Dackelton Records / VÖ: 28. Juni 2024 / Punk, Grunge
desolat.band
Text: David Spring
London, Paris, New York, Ückendorf! Weltstädte, die wir alle kennen! Okay, fast… Ückendorf ist ein Stadtteil von Gelsenkirchen und wohl nur den wenigsten hier ein Begriff. Google meint dazu, dass der Stadt im Ruhrpott die schlechteste Lebensqualität aller Deutschen Städte attestiert wurde. So überrascht es wenig, dass ein paar Skater:innen, die sich da zusammengefunden haben, ihre Band kurzerhand Desolat nannten. Und «ückendorfication» ist ihr fabulöses Debüt!
Um die traurige Wahrheit unserer Existenz so richtig nach Hause zu hämmern, beginnt die Platte mit einem Wecker, damit du gleich so richtig den Hass im Hals stecken hast. «Verpass nicht den Anschluss I» rumpelt sich dann gnadenlos aus den Boxen, wütender, schrammliger Hardcore, der uns komplett auf die falsche Fährte lockt. Desolat sind nämlich keineswegs eine HC-Band, viel besser passt die Bezeichnung «Deutschgrungerock». Nirvana werden gefeiert, aber auch Bands wie Cloud Nothing, Yawns oder Wavves. Der charmante Titeltrack erinnert so auch gleich stark an Kurt Cobain und Co. Der Song ist eine wundervolle Hymne an den namensgebenden, verpönten Stadtteil, der trotz allem der Lebensrealität vieler Menschen entspricht. Doch Hoffnung besteht für den Fleck, denn «statt Bier servieren sie dir nur Aperol Spritz».
Desolat verstehen es wundervoll, alltägliche Situationen und die Müssigkeit unseres Lebens einzufangen. Mit frischem Sarkasmus, wie ihn nur hartgesottene, alternde Skate-Kids an den Tag zu legen vermögen, einem wachen Auge auf allerlei Missstände im Grossen und im Kleinen sowie dem unabdingbaren Gefühl für eingängige, leicht mitsingbare Refrains, schreiben sie kleine Songperlen. Sei es die unsterbliche Liebe für die Skate-Kultur in «Nie Genug», der abgrundtiefe Hass gegenüber Autos und deren Benutzer:innen in «Auto, Auto, Auto» oder das so wütende wie zermürbende «Jeden Tag», das sich auf äusserst nachfühlbare Art und Weise mit Themen wie Isolation und Frustration beschäftigt. Es ist für jeden Geschmack und jede Emotion etwas dabei.
Musikalisch schaffen es Desolat, sich manchmal wunderbar weit aus dem Fenster zu lehnen (man nehme nur das glorreiche, autogetunte Gitarrensolo (!) im finalen «Davonpushen») und ihre ganz eigene Sound-Nische zu kreieren. Geht es in einem Moment noch ruppig und rabiat zur Sache, so erwischen dich kurzum mehrstimmige Harmonien und Melodien auf dem falschen Fuss. Kreativität und Abwechslung werden genauso gross geschrieben, wie Authentizität und Spass bei der Sache. Ein paar eingespielte Snippets und Geräusche komplementieren den Verlauf der Platte und zaubern einen stimmigen Gesamteindruck. Schlussendlich ist mit «In A Van (Through Japan)» sogar ein bizarres und doch ultra-eingängiges Kleinod auf Englisch dabei. Was will man mehr?
Desolat machen alles genau richtig. Mit gesundem Humor, viel Talent und einer klaren Kante schenken sie uns ihre wundervollen Songs. Mal witzig und krude, mal mitten in die Fresse. Vor allem aber fernab von jeglichem Mainstream, dafür direkt aus und mitten ins Herz. Hut ab für ein solch gelungenes Debüt. Vielleicht liegt ja beim nächsten Städte-Rating so ein etwas höherer Platz für Ückendorf Rock City drin!