Spinefarm Records / VÖ: 13. Dezember 2024 / Doom Metal
Electric Wizard
Text: Peter Burckhardt
Die Tannenbäume werden geschmückt, die Bells jingeln und der Wein glüht. Eigentlich geniesse ich die besinnliche Stimmung. Eigentlich. Denn wie jedes Jahr sitzt auch heuer ein kleines Teufelchen auf meiner Schulter und flüstert mir leise seine Gedanken über die Scheinheiligkeit und den grenzenlosen Konsum in unserer Gesellschaft ins Ohr. Kurz gesagt, mein Verstand und mein Herz können sich dem Ganzen nicht zu hundert Prozent hingeben und wie jedes Jahr brauche ich ein Ventil, einen Kontrast zu dieser Scheinwelt des Dezembers. Wie schon «Last Christmas» – sorry dafür – fand ich meine innere Balance auch dieses Jahr in Musik der düsteren Sorte. Das neue Album mit dem wunderschönen Namen “Black Magic Rituals And Perversions Vol. 1» der englischen Band Electric Wizard reichte meinem rebellierenden Teufelchen mit einem dunklen, echten und rohen Sound, irgendwo zwischen Stoner und Doom Metal, die Hand.
Wer die Band kennt, wird beim lesen der Tracklist vielleicht ein Best Of Album erwarten. Alle Songs sind im Zeitraum von 2000 bis 2014 bereits erschienen. Doch statt schlechte Remaster-Versionen auf ein neues Album zu packen, haben Electric Wizard die Songs auf ihre Art neu aufgenommen. Bereits die ersten Töne von «Dopethrone» machten mich neugierig, wie es Electric Wizard gelang, die rohe Energie und die Spontanität einer Bandraum-Session auf Band zu verewigen. Die einfache Antwort: Sie haben genau das getan. «Black Magic Rituals And Perversions Vol. 1» ist ein Album, das ganz in 70ies-Manier live und mit irgendwelchen schrottigen Mikrofonen in alte Tonbandgeräte eingespielt wurde. Klingt das zeitgemäss? Nein. Klingt das geil? Definitiv! Das werden jedenfalls alle Menschen bestätigen, denen alte Black Sabbath Platten ein teuflisches Grinsen entlocken.
In bis zu elf Minuten langen Songs zeigt die Band der Generation TikTok den Stinkefinger und entführt dankbare Hörer:innen in ihre düstere Welt. Über den schweren Gitarrenriffs singt und schreit Jus Oborn seine dunkle Seele aus dem Leib. Der fette, schleppende Doom-Grundsound wird immer wieder mit zusätzlichen Gitarren-Solos gelayert, die nicht selten in spontan wirkende Jam Sessions und ausufernde Gitarren-Feedback-Orgien münden. Zugegeben, grosse musikalische Überraschungen bieten die Songs nicht, aber das ist auch gar nicht nötig. Das Album lebt von seiner einnehmenden Stimmung und bietet ein pures Hörerlebnis, als wäre man im feuchten Übungskeller im nebligen Dorset und würde den vier Musiker:innen bei einer magischen, okkulten Bandprobe zuhören. Ganz ohne Schnickschnack belassen es Electric Wizard dann doch nicht, denn neben ein paar einleitenden, bösen Spoken-Word Samples darf natürlich auch ein rückwärts abgespielter Part nicht fehlen.
Electric Wizard liefern mit «Black Magic Rituals And Perversions Vol. 1» ein hypnotisierendes Album ab, welches passend und wohl kaum zufällig am Freitag, den dreizehnten Dezember erscheinen wird. Spätestens dann wird es für alle Gleichgesinnten höchste Zeit, das vom Weihnachts-Kitsch gebeutelte Nervensystem zu regulieren und den Glühwein in innerem Frieden zu geniessen.