Eigenveröffentlichung / VÖ: 4. Februar 2022 / Progressive Rock
deadvenus.com
Text: David Spring
Denkt man an Proggressive Rock, erscheinen Legenden wie Alex Lifeson, John Petrucci oder Steven Wilson vor dem inneren Auge. Prog ohne elektrische Gitarren ist schwer vorstellbar, genau dies brachten uns die Schweizer Prog-Rocker:innen von Dead Venus auf ihrem Debüt „Bird Of Paradise“ 2019. Nun folgt mit „Flowers & Pain“ das zweite Album und dieses Mal hat sich Multiinstrumentalistin und Frontfrau Seraina Telli der Sechssaiter-Axt angenommen.
Wer Telli aus ihrer Zeit bei Burning Witches kennt, weiss, was für eine unvergleichliche Stimmgewalt sie an den Tag legt. Dass Dead Venus für sie viel mehr eine Herzensangelegenheit ist, merkt man schnell. Der Gesang reicht von Scat-artigem Sprechgesang bis zu markerschütternden Melodien, von aggressiven Ausbrüchen bis hin zu episch, opernhaften Klängen. Damit nicht genug, spielt die Alleskönnerin Gitarre und Keyboard und ist für den Grossteil der Kompositionen zuständig.
Und was für Kompositionen das sind. Das ruhige aber bedrohlich wirkende „Lily Of The Valley“ baut nach und nach an Intensität auf, fast poppig im Refrain aber umso unheilvoller in den Strophen. „The Haunted Palace“ ist ein intimes Piano-Stück, das stellenweise an Evanescence erinnert, das instrumentale „That Creation“ könnte aus der Feder von Liquid Tension Experiment stammen. Und das fast neunminütige „Revelation Of Hate“ nimmt sich Zeit und wächst von schrummlig, bluesigem Stoner in ein gewaltiges Metalbrett, in welchem sogar Black Metal-artige Growls zum Einsatz kommen.
Das Highlight der Platte ist aber zweifellos „Plaything Doll“. In achteinhalb Minuten fahren Dead Venus sämtliche Geschütze auf. Fette Gitarren gemischt mit einer, an eine Spieluhr erinnernden Synthie-Melodie, Tempowechsel, Polyrhythmen und viel Stimmung und Atmosphäre dank dem herausragenden Gesang Tellis. Mal krächzt sie wie ein Dämon, dann schnellt ihre Stimme in opernhafte Gefilde oder dreht wie beim Symphonic Metal auf.
Nicht ganz alle Songs erreichen dieses Level, was bei fast einer Stunde Spielezeit aber kaum ins Gewicht fällt. Am Ende des Tages ist „Flowers & Pain“ eine beinahe unverschämt gute Platte geworden. Abwechslungsreich, vereinnahmend, herausfordernd und auf hohem Niveau. Dead Venus zeigen, wie spannend unsere heimische Szene ist, denn eine solche Band findet man wahrlich nicht alle Tage.