Dackelton Records / VÖ: 19. Mai 2023 / Punk
derganzerest.com
Text: David Spring
Die Welt brennt und das schon lange. Sei es die Klimakatastrophe, der anhaltende Rechtsruck überall, oder der Zerfall im eigenen Innern, Spass macht das alles schon lange nicht mehr. Passend also der Titel «Incendium», lateinisch für «Brand» oder «Brandstifter», den die Stuttgarter Punks von Der Ganze Rest ihrer dritten Platte gegeben haben.
Wie so oft im deutschsprachigen Punk, fällt es nicht leicht, eine relativ neue Band nicht auch mit den ewigen Grossen des Genres zu vergleichen. So denkt man bei Der Ganze Rest rasch in Richtung Düsseldorf, erinnert die raue, eingängige Stimme von Sänger Martin doch nicht wenig an Campino. Der Opener «Alte Weisse Männer» knallt gleich fantastisch rein, der erfrischend wütende Text lädt augenblicklich zum Mitschreien ein. Mit fetten, mächtigen Gitarren und treibenden Drums zieht die Band nach vorne.
«Danke Gut» ist etwas melodischer und noch rasanter. Der Ganze Rest machen keinen Hehl daraus, dass ihre Einflüsse von überallher stammen. Von Pascow und den Broilers über Die Ärzte oder die Beatsteaks bis hin zu Anti-Flag und Billy Talent finden sich viele Elemente zu einer eigenen und äusserst überzeugenden Mischung zusammen. Richtig interessant wird es, wenn auch andere Genres in die Songs einfliessen, das auf Englisch gesungene «Sewer Rats» kommt beispielsweise weitestgehend akustisch und poppig daher. Die Stuttgarter scheuen sich nicht davor, Reggae oder gar Country in ihre Songs einzubauen, genauso wie gelegentliche Metal-Parts.
Das Resultat ist eine enorm abwechslungsreiche Platte, die durchweg Spass macht und dank der cleveren Texte zum Mitdenken und -Fühlen anregt. Einzige Ausnahme ist das «Bierlied», das etwas platt daherkommt und in Zeiten von #PunkToo und #KeinerMussTäterSein fehl am Platz scheint. Zwar zelebriert der Song eher das gemütliche Zusammensein als gnadenloses Abstürzen, aber eigentlich hätten Der Ganze Rest das gar nicht nötig, belegt doch der Rest der Platte eindrucksvoll, dass sie weitaus mehr auf dem Kasten haben.
«Incendium» ist eine hervorragende Platte, und dabei viel mehr als nur stumpfer Deutschpunk. Der Ganze Rest gehen mutig ihren eigenen Weg, tragen ihre Einflüsse offen auf der Hand und beweisen bereits zum dritten Mal, was für eine verdammt starke Band sie sind. Das abschliessende «Fever» bläst dann in bester Zebrahead-Manier nochmals alles weg, mit wüsten Screams, coolen Rap-Parts und den wohl fettesten Riffs des Albums. Was für ein fulminanter Abschluss. Der Ganze Rest, meine Damen bis Herren – das klingt auch geil, wenn alles brennt.