Ladies & Ladys / VÖ: 21. Januar 2025 / Punk, Noise
ell.band
Text: David Spring
«Langweilig», was für ein guter Album-Titel! Ist die Musik uninteressant? Oder das Leben der Musiker:innen selbst? Oder ist das doch kämpferischer gemeint und bezeichnet eher alles, was andere Bands so machen? Und war da nicht auch noch dieser eine Song mit dem coolen Gitarrensolo und dem «12mal onaniert» von Die Ärzte? Spannend, spannend, Fragen über Fragen!
Nun, Ell, so die Band, die ihr Album so fantasievoll betitelt haben, sind ein überraschend lärmiges Duo aus Hessen, und die selbstgewählte Genrebezeichnung Krach-Pop könnte kaum treffender sein. Bestehend aus Drummer Lennart und Sängerin/Bassistin Lisa-Anna ist es wahrlich beeindruckend, was die beiden für Soundwände aus den Boxen ballern. Der Bass ist meist heftig verzerrt und fuzzig, die Drums knallen wundervoll und die melodiöse Stimme wird zu allem hin gerne von Synths und allerlei Electro-Elementen getragen. Stell dir vor, Royal Blood machten gemeinsame Sache mit Kochkraft Durch KMA – ein Vergleich, den wohl kaum zwei Hände voll Menschen nachvollziehen können. Wichtig ist vor allem: das bollert und macht mächtig Laune!
Ganz so einfach machen Ell es uns freilich nicht. Das weitestgehend schnittig punkige Debüt beginnt nämlich nicht mit einer schnellen Nummer, sondern mit «Lauf los». Dieses düstere Post-Hardcore-Brett, das sich mit einem ausgedehnten, ruhigen Intro lange Zeit nimmt, leitet erstmal komplett auf die falsche Fährte. Dermassen geplättet, gibt es erst beim darauffolgenden, rasanten Punk-Track «Avril Lavigne» die Möglichkeit, endlich pogend die heimischen vier Wände zu zerlegen. Und weil ja nichts langweiliger ist als Wiederholungen, gibt es daraufhin mit «Salzstreuerin» nicht nur einen wahrlich hervorragenden Text, sondern vor allem astreinen Elektro-Noise obendrauf. Was für eine genussvolle musikalische Achterbahnfahrt.
Doch so vielfältig und abwechslungsreich die Musik, umso wichtiger sind bei Ell die Texte. Und die haben es in sich. Das bereits erwähnte «Salzstreuerin» geht unglaublich clever und witzig mit den Themen (gendergerechte) Sprache, Inklusion und Feminismus um. «Mein Körper, meine Entscheidung», eine geniale Body-Positivity Kollaboration mit Künstlerin Kim Hoss, wartet mit einem 100-köpfigen Fan-Chor und der wundervollen Botschaft «alle Formen, alle Farben, alle Kurven, alle Narben dürfen so sein, wie sie sind!» auf. Und der gewaltig wütende Text zu «Tiefgarage» räumt auf glorreich sarkastische Art und Weise mit all den unausstehlichen Klimaleugner:innen auf, denen ihr SUV immer noch wichtiger ist als Zivilcourage, und die sich lieber über Greta Thunberg und Fridays for Future aufregen als mal etwas nicht nur für sich selber zu tun.
Ell nehmen weder ein Blatt vor den Mund noch lassen sie sich in irgendeinen Rahmen zwängen. Mit viel Wortwitz und einem wachen Auge beschreibt das Duo unsere Welt schmerzlich genau, ohne dabei je den Humor oder gar die Hoffnung zu verlieren. Nicht genug damit überzeugen sie zudem mit der einzigartigen Musik, der Stilvielfalt, dem krassen Sound und der schieren Spielfreude nochmals auf einer ganz anderen Ebene. «Langweilig» mag vorne draufstehen, doch faszinierend, einzigartig und verdammt hörenswert sind die einzig gültigen Attribute für diese hammerstarke Platte. Chapeau!
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