vorzüglich in die kreativen, lauten Kompositionen einbinden. Auf dem zweiten Track, dem leicht vom Südstaaten-Country angehauchten «Take Me To A Rooftop», kommt dies zur vollen Geltung.
Der Titeltrack macht klar, was es mit dem Begriff «Postgrunge» auf sich haben könnte. Hier nämlich treffen düstere Fuzz-Gitarren, clevere «Stranger Things»-Anleihen und unglaublich epische Melodieführungen auf den wohl besten Text der Platte, zeigen sich Fancy And The Boys hiermit doch bedeutend sozial- und kapitalismuskritischer, um nicht zu sagen verdammt wütend. Was für ein Song. Etwas im Gegensatz dazu das folgende «Boy», dass zwar ordentlich abrockt, aber mit dem eher simplen Text etwas abfällt. Zum Glück aber macht das souveräne Arrangement dies problemlos wett, indem gekonnt die Brücke zwischen alten 70s-Klängen und modernem Rock geschlagen wird.
«Healer» ist astreiner Gospel-Rock: fantastischer Gitarrensound, glorreiche Chöre, geschmackvolles Piano und glücklicherweise keine Spur von Gotteshuldigungen. Vielmehr wirkt der Text treffsicher wie ein Loblied an die Wut. Das Highlight kommt zum Schluss und «Little Foxes» ist trotz des niedlichen Titels ein verdammtes Brett. Die Band schiesst nochmals aus allen Rohren, vom anfänglichen, verstörend anmutenden «Fuchs, du hast die Gans gestohlen»-Intro über den gnadenlosen Drive und fantastischen Gesang bis hin zum sexy Zusammenspiel von Gitarre und Hammond! Damit ist nach 25 Minuten bereits wieder Schluss, aber Fancy And The Boys machen in dieser kurzen Zeit absolut alles richtig. Genre-Restriktionen gehören der Vergangenheit an, lang lebe uneingeschränkte Kreativität, lang lebe der Rock!