Band: Crippled Black Phoenix
Album: Ellengæst
Genre: Post-Rock / Progressive Rock
Label: Season Of Mist
VÖ: 9. Oktober 2020
Webseite: crippledblackphoenix.net
Man könnte es verstehen, wenn Justin Greaves den Kopf in den Sand gesteckt hätte: Crippled Black Phoenix finden sich plötzlich von sieben auf vier Mitglieder reduziert, die Band steht ohne Leadsänger und Keyboarder da. Maximal unangenehm – oder eine Chance.
Die Chance kommt in diesem Fall in Form eines ganzen Aufgebots befreundeter Gastmusiker daher. So hört man auf den Openern «House Of Fools» und «Lost» neben Belinda Kordic auch Vincent Cavanagh von Anathema. Um die Band ist es in letzter Zeit recht ruhig geworden; da ist es umso schöner, ihre Einflüsse wieder einmal in melancholisch-desolatem (d.h. unkitschigem) Zusammenhang zu hören. Während «House Of Fools» sich – zwar mit trauergeschwängerter Trompete, aber insgesamt wenig experimentell – noch etwas zurücknimmt, greift «Lost» wieder das cineastische Feeling des Vorgängers «Great Escape» auf.
Etwas Besonderes erwartet den Hörer mit «In The Night», das in Zusammenarbeit mit Gaahl (Ex-Gorgoroth, God Seed, Wardruna usw.) entstanden ist: Ein stoisches, melancholisches Stück mit gesprochenem Text, das reduziert beginnt und sich viel Zeit für einen stimmungsvollen Aufbau nimmt – und zum Schluss ordentlicher Post-Rock-Manier ausbrechen darf.
Danach wird’s erstmal wavig und post-punkig. Hier hat Ryan Patterson alias Fotocrime seine Finger im Spiel. Die Paarung mit dem Post-Rock gelingt gut, das Resultat nimmt sich überraschend poppig aus. Allerdings dürfte einem auch leicht entgehen, dass hier Newcomerin Suzie Stapleton mitmischt; ihre Stimme geht im Hintergrund fast gänzlich unter, was sehr schade ist.
Der wohl typischste Crippled-Black-Phoenix-Song kommt in Form von «Everything I Say» daher. Melancholisch, schwerfällig und mit dicken Soundwänden gräbt er sich zwischen die anderen Stücke, bevor er in dezent verschobenen Ambient-Klangspielereien landet.
Als letzter Gast darf Jonathan Hultén dem zarten «The Invisible Past» seine Stimme leihen. Der längste Song auf dem Album beginnt leise und zerbrechlich, schöpft aber von Minute zu Minute mehr aus seiner emotionalen Stimmung und setzt einen optimistischen Schlussakkord, bevor es mit dem ohrwurmtauglichen Bauhaus-Cover «She’s In Parties» noch einmal abgeht.
Crippled Black Phoenix waren noch nie eine Band, die unmittelbar zugänglich ist; ihre Alben brauchten schon immer etwas Zeit, bevor sie sich richtig entfalten konnten. Das ist bei «Ellengæst» nicht anders. Und doch haben sie hier ein unerwartet vielseitiges Album geschaffen, auf dem die Einflüsse ihrer Gastmusiker ganz deutlich zu hören sind. Einziger Wermutstropfen sind die zahlreichen Sprachsamples, vermutlich als verbindendes Element gedacht – die es aber gar nicht gebraucht hätte, vielmehr stören sie den Fluss. Aber abgesehen davon ist Album Nummer acht einmal mehr geglückt.
Tracklist:
1. House Of Fools
2. Lost
3. In The Night
4. Cry Of Love
5. Everything I Say
6. (-)
7. The Invisible Past
8. She’s In Parties
Bandmitglieder:
Justin Greaves – Gitarre
Belinda Kordic – Gesang
Helen Stanley – Klavier, Keyboard, Trompete
Andy Taylor – Gitarre
Gründung:
2004
Text: Cornelia Hüsser