Humus Records / VÖ: 22. November 2024 / Hardcore, Noise-Rock
coilguns.ch
Text: David Spring
«Nichts hat mehr Bestand!» So sangen schon Fjørt vor nicht allzu langer Zeit, und schaut man sich die Welt heute an, ist dem kaum etwas hinzuzufügen. Wäre da nicht das vorzügliche Schweizer Label Humus Records, aus dessen heiligen Hallen beständig und unabdingbar hervorragende, einzigartige Musik hervorgeht, die uns immer wieder den Weg leuchtet. Allen voran Coilguns, das Humus-Steckenpferd, die nun mit «Odd Love» ihr viertes Album am Start haben.
Das Album-Cover ziert das gewaltige Slinningsbålet-Feuer in Ålesund, das dort jedes Jahr entfacht wird, sinnbildlich für unseren in Flammen stehenden Planeten. Die zerstörende, reinigende Kraft des Feuers und die chaotische Unvorhersehbarkeit des Lebens sind dann auch äusserst treffende Metaphern für die Musik, die Coilguns hier abermals auf uns loslassen. Der Opener «We Missed The Parade» zeigt gleich eindrücklich, wo es langgeht. Losgelöster Vollgas-Beat, dringliche Gitarren und die unvergleichliche Stimme des Louis Jucker. Yes, sie sind zurück, was für ein Einstand. Und danach wird es nur besser!
«Placeholders» bringt die glorreiche Unvorhersehbarkeit, die die Band aus La Chaux-de-Fonds so unnachahmlich macht. Die gepfiffene (!) Lead-Melodie ist so verdammt eigenartig und eingängig, vor allem, wenn sie zum Schluss im epischen Crescendo gesanglich wiederholt wird, dass man aus dem Staunen kaum herauskommt. Einfach mal eben einer der besten Songs des Jahres, der hier auf uns losgelassen wird. Wie nicht anders zu erwarten, wird Abwechslung hier grossgeschrieben. «Generic Skincare» ist energiegeladener, vertrackter Vollgaspunk, «Black Chyme» ist ein bedrohliches Mid-Tempo-Brett, dass die charismatische Stimme Juckers süffisant aus den Boxen mäandrieren lässt und die glorreiche Vorabsingle «Bandwagoning» ist eine chaotische, vernichtende Noise-Walze, wie nur Coilguns sie hervorzaubern vermögen.
Die zweite Hälfte des Albums lässt sich als der experimentelle Teil bezeichnen, obwohl dies natürlich bei einer so von Kreativität schier zu explodieren drohenden Band wie Coilguns schon eher zur Norm gehört. Während das tonnenschwere «Caravel» mit einem kruden, verstörenden Piano-Solo aufwartet, spielt «Venetian Blinds» mit post-hardcoreigen Soundkollagen, die im gewaltigen «Featherweight» dann erst so richtig auf die Spitze getrieben werden. Ein ultimatives Brett, vernichtend, verstörend und unnachahmlich. «The Wind To Wash The Pain» ist der einzige Moment, um kurz innezuhalten und etwas zur Ruhe zu kommen. Denn als Abschluss gibt es das zweiteilige, achteinhalbminütige «Bunker Vaults», dass nochmals sämtliche Register zieht und so herausfordernd wie reich belohnend ist. Wahrlich beachtlich!
Coilguns werden mit «Odd Love» sämtlichen Ansprüchen gerecht. Sie sind und bleiben eine der einzigartigsten Gruppen unseres Landes. Wer die Band schon einmal live gesehen hat, kann die unbändige, überbordende Energie bezeugen. Dass es ihnen gelingt, diese Energie und Kreativität einmal mehr genauso auf Platte zu bannen, ist beeindruckend und gar etwas beängstigend. Doch genau so sind Coilguns am Ende des Tages nun mal: chaotisch, fantastisch, betörend, verstörend, versöhnlich und unvergleichlich!