Band: Bring Me The Horizon
Album: Amo
Genre: Alternative
Label: Sony Music
VÖ: 25. Januar 2018
Webseite: bmthofficial.com
Der erste Gedanke der aufkam, als ich die neue Bring Me The Horizon Platte „Amo“ zum ersten Mal hörte: „Oh oh, da werden aber einige Fans von den früheren Werken der Band ziemlich angepisst sein!“. Bring Me The Horizon galten einst als die Speerspitze der Death- und Metalcore-Szene. Doch bereits auf dem letzten Longplayer „That’s The Spirit“ brachen die Engländer auf, um neue musikalische Ufer zu erkunden. Diese Reise führen sie auf „Amo“ fort. Und es ist ausgesprochen interessant, in welche Gewässer sie dabei vordringen. So kam mir das Ganze beim ersten Durchgang ziemlich bunt zusammengewürfelt vor.
Die Songs auf „Amo“ scheinen auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen zu wollen. Klar, Bring Me The Horizon sind noch immer eine Rockband. Dies haben sie bereits mit den Vorab-Singles „MANTRA“ und „Wonderful Life“ klar gemacht. Das sind treibende, eingängige Rocksongs mit grossen Hooks. Auf zweitem haben sie sogar Dani Filth, den Frontmann der englischen Dark Metal Band Craddle Of Filth, ins Boot geholt. So ist „Wonderful Life“ mit seinen tief gestimmten Metalcore-Riffs und dem Intermezzo aus Dani Filths hohen, kreischenden Screams auch einer der härtesten Tracks auf dieser Platte. Weitere Songs, welche in die härtere Kerbe schlagen, sind „Sugar Honey Ice & Tea“ und „Heavy Metal“, bei welchem Bring Me The Horizon mit dem englischen Beatbox-Künstler Rahzel zusammengespannt haben. In diesem Track wird auch thematisiert, dass die Fans von früher sich abwenden, weil es einfach nicht mehr Heavy Metal ist, was Bring Me The Horizon produzieren. Wenn man aber genau hinhört, findet man die Metalcore-Elemente trotzdem auf sehr vielen Songs des Albums. Sie sind halt einfach viel subtiler eingesetzt und springen nicht mehr sofort ins Gesicht.
Auf „Amo“ wird aber auch ganz schön in der Electro-Kiste gewühlt. „Nihilist Blues“ kommt in einem fast schon progressive Trance-mässigem Gewand daher und das Stelldichein der kanadischen Synth-Pop Queen Grimes ist eine wahre Bereicherung. Ausserdem findet man auf dem ganzen Album immer wieder Songs, die einen Interlude-Charakter haben. „Ouch“ zum Beispiel würde sich in einem Drum&Bass-Set sicher gut machen. Trappig wird’s auf „Why You Gotta Kick Me When I’m Down?“, auf welchem Sänger Oli Sykes sich sogar in Sprechgesang übt.
Die letzte markante Zutat, welche „Amo“ auszeichnet, ist klar der Pop. Kann man jetzt die Nase rümpfen, sollte man aber nicht, denn es macht das Album trotz all der verschiedenen musikalischen Experimente so eingängig und spassig anzuhören. „Mother Tongue“ zum Beispiel klingt, als ob Bring Me The Horizon zusammen mit den neuen Coldplay und Bastille ein Soundsüppchen gebraut hätten. Der Song ist richtig klebrig – und das meine ich positiv. Und auch „Medicine“ müsste mir eigentlich die Gehörgänge zukleben, weil die Melodien so kitschig sind. Tut er aber nicht, im Gegenteil.
Abgeschlossen wird „Amo“ auf „I Don’t Know What To Say“ mit grossen Streicher-Arrangements. Es ist gleichzeitig einer der emotionalsten Songs auf dem Album, denn Oli Sykes verarbeitet darin die letzten Momente eines Freundes, der mit Leukämie im Sterben liegt. Er singt vom inneren Konflikt, nicht mehr zu wissen, was er dieser Person sagen soll, wenn er sie besuchen geht, da sie beide wissen, dass der Tod unumgänglich bevor steht. Ein Gänsehautmoment zum Schluss.
Ich muss gestehen: Zuerst überforderte mich „Amo“. Irgendwie passte nichts zusammen und es war ein bunt zusammengewürfelter Haufen Songs, aber gleichzeitig ergab jedes Experiment doch einen Sinn. Mittlerweile, nach unzähligen weiteren Spins, bin ich mir aber sicher: „Amo“ ist bereits jetzt einer meiner absoluten Top-Alben von 2019. Selten ist ein Album so gewachsen und hat sich entfaltet, als ich ihm den nötigen Raum gegeben habe. Denn auch wenn ihnen Ausverkauf vorgeworfen wird, da sie sich in eine poppigere Richtung weiterentwickelt haben, das ist immer noch Bring Me The Horizon. Und die machen halt einfach was sie wollen. Und das ist gut so, denn „Amo“ ist zwar absolut verrückt, aber auch durch und durch ehrlich.
Tracklist:
1. I Apologize If You Feel Something
2. MANTRA
3. Nihilist Blues Feat. Grimes
4. In The Dark
5. Wonderful Life Feat. Dan Filth
6. Ouch
7. Medicine
8. Sugar Honey Ice & Tea
9. Why You Gotta Kick Me When I’m Down?
10. Fresh Bruises
11. Mother Tongue
12. Heavy Metal Feat. Rahzel
13. I Don’t Know What To Say
Bandmitglieder:
Oli Sykes – Gesang
Lee Malia – Gitarre
Matt Kean – Bass
Matthew Nicholls – Schlagzeug
Jordan Fish – Keyboard
Gründung:
2004
Text: Ivo Arztmann