New Heavy Sounds / VÖ: 20. Juni 2025 / Punk, Hardcore
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Text: David Spring
Du hast bestimmt auch schon in Interviews gelesen, wie sich eine Band beim Songwriting schwertat, wie gross der Struggle war, sich im Multimillionen-Studio mit dem renommierten Produzenten ein paar Songs aus den Fingern zu ziehen. «Ja, wir haben gelitten und gestritten und ganz doll an uns arbeiten müssen, aufnehmen ist so ein schwieriger Prozess.» Nun, Death Pill haben zum zweiten Mal ein Album inmitten eines nicht enden wollenden Krieges fertiggestellt und erneut hauen dich die drei Ukrainerinnen komplett vom Hocker.
Wer sich gerne wütend brachialen, politischen Hardcore mit Thrash-Einflüssen auf die Ohren ballert, sollte Death Pill spätestens seit ihrem 2023er Debüt auf dem Schirm haben. Mit «Sologamy» folgt nun der Nachfolger. Bereits im angeschwärzten Thrash-Opener wird klar, dass die Drei weit davon entfernt sind, einen Gang zurückzuschalten: «Listen to me, sister: let’s fuck this system!» Mehr Text ist gar nicht nötig, die Riffs, für die sich Metallica in den Hintern beissen würden, sprechen für sich. «Haters Gonna Hate» zeigt dann eindrucksvoll, dass Sängerin/Gitarristin Mariana Navrotska mehr draufhat, als nur wütend ins Mikro zu keifen. Der anderthalbminütige Riot-Grrrl-Smasher drischt unaufhaltbar nach vorne und öffnet Türen für nie gehörte Melodien. «Ugly Me» treibt das noch weiter: Fast süsslich singt das Trio den sarkastischen Refrain, nur um die Strophen umso angewiderter rauszukotzen.
Es ist schwer zu sagen, ob die anhaltende russische Invasion mittlerweile fast zu etwas wie Alltag geworden ist und ob ein Blick nach vorne für die Menschen im Krieg überhaupt noch irgendwie möglich ist. Wo das Debüt noch vor allem politisch motiviert war, nimmt sich «Sologamy» nun vermehrt dem Thema Selbstliebe an, was sich musikalisch vor allem durch ein neu gewonnenes Melodieverständnis bemerkbar macht. Besonders deutlich wird das etwa in «Phone Call», das mit surfrockiger Leichtigkeit von der Hoffnung auf Verbindung erzählt. Oder «Hey, Man», das gar mit einem Cello beginnt und sich langsam aus der Melancholie in ein wuchtiges Finale schraubt. Faszinierend und unglaublich eindrücklich. Es sind Momente wie diese, in denen Death Pill zeigen, dass emotionale Offenheit und brachialer Hardcore kein Widerspruch sind.
Gerade wenn du denkst, dass es jetzt auch wieder reicht mit all diesen Emotionen, kommt das letzte Drittel der Platte. «Monsters (In My Brain)» beginnt mit Polizeisirenen, verfremdeten Stimmen und einem nervösen Basslauf, der sich wuchtig entlädt. Darauf folgt das instrumentale «Outro», welches aber eher Übergang als Abschluss ist. Und genau so muss es sein, denn mit «Pro Yarika» kommt der mutigste, offenste Moment des Albums. Zwischen Akustikgitarre, Pianoklängen und Hardcore-Break schreien Death Pill um Heilung, um Hoffnung. Dass eine Band, die auf ihrem Debüt noch rücksichtslos allen ins Gesicht brüllte, auf einmal so viel Raum für Zerbrechlichkeit schafft, ist ein bewundernswerter nächster Schritt.
Death Pill trotzen erneut allen Widrigkeiten und liefern ein grossartiges, extrem relevantes Album ab. Zwischen Bombenalarm, Exil und Trauma aufgenommen, hat die Platte mehr Gefühl, mehr Haltung und mehr Dringlichkeit eingefangen, als mancher Act in etlichen Karrierejahren zusammenbringt. Death Pill leben den Widerstand genauso wie die Selbstermächtigung, sowohl im intimsten Innern wie auch laut gegen aussen. Wenn alles auseinanderfällt, was bleibt uns schon ausser der Musik und unserm Herz?
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