Hot Action Records / VÖ: 24. September 2021 / Punk Rock
bademeister.com
Text: David Spring
Es ist doch wie vermaledeit. Da wartet man geschlagene acht Jahre voller Sehnsucht und etwas Angst auf ein neues Die Ärzte-Album und dann kriegt man gleich zwei. 2020 überraschte die Beste Band Der Welt nach einer endlosen Pause mit einem enorm starken Album namens „Hell„. Ich, als ewiger Riesenfan, war überrascht, wie gut diese Platte war. Songs wie „Morgens Pauken“, „Einmal Ein Bier“, „Achtung, Bielefeld“ und natürlich das Meisterwerk „Woodburger“ haben sich in einem Jahr bereits zu Klassikern gemausert. Nur elf Monate danach, erscheint mit „Dunkel“ bereits ein weiteres Werk.
Los geht es mit „KFM“: Die Ärzte waren immer schon Freunde von kryptischen Abkürzungen, im Vergleich zum letztjährigen Opener wird die Bedeutung aber schnell klar, dann, wenn Farin den bandeigenen Sound als „Karnikelfickmusik“ bezeichnet. Herrlich, was für eine bekloppte Band. Es folgt „Wissen“, ein überraschend hartes Brett aus der Feder Urlaubs und der Titeltrack „Dunkel“, ein düsteres Werk aus des Grafen Gruft. Zwei Sachen fallen auf: Erstens, sämtliche Songs haben nur ein einzelnes Wort als Titel, was für diese sonst sehr verbose Band ungewohnt wirkt und zweitens, fühlt sich „Dunkel“ kohäsiver und zusammenhängender an als je ein Album der Die Ärzte zuvor.
Das will etwas heissen, denn BFR ziehen sämtliche Register, um so viele Genres wie nur möglich auf die Platte zu packen. „Kerngeschäft“ ist ein Beastie-Boys-Rocker mit Gastbeitrag der Wiener Rapperin Ebow, „Tristesse“ ein charmantes Akustik-Chanson, „Schweigen“ eine 90s-Synth-Pop-Oper, „Nachmittag“ leiht sich an Western-Soundtracks an, „Menschen“ beginnt mit Muse-eskem Acapella-Chor und „Danach“ hat exakt dieselbe Melodie wie „Einmal Ein Bier“ vom Vorgängeralbum. Halb so schnell und einmal durch einen psychedelischen Fleischwolf gedreht. So viel Abwechslung ist selbst für Die Ärzte beachtlich. Trotzdem fühlt sich „Dunkel“ wie aus einem Guss an, über dem ganzen Album schwebt eine düstere Atmosphäre, wie man sie von den Dreien sonst nicht kennt.
Das Corona-Jahr ging nicht spurlos an der Band vorbei. Das wahrscheinlich fröhlichste Lied ist dieses Mal der Anti-Nazi-Song „Doof“, was viel aussagt. Das abschliessende, Titel-Schema brechende „Our Bass Player Hates This Song“ ist eine ernüchternde Abhandlung mit der Demokratie und unser aller Teilnahme am Besserwerden der Welt. Das Lied ist ein Meisterwerk und eines der besten auf „Dunkel“, aber weitaus härterer Tobak, als man sich dies gewohnt ist.
Dieser etwas dunklere, aber keineswegs aufgezwungene Look steht den drei Nulpen aus Berlin sehr gut zu Gesicht. „Dunkel“ ist anders als „Hell“, vielleicht nicht ganz so überzeugend, aber auf jeden Fall verdammt gut. Vor allem zeigt es sich einmal mehr, dass Die Ärzte wirklich unfassbar starke Songschreiber sind. Nach gefühlten 700 Jahren Karriere ist es beachtlich, dass die drei weiterhin auf solch hohem Niveau Musik abliefern können. Musik, die zum Denken anregt, die Spass macht, die abgeht und die die Welt zu einem besseren Ort zu machen vermag – das soll ihnen erstmal jemand nachmachen. Karnikelfickmusik, also echt…