Eisenwald Records / VÖ: 31. März 2023 / Post-Rock
ellereve.de
Text: David Spring
Gute Musik offenbart oft etwas vom tiefsten Inneren der Künstler. Wie sonst soll einer Textzeile, einem Sound oder gar einem ganzen Lied etwas abgewonnen werden? Ein intimer Bezug zu der eigenen Kunst ist zudem vielfach kathartisch und eine Form der Seelentherapie, ohne die viele Musiker:innen wohl schon lange nicht mehr richtig funktionierten. Ellereve ist das Soloprojekt der deutschen Künstlerin Elisa Giulia Teschner, und auf ihrem Debüt-Album «Reminiscence» lässt auch sie tief blicken.
Die Songs entstanden mehrheitlich spät nachts, allein zu Hause am Synthesizer oder an der Gitarre. Erst später arbeitet Ellereve ihre Kompositionen mit der eigenen Live-Band aus. So unterliegt jedem der neun Songs etwas Persönliches und Intimes, das weit über die Texte hinausreicht. Egal wie bombastisch und mächtig die mal elektronischen, mal «traditionellen» Songs stellenweise werden, man fühlt stets diesen direkten Blick in die Seele der Komponistin.
Die Musik von Ellereve als simplen Post-Rock abzutun, würde den Stücken kaum gerecht. Das erdrückende Intro «Gossamer Wings» setzt die Stimmung mit gespenstisch geflüsterten Worten und verstörenden Sounds, bevor uns «In Infinite Light» mit stetig eindringlicherer werdenden Instrumentierung abholt. Luftige Gitarren, ein drängender Mid-Tempo-Beat und die wundervolle Stimme Teschners. Letztere ist das Herzstück von Ellereve. Mal himmelhoch und an die Grössen des Symphonic Metals erinnernd, mal ganz klein und leise, innig und zerbrechlich.
Das sphärische «Cosmos» mit wunderschön überraschenden Dur-Auflösungen, das rockige «Levitate» mit einem der geilsten Bass-Sounds, die ich seit langem gehört habe, oder das unglaublich nahe gehende und ehrliche «I Am Enough», es gibt auf «Reminiscence» viel zu entdecken. Zugegebenermassen fühlen sich manche Songs etwas lang an. Der Sound von Ellereve überzeugt am meisten, wenn nach einem zurückgehaltenen oder erdrückenden Aufbau endlich die köstliche Erlösung in Form bombastischer Klangexplosionen folgt. Manchmal lässt die Band aber fast zu lange auf diese Höhepunkte warten, oder lässt sie gar ganz ausbleiben.
Das explosive Ende macht das Song-Duo aus «Somwhere» und «But Nowhere», womit Ellereve uns mit erfüllenden, erlösenden und gar euphorischen Gefühlen hinterlassen. Auch wenn es manchmal etwas dauert, die Auflösung tut ach so gut. «Reminiscence» ist ein starkes und äusserst persönliches Werk einer talentierten Künstlerin, die viel zu sagen hat. Die Musik überzeugt, man dürfte gerne noch mehr wagen und ausprobieren. So oder so, einen faszinierenden und mehr als überzeugenden Einstand haben Ellereve hiermit definitiv abgelegt.