* * *
Band: Children Of Bodom
Album: Relentless, Reckless Forever
Label/Vertrieb: Spinefarm/Universal
Veröffentlichung: 4. März 2011
Website: www.cobhc.com
Geschrieben von: Cyril Schicker
In der Moderne sind wir jäher denn je omnipräsenten Werbeattacken ausgesetzt – ob wir es wollen oder nicht. Jedwede Objektivität wird dauernd von irgendwelchen sich fies (halt schliesslich eben doch) durchsetzenden Werbetorpedos beschnitten. Ein „Oh weh und Jesses“ an dieser Stelle ist zwar gerechtfertigt, aber wenn es schon so ist, kann man sich den Versuchen auch mit mehr oder minder stolzgeschwellter Brust hingeben.
Des Schreibers Brust ist geschwellt, vielleicht aber viel mehr ob etwaigen EPO-Injektionen. Allenfalls sind es auch klassische „Men Boobs“. Man weiss es nicht genau, man will es nicht wissen und ja, die Aufmerksamkeit gebührt ja ohnehin nicht der Schreibhure, sondern viel mehr den (im CD-Booklet angepriesenen) Brands wie Dunlop, EMG Pickups, ESP, Pearl, pro-mark, Good Fight Entertainment und ICM Talent.
In der Moderne sind einerseits die Vielfalt an Bands, anderseits der vereinfachte Zugang zu deren Musik um Welten besser oder ausgeprägter als früher. Als Folge geht des Fans Loyalität den Bach runter, was mitunter bedeutet, dass eine Band (fast) nur noch existieren kann, wenn sie von einem professionellen Umfeld in die Welt hinausgetragen wird. Diese Professionalität führt zuweilen dazu, dass bandseitig Kompromisse gemacht werden (müssen) und dass dadurch gewissermassen der Kommerz der künstlerischen Kreativität ans Bein fährt. Klar, aus Sicht des (eben: illoyaler gewordenen) Fans ist das ähnlich dramatisch wie Taubheit, jedoch sollte man sich auch bewusst sein, dass viele unserer Musikidole es überhaupt nicht mehr gäbe, täten sie sich konsequent über diese – zugegeben, leidige – Entwicklung darüber hinwegsetzen.
Nun denn, diesem Einführungssermon zum Trotz, Children Of Bodom haben eine neue Platte herausgebracht. Sie hört auf den Namen „Relentless, Reckless Forever“, sie ist kurz(-weilig), sie ist nicht dazu gedacht, die Musikwelt zu erfinden, sie überrascht denn auch nicht negativ, kann handumkehrt als einfach zugänglich, authentisch und überzeugend betitelt werden. Nörgler und gescheiterte Musiker führten womöglich ins Feld, die Scheibe töne ja wie die früheren, Positivbehaftete fürsprächen, bei Children Of Bodom wisse man, was man kriege – und das sei schliesslich hohe Kunst, feine Kost. Beide haben zu gewissen Teilen recht, obgleich erstere Kritiken nicht einmal den Kinderschuhen entwachsen sind, das heisst, sie greifen eindeutig zu kurz.
Ach ja, Children Of Bodom sind Nordländer, haben wahrscheinlich bereits bei der Geburt gelernt, was Souveränität heisst, sich dies zur Gänze verinnerlicht. Folgender Songauszug (Liedfragmente „Not My Funeral“) macht’s deutlich:
… If you rip my life apart in no time
I’ll put it back together in 2.5
How’s that for punctuality?
Since you wanna fuck me over
and I know you do
Better be aware I’m gonna fuck you too
But you should know by now be schooled in that very piece of my mind’s obscurity.
Textliche Grösse beweisen Children Of Bodom auch mit dem Lied “Pussyfoot Miss Suicide”. Harsch, hart an der Grenze – und aber eben nicht heuchlerisch, sondern ehrlich (und Recht haben sie damit auch noch). Sehr sympathisch ist auch der Fakt, dass (so sagt zumindest Wikipedia) jedes Album ein Song beherbergt, der das Wort „Bodom“ in sich trägt. Weshalb dem so ist, schlagt selber nach, allerdings hat der jüngste Silberling nicht mal ansatzweise dieses Wort in petto. Letzteres ist jedoch vernachlässigbar oder anders gesagt, letzteres tut der guten Platte keinen Abbruch: Reinhören und kaufen. Vertrauenserweckender: Kaufen und reinhören.
Tracklist:
1. Not My Funeral
2. Shovel Knockout
3. Roundtrip to Hell and Back
4. Pussyfoot Miss Suicide
5. Relentless, Reckless Forever
6. Ugly
7. Cry of the Nihilist
8. Was It Worth It?
9. Graverobber
10. Northpole Throwdown