Hassle Records / VÖ: 11. April 2025 / Punk, Hardcore
deadpioneers.band
Text: Michael Messerli
Diese Rezension entsteht unter dem Eindruck einer konkreten Ratlosigkeit und Ohnmacht gegenüber der aktuellen geopolitischen Situation. Fast ein bisschen so, als sässen wir wie gelähmt vor der Schlange. Das zweite Album der Dead Pioneers wurde vor der erneuten Wahl von Donald Trump geschrieben. Die Probleme, die Gregg Deal anspricht, waren schon immer da. Sie sind jetzt nur in aller Deutlichkeit in unsere Wahrnehmung gerutscht. Warum diese Themen auch für uns relevant sind sowie für Menschen, die keiner Minderheit angehören, müsste man viel breiter ausführen. Hier ein Versuch, um es mithilfe von «Po$t American» auf den Punkt zu bringen: Die Tatsache der weissen Vorherrschaft hat Auswirkungen auf uns alle, sie geht uns alle etwas an. Wie sonst kann es sein, dass es eine Person wie Trump zusammen mit seinen Freunden plötzlich das Weltgeschehen dominiert – und wir nur zuschauen? Sie sind die Verkörperung dieser hässlichen, schädlichen und menschenverachtenden weissen Vorherrschaft. Mehr noch als «Mythical Cowboys» wie John Wayne.
Und so knüpft «Po$t American» inhaltlich ans selbstbetitelte Debüt der Dead Pioneers an. Es entlarvt die dummen weissen Menschen, die anderen das Land stehlen (Kolonialismus), sie umbringen (Genozid) oder unterdrücken (struktureller Rassismus), sich ihre Kultur aneignen und diese gleichzeitig anhand von Stereotypen romantisieren. Der vielschichtige Künstler Gregg Deal, selber indigener Stammesangehöriger, erhebt die Stimme. Mit seinen Texten, seinem Gesang und mit Spoken-Word-Einschüben. Als wäre das alles nicht schon gut genug, gestalten seine Mitmusiker dazu die Punk-Songs, die perfekt als Vehikel für diese Inhalte funktionieren. Eine Band aus Zufall, geboren aus dem Corona-Lockdown, Kunst der Kunst willen – aber mit einer im Moment unvergleichlich klaren Botschaft.
«Po$t American» ist eine der wichtigsten Veröffentlichungen der letzten Jahre, gerade weil es bei den Dead Pioneers nie darum ging, Popularität zu erlangen. Das mag auch ein romantisierender Gedanke sein. Aber er ist deshalb weder falsch noch ist er im Indie-Bereich neu. Die Popularität dieser Band entsteht aus ihrer Daseinsberechtigung, ihrer Daseinsnotwendigkeit und der Qualität ihrer Musik. «Po$t American» ist der Rage Against «The Caucasity». Was wurde denn in den letzten 30 Jahren erreicht? Pearl Jam, in deren Vorprogramm die Dead Pioneers spielten, sangen 1993 vom «W.M.A.», also vom White Male American. Sie sangen von «Glorified G», also von glorifizierten Waffen. Sie nutzten noch einen etwas poetischeren Ansatz. «Po$t American» spricht die Dinge so direkt wie nur möglich an. Es ist bitternötig.
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