Band: Die Toten Hosen
Album: Ballast der Republik / Die Geister, die wir riefen
Label/Vertrieb: JPK
Veröffentlichung: 4. Mai 2012
Website: www.dietotenhosen.de
Geschrieben von: JHG Shark
Ich denke, die Geschichte der Düsseldorfer Band Die Toten Hosen ist bekannt. Ich werde deshalb nicht weiter darauf eingehen.
Irgendwann 1983 schaute ich die deutsche Musiksendung Formel 1 und da sah ich das aussergewöhnliche „Hip Hop Bommi Bop“, eine witzige Rap-Version von „Eisgekühlter Bommerlunder“. Ich kaufte mir die 12“ und lustigerweise wurde der Song bzw. die B-Seite „Hip Hop Bommi Bop Bop“ zu einem musikalischen Markenzeichen des damaligen Privatclub The Big Apple in Zürich.
Ich habe bis heute keine Ahnung, weshalb gerade dieser Song bei Waver, Poper, Punker, Gothics und Teddys so gut ankam… Er war quasi mein erster „Kontakt“ zu der Band.
Ich verfolgte aber ihre weitere Karriere nicht mehr intensiv. Das änderte sich erst ab 1989: Ich besuchte mein erstes Konzert von ihnen. Mich faszinierte ihre Leidenschaft für die Musik und mit welcher unglaublichen Energie sie an jedem Abend alles aus sich heraus holten. Es war immer wieder speziell, an ein Konzert von ihnen zu pilgern, gerade auch weil die Fans mit ebenso viel Leidenschaft und Einsatz dabei waren.
Die Toten Hosen sind eine der wenigen Bands, die mich durch mein Leben begleitet haben und immer wieder fand ich in ihren Texten Aussagen, die zu meiner jeweiligen Lebenssituation passten.
Das Album beginnt mit dem Intro „Drei Kreuze (dass wir hier sind)“, eine Kombination aus klassischen Instrumenten auf einem Beet aus leisen Gitarrenklängen. Der Übergang zu „Ballast der Republik“ ist fliessend. Die ersten Gitarrenriffs fliegen einem um die Ohren und in typischer Hosen-Manier geht der Song punkig ab. Sehr melodisch beginnt „Tage wie diese“. Das wunderbare Gitarrenspiel von Kuddel ist ein zentraler Bestandteil dieser Ohrwurm-Nummer, im Refrain wird es dann so richtig laut und ich höre schon die Fans mitsingen. Beim ersten Punk-Song „Traurig einen Sommer lang“ ist für mich klar: Die Toten Hosen sind zurück frisch und frech, wie wenn es für sie keinen Alterungsprozess geben würde. Weiter geht es mit „Altes Fieber“: Ein Song, bei dem es um einen Blick zurück in die Vergangenheit geht. Ich mag dabei vor allem den Anfang mit den Toms und den abgedämpften Gitarrenklängen.
Der Anfang von „Zwei Drittel Liebe“ ist für Hosen Verhältnisse ungewöhnlich, klingt er doch eher nach einer Indie-Band, auch die Stimme von Campino tönt anders. Ich finde die Nummer grandios und es zeigt, dass sich die Band neuen Einflüssen nicht verschliesst. Mit einem akustischen Gitarren-Intro beginnt „Drei Worte“, dann ertönen die elektrischen Riffs und schnell wird daraus eine (Punk) Rock Nummer. Im Refrain schreit Campino die Worte heraus, dabei wird er von einem Gewitter von harten Gitarrensounds unterstützt. Mit „Schade, wie kann das passieren?“ ist wieder mal ein Track, bei dem es um Sport geht auf dem Album. Der Song klingt hymnenartig, es geht um einen verpassten Aufstieg und um die Hoffnung, dass es beim nächsten Mal klappt.
Mit der Ballade „Draussen vor der Tür“ erinnert sich Campino an seinen Vater und die Beziehung zu ihm, wunderschön mit akustischer Gitarre, Cello und Klavier arrangiert. Eine der stärksten Nummern auf dem Album ist für mich „Das ist der Moment“, eine Perle, die alles hat, was Die Toten Hosen ausmacht. Bei „Oberhausen“ mag ich die Flanger-Bassline, im Text geht es um die verflossene Liebe des Lebens und wie schwierig es ist, zu akzeptieren, dass es kein gemeinsames Leben gibt. In „Vogelfrei“ wird das Leben im Himmel nach dem Tod thematisiert… Musikalisch nochmals so richtig punkig. Die letzte Minute endet im Intro aus dem Anfang.
Zum 30 jährigen Bestehen hat die Band eine CD mit ausgesuchten deutschsprachigen Coverversionen aufgenommen. Auf „Die Geister, die wir riefen“ sind ein paar ungewöhnliche Songs zu hören. Wer hätte gedacht, dass sie „Das Model“ von den Elektro Pionieren Kraftwerk aus Düsseldorf vertonen würden. Auch „Rock Me Amadeus“ (Intro aus „Paradise City“ – Guns N‘ Roses) von Falco ist für mich eine Überraschung. Die Ärzte werden mit „Schrei nach Liebe“ geehrt. Offenbar existiert die grosse Rivalität zwischen den beiden erfolgreichsten deutschsprachigen Bands nicht.
Das neue Album „Ballast der Republik“ gefällt mir, weil es nicht nur ein Album für die treuen Fans ist, sondern bestimmt auch Neueinsteiger begeistern kann. Die 4 Wertungspunkte hat sich die Band mit ehrlichem Handwerk und harter Arbeit mehr als verdient. Ich bin schon mal auf das Live Ereignis gespannt 🙂
Die Toten Hosen sind am 30. Juni 2012 live am Openair St.Gallen zu sehen.
Tracklist:
Ballast der Republik
1. Drei Kreuze (dass wir hier sind)
2. Ballast der Republik
3. Tage wie diese
4. Traurig einen Sommer lang
5. Altes Fieber
6. Zwei Drittel Liebe
7. Europa
8. Reiss dich los
9. Drei Worte
10. Schade, wie kann das passieren?
11. Draussen vor der Tür
12. Das ist der Moment
13. Ein guter Tag zum Fliegen
14. Oberhausen
15. Alles hat seinen Grund
16. Vogelfrei
Die Geister, die wir riefen
1. Computerstaat (Abwärts)
2. Sirenen (Male)
3. Das Model (Kraftwerk)
4. Die Moorsoldaten (Ursprung Häftlinge KZ Börgermoor)
5. Im Nebel (Hermann Hesse)
6. Heute hier, morgen dort (Hannes Wader)
7. Rock Me Amadeus (Falco)
8. Industrie-Mädchen (S.Y.P.H.)
9. Keine Macht für niemand (Rio Reiser)
10. Einen grossen Nazi hat sie! (Fritz Grünbaum)
11. Schrei nach Liebe (Die Ärzte)
12. Manche Frauen (Funny van Dannen)
13. Innenstadt Front (Mittagspause)
14. Stimmen aus dem Massengrab (Erich Kästner)
15. Lasset uns singen (Graf Zirben / Destilie van der Vogelbeer)
Bandmitglieder:
Campino (Andreas Frege) – Gesang
Kuddel (Georg Andreas Christian von Holst) – Gitarre
Breiti (Michael Breitkopf) – Gitarre
Andi (Andreas Meurer) – Bass
Vom Ritchie (Stephen George Ritchie) – Schlagzeug
Gründung:
1982