Hot Action Records / VÖ: 23. Oktober 2020 / Punk Rock
bademeister.com
Text: David Spring
Manche Bands sind ein Bisschen wie der Komet Halley. Nicht immer brandaktuell, nie ganz vergessen und sobald sie endlich wieder auftauchen, gibt es vielerorts kein anderes Gesprächsthema mehr. Eine solche Band sind Die Ärzte, denn seit ihrem letzten Album sind geschlagene achteinhalb Jahre vergangen. Und auch wenn es keine andere Band gibt, die einen ähnlich grossen Einfluss auf mein Leben hatte, ganz so relevant wie noch zu Beginn der Jahrtausendwende sind sie selbst für mich nicht mehr.
Aber, wie die gestandenen Herren bereits 1995 sangen, „jetzt ist es wieder mal soweit“ und Belafarinrod sind zurück. Das sage und schreibe dreizehnte Album ihrer beinahe 40-jährigen Karriere lautet auf den zweideutigen Titel „Hell“ und wie nicht anders erwartet, ist die Band immer für eine Überraschung gut. Nicht mit knackigem Punkrock oder einer Stadion-Hymne geht es los, sondern mit Elektrobeats, Autotune und einem selbst für Die Ärzte merkwürdigen Stück. Nicht nur lautet der Song auf den kryptischen Namen „E.V.J.M.F.“, es kommt darin auch das Wort „Hendiadyoin“ vor. Wer nun schon denkt, die drei seien jetzt komplett an Land gezogen und verrückt geworden, kann sich beruhigen, denn mit dem typischen Farin Urlaub Rocker „Plan B“ und einer fantastischen Ode an die Faulheit namens „Achtung: Bielefeld“ aus der Feder von Bela B, geht es richtig los.
Die Ärzte wissen auch 2020 noch perfekt, wie man unterhaltsame Rockmusik schreibt. Farin ist nach wie vor eine Hitmaschine. Der Typ hat ein unverkennbares Händchen dafür, clevere, manchmal tiefgründige, manchmal alberne Texte mit enorm eingängigen Melodien und übergrossen Rockriffs zu vermischen. „Warum Spricht Niemand Über Gitarristen?“, „Liebe Gegen Rechts“, „Das Letzte Lied Des Sommers“ und das fantastisch bekloppte „Thor“ sind allesamt Songs, wie man sie vom blonden Hünen kennt und liebt. Das ist nichts weltbewegend Neues, aber Herr Urlaub ist ja auch nur einer von Dreien. Die für mich dieses Mal fast interessanteren Stücke stammen aus der Feder des Grafen, Bela B. „Clown Aus Dem Hospiz“ ist eine beschwingt Hymne an sämtliche Künstler, die unglücklich wirklich kreativ sein können. Die grandiose erste Single „Heute Pauken“ ist ein absolutes Gitarrenbrett und, in Zusammenarbeit mit Rodrigo González entstanden, das mit Abstand härteste Stück. Und „Fexxo Cigol“ ist eine bittersüsse Wahnvorstellung, die mit allen Verschwörungstheoretiker*innen und Fake News Anbeter*innen dieser Zeit hart ins Gericht geht.
Musikalisch sind Die Ärzte so abwechslungsreich wie eh und je. Banjoklänge, süffige Popmelodien, kruder Artrock, selbst eine tieftraurige Ballade, daneben viel Rock und die ganz eigene, dadaistische Auslegung, was Punk alles ist – langweilig wird es während den 18 Songs nie. Ist das Album ein zweites „Planet Punk“ oder „Jazz Ist Anders“? Mitnichten. Ist „Hell“ ein verdammt starkes Werk, das nach ewigem Warten wieder enorm Bock auf die „drei Nulpen aus Berlin“ macht? Aber sowas von! Die Beste Band der Welt ist zurück und sie zeigt der deutschsprachigen Musikszene einmal mehr, wie das mit dem Rock zu funktionieren hat.